TE Vwgh Erkenntnis 1994/9/8 94/18/0248

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Veröffentlicht am 08.09.1994
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §18 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des V in T, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 24. März 1994, Zlen. St 19/94, St 65/94, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes und Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 24. März 1994 wurde unter Spruchpunkt I gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Liberia, gemäß § 18 Abs. 1 sowie den §§ 19 und 20 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen und unter Spruchpunkt II gemäß § 54 Abs. 1 FrG festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß der Beschwerdeführer in Liberia gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 FrG bedroht sei; seine Abschiebung nach Liberia sei somit zulässig.

Der Beschwerdeführer sei am 18. November 1993 von Ungarn kommend mit einem Reisebus nach Österreich eingereist, wobei er weder über einen gültigen Reisepaß noch über einen österreichischen Sichtvermerk verfügt habe; vielmehr habe er sich mit einem verfälschten Reisepaß von Costa Rica ausgewiesen. Am 19. November 1993 habe er versucht, mit dem verfälschten Reisepaß nach Deutschland zu gelangen, sei jedoch am Grenzübergang Suben zurückgewiesen worden. Der Asylantrag des Beschwerdeführers sei mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. Dezember 1993 (erlassen am 12. Jänner 1994) abgewiesen worden. Da mit dem negativen Bescheid des Bundesasylamtes vom 9. Dezember 1993 die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung ausgeschlossen worden sei, komme dem Beschwerdeführer ab diesem Zeitpunkt keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zu. Der festgestellte Sachverhalt rechtfertige die Annahme, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde (§ 18 Abs. 1 FrG). Da in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers durch das Aufenthaltsverbot nicht eingegriffen werde (§ 19 FrG), könne eine Erörterung der Frage, ob diese Maßnahme i.S. dieser Bestimmung dringend geboten und gemäß § 20 leg. cit. zulässig sei, unterbleiben.

Was die negative Feststellung nach § 54 Abs. 1 FrG betreffe, so habe der Beschwerdeführer angegeben, in Liberia weder von der Polizei noch vom Gericht gesucht zu werden; eine Verfolgung durch den Staat habe er nicht behauptet, er habe Liberia aufgrund der dort herrschenden Bürgerkriegssituation verlassen. Allfällige Nachstellungen durch die Rebellentruppen des Charles Taylor, von denen sich der Beschwerdeführer seinen Angaben zufolge nach seiner Zwangsrekrutierung entfernt habe, könnten nicht unter § 37 Abs. 1 FrG subsumiert werden. Die dort angeführten Gefahren seien nur dann solche i.S. dieser Bestimmung, wenn sie von dem betreffenden Staat ausgingen oder von ihm gebilligt würden. Die Einholung von Auskünften über die aktuelle politische Situation in Liberia sei entbehrlich, fehle es doch an jedem Hinweis, daß der liberianische Staat die Rebellengruppe von Charles Taylor unterstützen oder deren Tätigkeit billigen würde. Gleiches gelte für die im § 37 Abs. 2 FrG angeführten Gefahren, deren Vorliegen im übrigen vom Beschwerdeführer nicht ausdrücklich behauptet worden sei. Eine Bürgerkriegssituation vermöge solche Gefahren nicht zu begründen.

Der in der Berufung erhobenen Verfahrensrüge, daß dem Beschwerdeführer die Länderberichte, auf die sich der erstinstanzliche Bescheid gestützt habe, nicht zur Kenntnis gebracht worden seien, sei entgegenzuhalten, daß der Beschwerdeführer in der Berufung Gelegenheit gehabt hätte, zu der Auswertung dieser Länderberichte durch die Erstbehörde Stellung zu nehmen und sie allenfalls zu entkräften; dies sei jedoch nicht geschehen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

A. Zu Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides

1. Die Ansicht der belangte Behörde, es sei durch den als maßgeblich festgestellten Sachverhalt die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme als verwirklicht anzusehen, bleibt in der Beschwerde unbekämpft. Auch der Gerichtshof hegt insoweit keine rechtlichen Bedenken.

