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60/04 Arbeitsrecht allgemein;Norm
AuslBG §4 Abs1 idF 1992/475;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 15. April 1993, Zl. IIc/6702 B/5813, betreffend Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführende Partei, die in Wien ein Gebäudereinigungsunternehmen betreibt, ersuchte mit ihrem am 19. August 1992 beim Arbeitsamt Persönliche Dienste-Gastgewerbe eingelangten Antrag um Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für den "jugoslawischen" Staatsangehörigen M. für die berufliche Tätigkeit als "Fensterputzer" mit einem Bruttostundenlohn von S 65,--
Diesen Antrag wies das Arbeitsamt mit Bescheid vom 2. September 1992 gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG ab. Der Vermittlungsausschuß habe die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet; darüber hinaus habe "das Ermittlungsverfahren" ergeben, daß keine der im § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG vorgesehenen Voraussetzungen vorliege.
In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachte die beschwerdeführende Partei vor, es sei für sie schwierig, inländische Arbeitnehmer zu finden. Sie habe wiederholt vom Arbeitsamt gestellte Ersatzkräfte beschäftigen wollen; leider hätten diese Arbeitskräfte entweder keine Deutschkenntnisse gehabt oder noch nie in der Reinigungsbranche gearbeitet. Einigen sei der kollektivvertragliche Stundenlohn zu niedrig gewesen. Die beschwerdeführende Partei sei nach wie vor bereit, zugewiesene Arbeitskräfte zu beschäftigen, soferne diese zu erkennen geben, daß sie an der angebotenen Beschäftigung interessiert seien. M. sei bereit, zu den von der beschwerdeführenden Partei gebotenen Bedingungen zu arbeiten. M. sei in Österreich geboren worden, weil seine Eltern von 1967 bis 1977 in Österreich gearbeitet hätten. Dessen Onkel und Tante lebten in Österreich und seien bereits österreichische Staatsbürger.
Eine formularmäßige Zuschrift des Arbeitsamtes vom 12. Jänner 1993 beantwortete die beschwerdeführende Partei am 14. Jänner 1993 durch Ankreuzen des Vordruckes mit dem Text:
"Ich ersuche um Zuweisung von Arbeitskräften, die ich ANSTELLE des (r) beantragten Ausländers/Ausländerin beschäftigen möchte und lege den ausgefüllten Vermittlungsauftrag bei."
Am 15. Jänner 1993 langte beim Arbeitsamt auch ein Vermittlungsauftrag der beschwerdeführenden Partei - lautend auf "Fensterputzer, Reinigungsarbeiter" - ein. Im Akt der belangten Behörde findet sich dann noch ein EDV-Ausdruck (vom 2. August 1993), auf dem zwanzig namentlich genannte Personen angeführt sind, wobei es sich dabei - laut Aktenverzeichnis der belangten Behörde - um "zugewiesene Arbeitskräfte" handelt.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 15. April 1993 gab die belangte Behörde der Berufung der beschwerdeführenden Partei gemäß § 66 Abs. 4 iVm § 4 Abs. 6 sowie § 4 Abs. 1 und § 13a AuslBG idF der Novelle BGBl. Nr. 684/1991 keine Folge.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der einschlägigen Gesetzesstellen aus, die zuletzt mit Verordnung vom 30. November 1992, BGBl. Nr. 739/1992 (richtig wohl: 738/1992) für das Bundesland Wien festgesetzte Landeshöchstzahl an beschäftigten und arbeitslosen Ausländern von 97.000 sei laut der offiziellen Statistik des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales seit Beginn des Kalenderjahres 1993 bei weitem überschritten; der Ausschöpfungsgrad habe bereits Ende Jänner 1993 für das Bundesland Wien 119 % betragen. Bei Anträgen auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung seien sowohl die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 als auch des Abs. 6 AuslBG zu prüfen. Werde ein Ausländer mit geringerem Integrationsgrad als gemäß § 4b AuslBG beantragt, sei zu prüfen, ob vorrangige Arbeitskräfte in der dort normierten Reihenfolge zur Verfügung