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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AufG 1992 §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des T in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 8. Juni 1994, Zl. SD 464/94, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 8. Juni 1994 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen polnischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 8 des Fremdengesetzes (FrG) ein mit fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, unstrittig sei, daß der Beschwerdeführer Gesellschafter einer offenen Erwerbsgesellschaft sei. Zu prüfen sei, ob diese offene Erwerbsgesellschaft lediglich dazu gedient habe, die Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) zu umgehen. Die Gründung der Gesellschaft habe offensichtlich nicht den Zweck gehabt, den Gesellschaftern andere Vorteile einer selbständigen Tätigkeit als solche im Hinblick auf das Ausländerbeschäftigungs- und das Fremdenrecht zu verschaffen. Vor den Organen des Landesarbeitsamtes Wien habe der Beschwerdeführer am 6. Dezember 1993 angegeben, daß er als Reinigungskraft seit Juli 1993 für eine bestimmte Firma eingesetzt werde. Der "Firmenchef", der laut Gesellschaftsvertrag zur alleinigen Vertretung und Geschäftsführung der offenen Erwerbsgesellschaft bestellt worden sei, teile ihn zur jeweiligen Arbeit ein, überwache diese Arbeit und zahle ihm auch den Lohn (S 65,-- netto pro Stunde) aus. Der Beschwerdeführer habe Arbeitsleistungen für die Gesellschaft erbracht, die typischerweise in einem Arbeitsverhältnis geleistet würden. Eine Feststellung des Arbeitsamtes, daß der Beschwerdeführer einen wesentlichen Einfluß auf die Geschäftsführung der Gesellschaft tatsächlich persönlich ausübe, liege nicht vor. Der Beschwerdeführer habe demnach eine Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 2 AuslBG ausgeübt. Er sei dabei von Organen des Landesarbeitsamtes betreten worden. Der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 8 FrG sei erfüllt. Dem Beschwerdeführer, der ausschließlich zur Arbeitsaufnahme nach Österreich eingereist sei, wäre zumutbar gewesen, sich über die einschlägige Gesetzeslage zu informieren. Sein Fehlverhalten und die dadurch bewirkte Beeinträchtigung eines geordneten Beschäftigungs- und Fremdenwesens rechtfertigten die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme.
Auf Grund der Kürze des Aufenthaltes (von April bis Dezember 1993 und zuletzt seit 10. Februar 1994) könne von einem durch das Aufenthaltsverbot bewirkten relevanten Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers nicht gesprochen werden, auch wenn ein Onkel des Beschwerdeführers in Österreich lebe. Es sei daher weder zu untersuchen, ob das Aufenthaltsverbot zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei, noch sei eine Interessenabwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorzunehmen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
1. Der Beschwerdeführer bestreitet, daß der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 8 FrG erfüllt sei, und führt dazu aus, er sei persönlich haftender Gesellschafter einer offenen Erwerbsgesellschaft. Solche Gesellschafter stünden als selbständig Erwerbstätige grundsätzlich in keinem Arbeitsverhältnis und bedürften somit keiner Bewilligung nach dem AuslBG. Wenn sich die belangte Behörde bei ihrer Annahme, die offene Erwerbsgesellschaft sei zur Umgehung der Bestimmungen des AuslBG errichtet worden, auf seine Angaben gegenüber den Organen des Landesarbeitsamtes vom 6. Dezember 1993 betreffend seinen Stundenlohn und die Einteilung zur Arbeit durch den Geschäftsführer stütze, sei dies verfehlt, weil er die Unterfertigung der Niederschrift verweigert habe. Die belangte Behörde hätte daher ein entsprechendes Ermittlungsverfahren zu diesen Fragen durchführen müssen. Soweit sich die belangte Behörde zur Begründung ihrer Entscheidung auf § 2 Abs. 4 AuslBG stütze, sei zu beachten, daß diese Bestimmung erst mit 1. August 1993 in Kraft getreten sei. Mit dieser Bestimmung sei eine wirtschaftliche Betrachtungsweise in das AuslBG eingeführt worden. Da er bereits seit 11. Mai 1993, somit vor Inkrafttreten der genannten Bestimmung, Gesellschafter der offenen Erwerbsgesellschaft geworden sei und seither seine Tätigkeit als persönlich haftender Gesellschafter ausgeübt habe, sei die genannte Bestimmung auf ihn nicht anzuwenden, weil der Bestimmung sonst unzulässigerweise rückwirkende Verbindlichkeit beigemessen würde.