2.1. Die Beschwerde meint, die belangte Behörde hätte in Anwendung der §§ 19 und 20 FrG kein Aufenthaltsverbot erlassen dürfen. Es werde entgegen den Ausführungen der belangten Behörde durch diese Maßnahme in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen, weil ihm im Fall der Abschiebung in sein Heimatland gravierende Nachteile drohten. Außerdem sei die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes über den Beschwerdeführer nicht dringend geboten. Schließlich müsse aufgrund der Schwere der dem Beschwerdeführer in seinem Heimatland "drohenden Probleme" die im § 20 FrG vorgesehene Interessenabwägung zu seinen Gunsten ausschlagen.

2.2. Dazu, daß dieses Vorbringen zur Gänze verfehlt ist, wird zwecks Vermeidung von Wiederholungen im Grunde des § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 21. Juli 1994, Zl. 94/18/0319, verwiesen.

3. Dem Beschwerdeeinwand, es sei nicht ersichtlich, weshalb nicht mit dem gelinderen Mittel der Ausweisung vorgegangen worden sei, ist entgegenzuhalten, daß bei Erfüllung des Tatbestandes des § 18 Abs. 1 FrG - wovon, wie erwähnt, im Beschwerdefall auszugehen ist - entsprechend dieser Bestimmung zwingend mit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes vorzugehen ist.

4. Unter Zugrundelegung der vorstehenden Ausführungen ist der Verfahrensrüge dahin, daß die belangte Behörde "Feststellungen und Begründungen zu den Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 19 und 20 Fremdengesetz unterlassen (hat)", der Boden entzogen.

5. Die in bezug auf Spruchpunkt I des bekämpften Bescheides behauptete Rechtswidrigkeit liegt somit nicht vor.

B. Zu Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides 1.1. Der Beschwerdeführer vertritt die Ansicht, daß bei

richtiger Würdigung der von ihm geltend gemachten Verfolgungssituation in Liberia seinem Feststellungsantrag hätte Folge gegeben werden müssen. Es sei anerkannter Grundsatz, daß dort, wo eine funktionierende Staatsgewalt nicht existiere, man sohin keinen Schutz vor Übergriffen und Verfolgungshandlungen einzelner Teilautoritäten habe, derartige Gefährdungen für das Feststellungsverfahren gemäß §§ 37, 54 FrG relevant seien. Im übrigen setze das Abschiebungsverbot keinesfalls eine staatliche Verfolgung voraus, sodaß auch Verfolgungshandlungen durch Bürgerkriegsparteien in den Anwendungsbereich dieses Verbotes fielen.

1.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Zum einen geht daraus nicht hervor, daß das Leben oder die Freiheit des Beschwerdeführers aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seinen politischen Ansichten bedroht wäre (§ 37 Abs. 2 FrG). Zum anderen blieb der Beschwerdeführer eine nachvollziehbare Begründung dafür schuldig, weshalb er im Fall seiner Rückkehr nach Liberia dort einer der im § 37 Abs. 1 FrG genannten Gefahren ausgesetzt sei. Dies zumal dann, wenn man die - von ihm unbestritten gebliebene - Feststellung im erstinstanzlichen Bescheid, auf die in der Begründung des angefochtenen Bescheides verwiesen wird, zugrunde legt, daß im Juli 1993 zwischen den Bürgerkriegsparteien (unter Einschluß der von Charles Taylor geführten National Patriotic Front of Liberia) ein Waffenstillstand und anschließend ein Friedensabkommen geschlossen worden sei (vgl. dazu die damit übereinstimmende Darstellung in: Der Fischer Weltalmanach 1994, 132).

2. Angesichts des Vorgesagten mangelt es der Verfahrensrüge, derzufolge es die belangte Behörde unterlassen habe, zum Beweis der "fehlenden Staatsautorität in Liberia" Länderberichte von Flüchtlingsorganisationen zur Situation in Liberia einzuholen, an der Wesentlichkeit.

3. Da somit der Beschwerdeführer nicht glaubhaft gemacht hat, daß ihm im Fall seiner Abschiebung nach Liberia dort die im § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG genannten Gefahren drohten, haftet auch dem Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides die behauptete Rechtswidrigkeit nicht an.

C. Damit erweist sich die Beschwerde als zur Gänze unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994180248.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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