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35 ZollrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallLeitsatz
Anlaßfallwirkung der Aufhebung des §59 Abs5 zweiter Satz ZollG 1988 mit E v 10.03.92, G259/91.Spruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit 15.000 S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. a) aa) Der Beschwerdeführer vereinbarte mit einem Autohändler aus Bad Reichenhall (Deutschland) den Kauf eines PKW der Marke Mercedes 560 SEC. Für diesen Kauf waren nach den Beschwerdeausführungen folgende Modalitäten vorgesehen:
Der Autohändler sollte den PKW auf eigene Kosten und Rechnung nach Österreich importieren, verzollen und die Voraussetzungen für die Zulassung des PKW in Österreich (insbesondere die Erlangung der entsprechenden Einzelgenehmigung) besorgen. Erst nach Eintritt dieser Bedingungen sollte der Kauf im Gebiet der Republik Österreich zustandekommen, indem der Autohändler das entsprechende - bedingte - Anbot des Beschwerdeführers annimmt.
bb) Diese Vereinbarung wurde folgendermaßen realisiert:
Der Autohändler beauftragte eine Spedition, den PKW nach Österreich zu transportieren und die zollamtliche Abfertigung vornehmen zu lassen.
Nach Durchführung dieser zollamtlichen Abfertigung wurde der PKW am 12. April 1988 nach Österreich eingeführt.
Sofort darauf wurde der PKW wieder vom Autohändler (in Österreich) übernommen und der Zulassungsbehörde zwecks Erteilung der erforderlichen Einzelgenehmigung vorgeführt.
In der Folge wurde das Anbot des Beschwerdeführers vom Autohändler angenommen, durch notariellen Kaufvertrag vom 21. April 1988 das Auto vom Beschwerdeführer käuflich erworben und ihm am 22. April 1988 übergeben.
b) aa) Als der PKW durch die Spedition zur österreichischen Grenze gebracht worden war, hatte das Zollamt mit der - als Abgabenbescheid geltenden - "zollamtlichen Bestätigung" vom 14. April 1988 Eingangsabgaben festgesetzt, und zwar in Höhe von 149.866 S (Einfuhrumsatzsteuer und Außenhandelsförderungsbeitrag; zuzüglich 2,40 S handelsstatistische Gebühr).
Für die Entrichtung dieser (grundsätzlich sofort fälligen) Eingangsabgabenschuld war gemäß §175 Abs4 Zollgesetz 1988 (ZollG), BGBl. 644, eine Zahlungsfrist von drei Wochen bewilligt worden.
bb) In der Folge wurde über die Spedition ein Konkursverfahren eröffnet; die mit dem unter litaa) genannten Bescheid festgesetzten (und fälligen) Eingangsabgaben wurden von ihr nicht entrichtet.
cc) Aus diesem Grund forderte das Zollamt Wien mit Schreiben vom 1. August 1988 den Beschwerdeführer zur Entrichtung dieses Eingangsabgabenrückstandes auf.
Der Beschwerdeführer war nämlich von der Spedition in der (der zollamtlichen Bestätigung vom 14. April 1988 zugrundeliegenden) "Anmeldung" (des PKW zur Durchführung des Zollverfahrens) als Empfänger (des PKW) genannt worden.
dd) Durch die Aufforderung des Zollamtes Wien erlangte der Beschwerdeführer - seinen eigenen Angaben zufolge - erstmals davon Kenntnis, daß er von der Spedition in der "Anmeldung" als Empfänger genannt worden war und daher mit der Spedition als Solidarschuldner haftet (§174 Abs4 ZollG).
In der Folge erhob der Beschwerdeführer (der meint, nicht er, sondern der Autohändler sei der "Empfänger" des PKW gewesen) am 16. August 1988 Berufung gegen die zollamtliche Bestätigung vom 14. April 1988.
ee) Mit Bescheid des Zollamtes Walserberg-Autobahn vom 5. Oktober 1988 wurde diese Berufung zurückgewiesen, und zwar mit der Begründung, daß die (zweimonatige) Berufungsfrist abgelaufen und die Berufung daher verspätet sei. Inhaltlich stützte sich die Behörde auf die Zustellfiktion des §59 Abs5 zweiter Satz ZollG, auf die unten noch ausführlich eingegangen wird.
ff) Auch gegen diesen Zurückweisungsbescheid erhob der Beschwerdeführer am 20. Oktober 1988 Berufung, über die durch Bescheid der Finanzlandesdirektion Salzburg vom 9. November 1990 entschieden wurde. Mit diesem Bescheid wurde die Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid als unbegründet abgewiesen: Die zollamtliche Bestätigung sei der "Anmelderin" (das ist die Spedition) am 14. April 1988 zugestellt worden; gemäß §59 Abs5 ZollG gelte sie damit auch als dem in der Anmeldung als "Empfänger" genannten Beschwerdeführer zugestellt. Für Anmelderin und Empfänger (den Beschwerdeführer) habe somit bereits am 14. Juni 1988 die zweimonatige Berufungsfrist (§245 Abs1 BAO) geendet.
2. Gegen diesen Berufungsbescheid der Finanzlandesdirektion (FLD) Salzburg vom 9. November 1990 wendet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten und die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes (nämlich des §59 Abs5 zweiter Satz ZollG) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird.
3. Die FLD Salzburg als belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat am 15. Juni 1991 beschlossen, aus Anlaß der vorliegenden Beschwerde gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §59 Abs5 zweiter Satz ZollG einzuleiten.
Mit Erkenntnis vom heutigen Tag, G259/91, hob er diese Gesetzesbestimmung als verfassungswidrig auf.
III. Die belangte Behörde hat eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, daß ihre Anwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war.
Der Beschwerdeführer wurde also durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt (zB VfSlg. 10404/1985).
Der Bescheid war daher aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von 2.500 S enthalten.
Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung beschlossen werden.
Schlagworte
VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1992:B31.1991Dokumentnummer
JFT_10079690_91B00031_2_00