stünden. Die beschwerdeführende Partei habe M. als Fenterputzer beantragt. Die primäre Aufgabe der Arbeitsmarktverwaltung liege in der Integration der gemäß § 4b AuslBG bevorzugt zu behandelnden Personen in den Arbeitsprozeß (M. verfüge nicht über solche Prioritätsmerkmale). Eine Überprüfung der Lage auf dem relevanten Arbeitsmarkt habe ergeben, daß derzeit für die konkret beantragte Beschäftigung geeignete Ersatzarbeitskräfte aus der vorerwähnten Personengruppe zur Deckung des Arbeitskräftebedarfes der beschwerdeführenden Partei zur Verfügung stünden. Somit sei gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG die Zulässigkeit zur Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung im Hinblick auf die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes nicht gegeben. Angesichts der dargestellten Situation auf dem verfahrensrelevanten Teilarbeitsmarkt habe das Arbeitsamt der beschwerdeführenden Partei im Zuge des Berufungsverfahrens mit Schreiben vom 12. Jänner 1993 nochmals die Möglichkeit einer Ersatzkraftstellung angeboten. Aufgrund eines von der beschwerdeführenden Partei daraufhin erteilten Vermittlungsauftrages sei die Zuweisung von zahlreichen Reinigungskräften erfolgt, die gemäß § 4b AuslBG "vordergründig" in den Arbeitsprozeß einzugliedern seien. Mit einer Arbeitskraft sei ein Dienstverhältnis begründet worden, zwölf weitere Personen seien vorgemerkt worden. Die bloße Evidenzhaltung dieser Arbeitskräfte sei entweder ein Indiz, daß von der beschwerdeführenden Partei augenblicklich keine weiteren Arbeitskräfte benötigt würden oder die beschwerdeführende Partei "vordergründig" an der Beschäftigung des beantragten Ausländers interessiert sei.
Sinn und Zweck einer Ersatzkraftstellung sei, so führte die belangte Behörde im Zusammenhang weiter aus, herauszufinden, ob sich unter den beim Arbeitsamt in Vermittlungsvormerkung stehenden und durch ihre Zugehörigkeit zum Personenkreis des § 4b AuslBG bevorzugt zu betreuenden Arbeitssuchenden eine befinde, die bereit und fähig sei, die konkret beantragte Beschäftigung zu den gestellten (gesetzlich zulässigen) Bedingungen auszuüben. Dazu sei es erforderlich, dem Arbeitgeber objektiv geeignete Bewerber zu vermitteln. Nur wenn keine Arbeitnehmer, die das dargelegte Anforderungsprofil erfüllten, gestellt werden könnten, erlaube die Arbeitsmarktlage die Beschäftigung des beantragten Ausländers. Durch die Vormerkung von zahlreichen Arbeitskräften habe die beschwerdeführende Partei bestätigt, daß diese offenbar den Anforderungen des Arbeitsplatzes entsprächen, weshalb die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für M. gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG nicht in Betracht komme. Außerdem bestehe angesichts des hohen vorgemerkten Standes am Reinigungssektor auch weiterhin jederzeit die Möglichkeit, geeignete Ersatzarbeitskräfte zuzuweisen. Der Hinweis der beschwerdeführenden Partei in der Berufung, M. sei in Österreich geboren worden, wobei auch dessen Tante und Onkel in Österreich lebten und die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen würden, stelle keinen berücksichtigungswürdigen Grund für einen volljährigen Ausländer zur Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung dar. Abschließend führte die belangte Behörde noch aus, es seien weder im Ermittlungsverfahren Gründe festgestellt noch in der Berufung der beschwerdeführenden Partei vorgebracht worden, die unter einen berücksichtigungswürdigen Tatbestand des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. a bis d und Z. 3 AuslBG zu subsumieren gewesen seien, weshalb die Voraussetzungen zur Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nicht erfüllt seien. Die Berufungsausführungen seien daher bei dem dargelegten Sachverhalt nicht zur Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für den beantragten Ausländer geeignet.
