TE Vwgh Erkenntnis 1994/9/15 94/06/0073

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Veröffentlicht am 15.09.1994
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Index

L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Steiermark;
L80006 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan
Steiermark;
L82000 Bauordnung;
L82006 Bauordnung Steiermark;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §66 Abs2;
BauO Stmk 1968 §3a idF 1992/043;
BauO Stmk 1968 §61 Abs1;
BauONov Stmk 1992;
BauRallg;
B-VG Art130 Abs2;
ROG Stmk 1974 §13a;
ROG Stmk 1974 §22;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde der S in L, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 22. Februar 1994, Zl. 03-12 Scha 70-94/2, betreffend Einwendungen gegen eine Widmungsbewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. MS und CS in L, 2. Gemeinde L, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit einem am 19. Juni 1991 bei der mitbeteiligten Gemeinde eingelangten Ansuchen beantragten die Erstmitbeteiligten die Erteilung der Widmungsbewilligung für Teile der Grundstücke Nr. 359/5, 361/1 und 396/2 im Gesamtausmaß von 1.960 m2 für die Errichtung eines Einfamilienwohnhauses mit Doppelgarage. Mit Kundmachung vom 19. Juni 1991 wurde über dieses Ansuchen eine mündliche Verhandlung anberaumt, zu der auch die Beschwerdeführerin als Anrainerin unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen des § 42 AVG geladen wurde. In der mündlichen Verhandlung vom 27. Juni 1991 sprach sich die Beschwerdeführerin gegen die Bebauungsdichte von mehr als 0,1 aus, weil sie dem Ortsbild nicht entspreche, sie beantragte die Einholung eines Sachverständigengutachten, das die Bebauungsdichte der bereits bestehenden Objekte im Umkreis von 5.000 m erheben sollte. Überdies sprach sich die Beschwerdeführerin gegen das Flächenausmaß der Widmungsfläche von 1.960 m2 aus, weil davon mindestens 300 m2 laut Flächenwidmungsplan im Freiland ausgewiesen und daher nicht widmungsfähig seien. Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 6. August 1991 wurde den Erstmitbeteiligten die beantragte Widmungsbewilligung unter Vorschreibung von Auflagen erteilt, wobei die höchstzulässige Bebauungsdichte mit 0,15 festgesetzt wurde. Die Einwendungen der Beschwerdeführerin wurden teils zurück-, teils abgewiesen. Es wurde ausgeführt, daß das Vorhaben der Widmungswerber auch hinsichtlich der Bebauungsdichte von 0,15 den Kriterien des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes entspreche, in welchem eine Bebauungsdichte von 0,10 bis 0,20 als zulässig erklärt sei. Ein Anspruch von Nachbarn auf Einholung eines Gutachtens bestünde nicht, eine Überprüfung vom zuständigen Raumplaner ergebe, daß die gegenständliche Widmungsfläche zur Gänze mit dem Flächenwidmungsplan übereinstimme.

Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Berufung der Beschwerdeführerin hat der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 17. Dezember 1991 abgewiesen.

