TE Vwgh Erkenntnis 1994/9/15 94/09/0138

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Veröffentlicht am 15.09.1994
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §28 Abs1 Z1 lita idF 1990/450;
AuslBG §28 Abs1 Z1 litb idF 1990/450;
AVG §67d;
VStG §51e Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde des D in W, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 31. März 1994, Zl. Senat-MD-94-010, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit und Soziales), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.070,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war zur Tatzeit und ist noch handelsrechtlicher Geschäftsführer der F Gesellschaft m.b.H. (in der Folge kurz: Ges.m.b.H.). Am 10. Mai 1991 wurden an einer Baustelle der Ges.m.b.H. in L vier polnische Staatsbürger arbeitend angetroffen, die über keine nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) erforderlichen Arbeitspapiere verfügten. Unter der Annahme eines Unternehmenssitzes der Ges.m.b.H. in K wurde das Verwaltungsstrafverfahren erster Instanz von der Bezirkshauptmannschaft Mödling (BH) geführt, welche den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 13. August 1991 zur Rechtfertigung aufforderte. In seiner Stellungnahme vom 31. Jänner 1992 brachte der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, die vier Polen seien bei der Ges.m.b.H. als Volontäre tätig gewesen (§ 3 Abs. 5 AuslBG). Die polnische Firma R habe als Dienstgeber der vier Polen ihre Arbeiter unter Lohnfortzahlung und ohne Anrechnung auf den Urlaub dienstfrei gestellt; die Firma R ersetze der Ges.m.b.H. die Kosten für Unterkunft und Verpflegung in Österreich und habe auch deren Reisekosten übernommen.

Nach Einholung einer Stellungnahme des Landesarbeitsamtes Niederösterreich sprach die BH den Beschwerdeführer mit Bescheid vom 15. Dezember 1993 schuldig, er sei

"... als Geschäftsführer und damit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Firma F Ges.m.b.H. mit dem Sitz in K dafür verantwortlich, daß am 10.5.1991 auf der Baustelle in L die polnischen Staatsangehörigen A, B, C, D beschäftigt wurden, obwohl für diese weder eine Beschäftigungsbewilligung erteilt noch eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt wurde."

Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 AuslBG begangen, wofür über ihn vier Geldstrafen a S 20.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je 10 Tage) verhängt wurden. Strittig sei nur, ob die vier Polen als Volontäre anzusehen seien. Bei der Erhebung auf der Baustelle sei kein Schulungspersonal anwesend gewesen, vielmehr hätten die Ausländer "produktive Arbeit" verrichtet. Die Arbeiter seien von einem ausländischen Arbeitgeber entsandt worden. Die Kosten für die Schulung und die Verpflegung seien von der Ges.m.b.H. übernommen worden. Es sei daher kein Volontärsverhältnis, sondern zumindest ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis vorgelegen, das nach dem AuslBG bewilligungspflichtig sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer sowohl in der Schuld- als auch in der Straffrage Berufung, in welcher er erneut vorbrachte, die Ausländer seien von der polnischen Firma R entlohnt worden, die auch der Ges.m.b.H. die Kosten für Unterkunft und Verpflegung in Österreich ersetzt habe. Zum Nachweis dafür, daß die Polen von der Ges.m.b.H. tatsächlich eingeschult worden seien, berief sich der Beschwerdeführer auf den Zeugen H. Die BH habe den maßgebenden Sachverhalt nicht festgestellt und sei auf diese Weise zu den unrichtigen Feststellungen gelangt, daß an der Baustelle kein Schulungspersonal anwesend gewesen sei, daß die Ausländer "produktive Arbeit" geleistet hätten und daß die Kosten für die Schulung und Verpflegung von der Ges.m.b.H. übernommen worden seien. An der Baustelle in L seien nicht nur die Volontäre, sondern auch Arbeiter der Ges.m.b.H. beschäftigt gewesen. Zur Frage der Kosten für die Schulung und Verpflegung der Ausländer legte der Beschwerdeführer ferner schriftliche Vertragsunterlagen vor. Abschließend beantragte der Beschwerdeführer in seiner Berufung die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die Einstellung des Strafverfahrens und in eventu die Herabsetzung der Strafen auf das gesetzliche Mindestmaß.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 31. März 1994 gab die belangte Behörde ohne weitere Verfahrensschritte der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG insoweit Folge, als die vier verhängten Geldstrafen auf jeweils S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je 5 Tage) herabgesetzt wurden. Die belangte Behörde habe auf Grund des erstinstanzlichen Straferkenntnisses sowie des Berufungsvorbringens lediglich zu prüfen gehabt, ob es sich bei den beschäftigten Ausländern tatsächlich um Volontäre im Sinne des § 3 Abs. 5 AuslBG gehandelt habe oder nicht. Die belangte Behörde sei dazu der Ansicht, daß das wesentliche Merkmal für ein Volontärsverhältnis, nämlich das Nichtbestehen eines Entgeltanspruches, nicht gegeben sei, weil nach dem Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers seitens der Ges.m.b.H. den polnischen Arbeitern Unterkunft und Verpflegung gewährt worden sei, was eindeutig den Charakter eines Naturallohnes aufweise. Maßgebend sei dabei, daß dieser Entgeltanspruch zwischen der Ges.m.b.H. und den Ausländern gegenüber "ganz offenbar" direkt bestanden habe. Ob die Ges.m.b.H. die Kosten für Unterkunft und Verpflegung später von wem auch immer ersetzt bekommen habe, spiele in rechtlicher Hinsicht keine Rolle. In den weiteren Erwägungen befaßte sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid mit der Frage der Strafbemessung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer macht insbesondere geltend, daß die belangte Behörde zu Unrecht von der Abhaltung einer mündlichen Berufungsverhandlung Abstand genommen habe, wodurch u. a. die Erörterung der Zuständigkeit der in erster Instanz eingeschrittenen BH unterblieben sei; der Beschwerdeführer erachtet sich ferner in seinem Recht verletzt, nicht bzw. nicht in diesem Ausmaß wegen Übertretung des AuslBG bestraft zu werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 51e Abs. 1 VStG ist (im Berufungsverfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat) eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen, wenn die Berufung nicht zurückzuweisen ist oder nicht bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist. Zu dieser Verhandlung sind die Parteien und die anderen zu hörenden Personen, insbesondere Zeugen und Sachverständige, zu laden.