2.1. § 2 Abs. 4 AuslBG idF der Novelle BGBl. Nr. 502/1993 lautet wie folgt:
"(4) Für die Beurteilung, ob eine Beschäftigung im Sinne des Abs. 2 vorliegt, ist der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend. Eine Beschäftigung im Sinne des Abs. 2 liegt insbesondere auch dann vor, wenn
1.
ein Gesellschafter einer Personengesellschaft zur Erreichung des gemeinsamen Gesellschaftszweckes oder
2.
ein Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit einem Geschäftsanteil von weniger als 25 %
Arbeitsleistungen für die Gesellschaft erbringt, die typischerweise in einem Arbeitsverhältnis geleistet werden, es sei denn, das Arbeitsamt stellt auf Antrag fest, daß ein wesentlicher Einfluß auf die Geschäftsführung der Gesellschaft durch den Gesellschafter tatsächlich persönlich ausgeübt wird. Den Nachweis hiefür hat der Antragsteller zu erbringen."
Diese Bestimmung ist mit 1. August 1993 in Kraft getreten (§ 34 Abs. 11 AuslBG in der zitierten Fassung). Ab diesem Zeitpunkt war die Tätigkeit des Beschwerdeführers als Gesellschafter der offenen Erwerbsgesellschaft anhand des § 2 Abs. 4 leg. cit. auf ihre Bewilligungsbedürftigkeit nach diesem Gesetz zu prüfen, nicht aber für die Vergangenheit. Bei § 2 Abs. 4 AuslBG handelt es sich demnach nicht um eine Bestimmung mit rückwirkender Verbindlichkeit. Dies bedeutet aber nicht, daß - wie der Beschwerdeführer offenbar meint - diese Bestimmung auch nach ihrem Inkrafttreten nicht auf Fälle angewendet werden könne, in denen die Gesellschaft vor dem Inkrafttreten der genannten Bestimmung errichtet wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 1. Juni 1994, Zl. 94/18/0258).
2.2. Der Beschwerdeführer bringt in seiner Beschwerde vor, daß er Gesellschafter einer näher bezeichneten offenen Erwerbsgesellschaft sei, deren Betriebsgegenstand die Ausübung der gewerblichen Tätigkeit der Gebäudereinigung sei, und daß er bei einer Kontrolle durch Beamte des Landesarbeitsamtes Wien am 6. Dezember 1993 auf einer Baustelle angetroffen worden sei, als er in seiner Eigenschaft als Gesellschafter der genannten offenen Erwerbsgesellschaft Fenster geputzt habe.
Es ergibt sich demnach schon aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers, daß er eine Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 4 Z. 1 AuslBG ausgeübt hat, für die eine Bewilligung nach dem AuslBG nicht erteilt worden ist. Damit ist der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 8 AuslBG erfüllt, weshalb auf die von der belangten Behörde aufgeworfene Frage, ob die Gesellschaft von vornherein nur zur Umgehung der Bestimmungen des AuslBG errichtet worden sei, nicht weiter eingegangen zu werden brauchte.
2.3. An der Verhinderung von "Schwarzarbeit" besteht ein großes öffentliches Interesse (siehe das oben zitierte hg. Erkenntnis vom 1. Juni 1994, mwN), sodaß der Ansicht der belangten Behörde, es sei im Beschwerdefall die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt, nicht mit Erfolg entgegengetreten werden kann. Die Annahme, der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet gefährde die öffentliche Ordnung, ist umsomehr zutreffend, als sich dieser im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides unrechtmäßig in Östereich aufgehalten hat, und zwar aus folgenden Gründen:
Der Beschwerdeführer hätte seit Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes (BGBl. Nr. 466/1992) mit 1. Juli 1993 (§ 15 Abs. 1 leg. cit.) im Hinblick auf § 1 Abs. 2 Z. 2 leg. cit. (Aufenthalt zur Ausübung einer selbständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeit) einer Bewilligung gemäß § 1 Abs. 1 dieses Gesetzes bedurft, um seinen Aufenthalt zu einem rechtmäßigen zu machen. Ab diesem Zeitpunkt bot die auf Grund des österreichisch-polnischen Sichtvermerksabkommens (BGBl. Nr. 330/1972) sichtvermerksfrei erfolgte Einreise keine Grundlage für einen rechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers gemäß § 15 Abs. 1 Z. 1 FrG (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 10. Februar 1994, Zl. 93/18/0626).
2.4. Die belangte Behörde hat zutreffend die Auffassung vertreten, das Aufenthaltsverbot bewirke keinen relevanten Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers, weshalb eine Prüfung der Frage, ob das Aufenthaltsverbot dringend geboten ist (§ 19 FrG), und die Vornahme einer Interessenabwägung nach § 20 Abs. 1 FrG entbehrlich waren (siehe auch dazu das oben zitierte Erkenntnis vom 1. Juni 1994, mwN). Die Beschwerde enthält dazu keine Ausführungen.
3. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994180454.X00Im RIS seit
11.07.2001