Der angefochtene Bescheid wurde laut Zustellnachweis (Rsa-Brief, Form 3 zu § 22 des Zustellgesetzes) nach erfolglosen Zustellversuchen (am 16. und 19. April 1993) unter der Anschrift der beschwerdeführenden Partei, Panikengasse 29, 1160 Wien, mit Beginn der Abholfrist ab 20. April 1993 beim Postamt 1170 Wien hinterlegt. Die Sendung wurde der belangten Behörde am 10. Mai 1993 mit dem Vermerk "nicht behoben" zurückgesandt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die beschwerdeführende Partei erachtet sich in ihrem Recht verletzt, eine ausländische Arbeitskraft in ihrem Betrieb beschäftigen zu dürfen.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Vorweg ist zu bemerken, daß die am 17. Mai 1993 zur Post gegebene Beschwerde (eine Vollmacht des einschreitenden Rechtsanwaltes ist dabei vorgelegt worden) rechtzeitig ist, denn der angefochtene Bescheid ist am 20. April 1993 der beschwerdeführenden Partei nach der Aktenlage durch Hinterlegung rechtswirksam zugestellt worden.
Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid auf § 4 Abs. 1 und Abs. 6 AuslBG gestützt. Schon die Berechtigung auch nur eines dieser Versagungsgründe rechtfertigt die Abweisung der Beschwerde.
Gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG ist, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt ist, die Beschäftigungsbewilligung zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.
§ 4 Abs. 6 AuslBG (Z. 1 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 684/1991, die übrigen Bestimmungen in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 450/1990) lautet:
"Über bestehende Kontingente (§ 12) hinaus sowie nach Überschreitung der Landeshöchstzahlen (§§ 13 und 13a) dürfen Beschäftigungsbewilligungen nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 und 3 vorliegen und
1.
bei Kontingentüberziehung und bei Überschreitung der Landeshöchstzahl der Vermittlungsausschuß gemäß § 44a des Arbeitsmarktförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 31/1969, in der jeweils geltenden Fassung, einhellig die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung befürwortet, oder
2.
die Beschäftigung des Ausländers aus besonders wichtigen Gründen, insbesondere
a)
als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer, oder
b)
in Betrieben, die in strukturell gefährdeten Gebieten neu gegründet wurden, oder
c)
als dringender Ersatz für die Besetzung eines durch Ausscheiden eines Ausländers frei gewordenen Arbeitsplatzes, oder
d)
im Bereich der Gesundheits- oder Wohlfahrtspflege
erfolgen soll, oder
3.
öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung des Ausländers erfordern, oder
4.
die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 gegeben sind."
Die belangte Behörde ist - wie bereits das erstinstanzliche Arbeitsamt - vom Vorliegen einer Überschreitung der Landeshöchstzahl ausgegangen, wobei für den angefochtenen Bescheid mit Rücksicht auf seine Erlassung im Jahre 1993 die Überschreitung der Landeshöchstzahl für dieses Kalenderjahr maßgebend war. Die beschwerdeführende Partei hat das Vorliegen der Anwendungsvoraussetzungen für das erschwerte Verfahren nach § 4 Abs. 6 AuslBG nicht bestritten. Hat sie aber die Anwendung des § 4 Abs. 6 AuslBG für den Beschwerdefall nicht in Zweifel gezogen, dann wäre sie gehalten gewesen, im Verwaltungsverfahren Gründe vorzubringen, die für die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung im erschwertem Verfahren im Sinne dieser Gesetzesstelle hätten maßgebend sein können (vgl. dazu etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. September 1993, 93/09/0321). Die beschwerdeführende Partei hat weder behauptet, der Vermittlungsausschuß habe der beantragten Bewilligung einhellig zugestimmt (§ 4 Abs. 6 Z. 1 AuslBG) noch hat sie ein Vorbringen erstattet, aus welchem sich das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG ableiten ließe. Die belangte Behörde konnte daher mit Recht davon ausgehen, daß solche Gründe nicht gegeben sind (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Juni 1994, 93/09/0349, und die dort zitierte Vorjudikatur).
Das Beschwerdevorbringen ist daher nicht geeignet, die von der belangten Behörde im Grunde des § 4 Abs. 6 AuslBG bestätigte Ablehnung des Antrages auf Beschäftigungsbewilligung für M. als rechtswidrig erkennen zu lassen. Die Beschwerde, deren konkretes Vorbringen sich lediglich auf Umstände stützt, die allenfalls unter dem Gesichtspunkt des § 4 Abs. 1 AuslBG (iVm § 4b AuslBG) von Bedeutung sein könnten, war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47, 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 und 59 VwGG iVm Art. I B Z. 4 und 5 der gemäß ihrem Art. III Abs. 2 anzuwendenden Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993090194.X00Im RIS seit
20.11.2000