Wenn in der Berufung ausdrücklich nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet, dann ist gemäß § 51e Abs. 2 VStG eine Verhandlung nur dann anzuberaumen, wenn dies in der Berufung ausdrücklich verlangt wurde.

Von der Verhandlung kann gemäß § 51e Abs. 3 VStG abgesehen werden, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der Verhandlung erfolgen.

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde von der Abhaltung einer Berufungsverhandlung abgesehen, ohne dies im angefochtenen Bescheid zu begründen. In der Gegenschrift zur vorliegenden Beschwerde führt die belangte Behörde dazu aus, da in der Berufung ausschließlich eine Rechtsfrage angesprochen worden sei, die sich bereits auf Grund der eigenen Darstellungen des Beschwerdeführers habe lösen lassen, sei die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung als entbehrlich erschienen.

Es trifft indes nicht zu, daß der Beschwerdeführer in seiner Berufung ausdrücklich nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet hätte; er hat vielmehr in der Berufung auch ein umfangreiches Tatsachenvorbringen zum Nachweis seiner Behauptung, die vier Polen seien als Volontäre tätig gewesen, erstattet. Die Voraussetzungen für eine Abstandnahme von der nach § 51e Abs. 1 VStG grundsätzlich vorgeschriebenen öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem unabhängigen Verwaltungssenat waren aber auch abgesehen davon nicht gegeben, weil der Beschwerdeführer in seiner Berufung die Abhaltung einer Verhandlung ausdrücklich verlangt hat (§ 51e Abs. 2 letzter Halbsatz VStG). Die belangte Behörde hat durch die Abstandnahme von der Verhandlung das Gesetz verletzt, weil es einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem unabhängigen Verwaltungssenat immer dann bedarf, wenn das Gesetz nicht ausnahmsweise anderes vorsieht (vgl. dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. November 1993, Zl. 93/02/0150, und vom 18. Mai 1993, Zl. 93/11/0013). Dieser Verfahrensmangel ist auch relevant, denn das Vorbringen des Beschwerdeführers stellt sich als grundsätzlich geeignet dar, seine mangelnde strafrechtliche Verantwortlichkeit glaubhaft zu machen (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Februar 1994, Zl. 92/10/0392, u.a.).

Dieses Vorbringen umfaßt nämlich die Behauptung, die Ausländer seien für ihre Tätigkeit nicht von der Ges.m.b.H. entlohnt worden. Diesen Behauptungen hätte die belangte Behörde in der vom Gesetz vorgesehenen Verhandlung insbesondere durch Aufnahme der vom Beschwerdeführer angebotenen Beweise nachzugehen gehabt.

Die belangte Behörde hat daher eine wesentliche Verfahrensvorschrift verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, wobei von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 und 6 VwGG Abstand genommen werden konnte.

Im fortzusetzenden Verfahren wird die belangte Behörde aber nicht nur unter Bedachtnahme auf das Vorbringen des Beschwerdeführers zu prüfen haben, ob tatsächlich eine direkte Entlohnung der vier Ausländer durch die Ges.m.b.H.

stattgefunden hat und ob diese Ausländer tatsächlich als Volontäre mit dem vom Gesetz für diese Tätigkeit vorgesehenen Zweckbestimmung gearbeitet haben, sie wird vielmehr darüber hinaus auch auf ein allfälliges Vorbringen des Beschwerdeführers zur örtlichen Zuständigkeit der BH einzugehen haben. Hinzuweisen ist schließlich auch noch darauf, daß die von der BH getroffene Feststellung, die vier Polen seien von einem ausländischen Arbeitgeber "entsandt" worden, im Falle ihres Zutreffens und im Falle der Verneinung von Volontärsverhältnissen auf einen Verstoß gegen § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. b AuslBG hindeutet, sodaß dem Beschwerdeführer zu Unrecht ein Vorwurf nach lit. a dieser Gesetzesstelle gemacht worden wäre (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. November 1993, Zl. 93/09/0275, und die dort angeführte Vorjudikatur).

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm Art. I A Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994090138.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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