Aufgrund der dagegen erhobenen Vorstellung hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 4. Mai 1992 den Bescheid des Gemeinderates wegen Verletzung von Rechten der Vorstellungswerberin behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die mitbeteiligte Gemeinde verwiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Nachbar besitze einen Rechtsanspruch auf gesetzmäßige Handhabung des Planungsermessens bei Festlegung der Bebauungsgrundlagen; diesen Anspruch habe der Nachbar sohin auch in Ansehung auf die Festlegung der Bebauungsdichte, es hätte daher der Einholung eines (ortsplanerischen) Gutachtens bedurft, welches sich insbesondere mit der Frage auseinandersetzen hätte müssen, ob zufolge der vorhandenen Umgebung bzw. der bestehenden baulichen Anlagen eine Bebauungsdichtefestlegung, wie sie im erstinstanzlichen Widmungsbewilligungsbescheid erfolgte, gerechtfertigt sei. In der Folge holte die mitbeteiligte Gemeinde ein Gutachten des Dipl.Ing. Dr. F. H. ein. Dieser gelangte in seinem Gutachten vom 12. Juli 1993 zu dem Schluß, dem erhobenen Bestand und der aus diesem Bestand abgeleiteten gewichteten und ungewichteten Mittelwerte entspreche - im Zusammenhalt mit dem im Flächenwidmungsplan festgehaltenen Rahmen der Bebauungsdichte - eine Festlegung der Bebauungsdichte der Grundstücke Nr. 359/5, 396/1 und 2 (teilweise) im Widmungsbescheid von 0,15 bis 0,2. Weiters führte der Sachverständige aus, daß mit dem § 2 des Landesgesetzblattes Nr. 38/1993 der Mindestwert der Bebauungsdichte für reines Wohngebiet mit 0,2 festgelegt worden sei. Aufgrund der nunmehr geänderten Rechtslage sei die Bebauungsdichte im gegenständlichen Fall ex lege in der Höhe von 0,2 festzulegen. Dieses Gutachten wurde der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebracht, nach einer Stellungnahme der Beschwerdeführerin wies der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 12. Oktober 1993 die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 6. August 1991 ab, wegen Änderung der Rechtslage wurde der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides in der Widmungsfestlegung (Punkt 7) insofern abgeändert als die höchstzulässige Bebauungsdichte mit 0,2 festgelegt wurde.

Der gegen diesen Bescheid eingebrachten Vorstellung gab die belangte Behörde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 22. Februar 1994 keine Folge. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge von Verfahrensvorschriften. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren (bzw. im Widmungsbewilligungsverfahren nach den Bestimmungen der Steiermärkischen Bauordnung) in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10317/A u.v.a.).

Gemäß § 2 der Steiermärkischen Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 149 in der Fassung LGBl. Nr. 43/1992 (BO), bedarf die Widmung von Grund zu einem oder mehreren Bauplätzen oder eine Widmungsänderung der Bewilligung der Baubehörde. Gemäß § 3 Abs. 1 letzter Satz BO sind im Widmungsverfahren die Bestimmungen über die Bauverhandlung (§ 61) sinngemäß anzuwenden.

Gemäß § 61 Abs. 2 BO kann der Nachbar gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen. Dazu zählen gemäß § 61 Abs. 2 lit. c die Bestimmungen über das Planungsermessen bei Festlegung der Bebauungsgrundlagen (§ 3 Abs. 3).

Hinsichtlich der Bebauungsdichte versucht die Beschwerdeführerin - wie schon während des gesamten Verwaltungsverfahrens - darzulegen, daß diese zu Unrecht mit dem höchstzulässigen Ausmaß von 0,2 festgelegt worden ist. Gemäß § 3 a BO in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 43/1992 besteht ein Anspruch auf die Ausschöpfung der für Baugebiete im Flächenwidmungsplan festgesetzten höchstzulässigen Bebauungsdichte, sofern ein Bebauungsplan oder Bebauungsrichtlinien nichts Näheres bestimmen. Stehen der Ausschöpfung der höchstzulässigen Bebauungsdichte andere baurechtliche Bestimmungen entgegen, so besteht der Rechtsanspruch auf die Ausschöpfung der höchstmöglichen Dichte innerhalb der im Flächenwidmungsplan ausgewiesenen Werte, bei der diesen Bestimmungen entsprochen wird.

Von der belangten Behörde wurde nicht festgestellt, daß ein Bebauungsplan oder Bebauungsrichtlinien eine Einschränkung der im Flächenwidmungsplan festgesetzten höchstzulässigen Bebauungsdichte enthielten. Dies behauptet auch die Beschwerdeführerin nicht. Ihr Hinweis, "andere baurechtliche Bestimmungen" wie die Einhaltung der Abstandsbestimmungen könnten nicht eingehalten werden, entbehrt jeder Konkretisierung und ist bei einem vorgesehenen Widmungsgrund im Ausmaß von 1.960 m2 für die Errichtung eines Einfamilienhauses mit Doppelgarage nicht nachvollziehbar. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 21. Oktober 1993, Zl. 93/06/0169, ausgeführt hat, besteht seit der genannten Novelle zur Steiermärkischen Bauordnung kein Planungsermessen der Baubehörde bei Festlegung der Bebauungsdichte im Widmungsverfahren. Ein solches Planungsermessen könnte vielmehr ausschließlich durch Erlassung eines Bebauungsplanes oder durch Erlassung von Bebauungsrichtlinien wahrgenommen werden. Vor diesem rechtlichen Hintergrund erweist sich daher die Festlegung der Bebauungsdichte im nach dem Flächenwidmungsplan höchstzulässigen Ausmaß nicht als rechtswidrig. Die Bestimmung des § 3a ist aufgrund der Übergangsbestimmung im LGBl. Nr. 43/1992 auch auf anhängige Verfahren anzuwenden. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin haftet dem angefochtenen Bescheid auch deshalb keine Rechtswidrigkeit an, weil die mitbeteiligten Widmungswerber ursprünglich mit einer Festsetzung der Bebauungsdichte von 0,15 einverstanden waren. Entgegen den Ausführungen in der Beschwerde unterliegt der Widmungswerber weder einer Präklusion noch ist die Gemeinde bei der Festlegung der Bebauungsdichte an Erklärungen des Widmungswerbers gebunden.

Gemäß § 61 Abs. 1 BO ist über das Ansuchen eine örtliche Erhebung und mündliche Verhandlung unter Beiziehung der erforderlichen Sachverständigen durchzuführen. Eine derartige Verhandlung fand vor der Behörde erster Instanz statt; weder der Steiermärkischen Bauordnung noch dem AVG kann eine Bestimmung entnommen werden, wonach im Berufungsverfahren die Wiederholung einer Bauverhandlung zwingend vorgesehen sei. Das diesbezügliche Beschwerdevorbringen vermag daher eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun.

Aber auch das Beschwerdevorbringen, der Beschluß des Gemeinderates sei unkonkret, weil er nicht ausführe, welche Widmungsfläche davon betroffen sei, verfängt nicht: Schon der erstinstanzliche Bescheid des Bürgermeisters vom 6. August 1991 bezieht sich auf einen Widmungsplan von Dipl.Ing. H. L. vom 18. Juni 1991, der Bescheidbestandteil ist. Mit dem Bescheid des Gemeinderates vom 12. Oktober 1993 wurde die Berufung gegen diesen Bescheid mit der bereits geschilderten Abänderung abgewiesen; damit ist aber auch der Plan, der Bestandteil des Bescheides vom 6. August 1991 bildete, die Grundlage des Berufungsbescheides vom 12. Oktober 1993; damit ist jedenfalls der Umfang des Widmungsareals eindeutig festgelegt.

Dem Beschwerdevorbringen, es hätte eine Bausperre wegen der erforderlichen Änderung des Flächenwidmungsplanes erlassen werden müssen, ist entgegenzuhalten, daß niemand einen Anspruch auf Änderung des Flächenwidmungsplanes oder auf Verhängung einer Bausperre hat. Den Beschwerdeausführungen im Zusammenhang mit einem erforderlichen Antrag auf Teilung der Liegenschaft kommt keine Relevanz zu, weil die Mitbeteiligten einen derartigen Antrag nicht gestellt haben und dazu auch keine Veranlassung bestand. Wenn allenfalls nach Erlassung des Bescheides des Gemeinderates eine Umwidmung von Teilen des Widmungsgrundes in Freiland erfolgt sein sollte (bis zur Erlassung des Bescheides des Gemeinderates vom 12. Dezember 1993 war dies nicht der Fall), so hat dies auf die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung jedenfalls keinen Einfluß, weil die Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides des Gemeinderates maßgeblich ist.

Schließlich hat die Beschwerdeführerin mit dem behaupteten Schaden für das Landschaftsbild kein subjektiv-öffentliches Recht geltend gemacht, sodaß auch dieses Vorbringen nicht geeignet war, die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun.

Da sich die Beschwerde somit zur Gänze als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 abzuweisen.

Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Mit Erledigung der Beschwerde ist der Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos.

Schlagworte

Ermessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994060073.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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