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L0 Verfassungs- und OrganisationsrechtNorm
B-VG Art141 Abs1 litaLeitsatz
Keine Stattgabe der Anfechtung einer Gemeinderatswahl; rechtswidrige Stimmzettelbewertung in (nur) zwei Fällen; kein Einfluß auf das WahlergebnisSpruch
Den Wahlanfechtungen wird nicht stattgegeben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1.1. Am 11. Juli 1991 schrieb der Bürgermeister der Stadt Steyr gemäß §3 Oberösterreichische Statutargemeinden-Wahlordnung 1991 (StGWO 1991), Kdm. WV LGBl. 118/1991, die Wahl der 36 Mitglieder des Gemeinderats der Stadt Steyr (Bundesland Oberösterreich) für Sonntag, den 6. Oktober 1991, aus.
1.1.2. Dieser Wahl lagen von folgenden wahlwerbenden Parteien eingebrachte, gemäß §44 StGWO 1991 abgeschlossene und veröffentlichte Wahlvorschläge zugrunde:
Liste 1: Österreichische Volkspartei (ÖVP)
Liste 2: Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ)
Liste 3: Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ)
Liste 4: Vereinte Grüne Österreichs - Liste Buchner (VGÖ)
Liste 5: Grüne Alternative (GAL)
Liste 6: Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ)
1.1.3. Laut Kundmachung der Stadtwahlbehörde Steyr beim Magistrat der Stadt Steyr vom 7. Oktober 1991 entfielen von den insgesamt 22.225 abgegebenen gültigen Stimmen - 717 Stimmzettel wurden als ungültig gewertet - auf
ÖVP 4.575 Stimmen ( 8 Mandate)
SPÖ 9.926 Stimmen (17 Mandate)
FPÖ 5.235 Stimmen ( 9 Mandate)
VGÖ 401 Stimmen ( 0 Mandate)
GAL 1.713 Stimmen ( 2 Mandate)
KPÖ 375 Stimmen ( 0 Mandate)
1.2.1.1. Mit ihrer am 4. November 1991 zur Post gegebenen, an den Verfassungsgerichtshof gerichteten und auf Art141 Abs1 lita B-VG gestützten Wahlanfechtungsschrift begehrte die ÖVP die Nichtigerklärung des Wahlverfahrens "ab dem Zeitpunkt der Feststellung des Sprengelwahlergebnisses".
Die Anfechtungswerberin brachte begründend vor, es seien gesetzwidrig "in mehreren Wahlsprengeln abgegebene Stimmen zu Lasten der ÖVP als ungültig erklärt" worden, und führte hierauf zehn Einzelfälle an. Zum Einfluß der behaupteten Rechtswidrigkeit auf das Wahlverfahren legte sie dar, auch die GAL habe beim Verfassungsgerichtshof eine Wahlanfechtung eingebracht, aber "schon der Gewinn weniger Stimmen (als Folge der Wahlanfechtung der ÖVP) würde das letzte (8.) Mandat der ÖVP gegenüber der GAL absichern".
1.2.1.2. Die GAL begehrte mit ihrer ebenfalls am 4. November 1991 zur Post beförderten, an den Verfassungsgerichtshof gerichteten und auf Art141 Abs1 lita B-VG gestützten Wahlanfechtungsschrift die Aufhebung des Wahlverfahrens "vom Ermittlungsverfahren der Sprengelwahlbehörden an als rechtswidrig".
Begründend brachte diese Anfechtungswerberin - kurz zusammengefaßt - vor, verschiedene Sprengelwahlbehörden hätten gesetzwidrig sechs Stimmzettel als ungültig gewertet, anstatt sie als (für die Anfechtungswerberin) gültig ausgefüllt anzuerkennen.
1.2.2. Die Stadtwahlbehörde beim Magistrat der Stadt Steyr - als die nach der StGWO 1991 hier in Betracht kommende höchste Wahlbehörde (§68 Abs2 VerfGG 1953) - legte dem Verfassungsgerichtshof die Wahlakten vor, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand, weil "die als rechtswidrig angefochtenen Beschlüsse nicht von der Stadtwahlbehörde, sondern von den einzelnen Sprengelwahlbehörden gefaßt" worden seien.
1.3. Die zu den Z WI-11/91 und WI-12/91 protokollierten Wahlanfechtungen wurden in Anwendung des §187 ZPO iVm §35 Abs1 VerfGG 1953 zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
1.3.1. Der mit "Gültige Ausfüllung" überschriebene §66 StGWO 1991 lautet:
"Der Stimmzettel ist gültig ausgefüllt, wenn aus ihm eindeutig zu erkennen ist, welche Parteiliste der Wähler wählen wollte. Dies ist der Fall, wenn der Wähler in einem der neben jeder Parteibezeichnung vorgedruckten Kreise ein Kreuz oder ein anderes Zeichen mit Tinte, Farbstift oder Bleistift und dgl. anbringt, aus dem unzweideutig hervorgeht, daß er die in derselben Zeile angeführte Parteiliste wählen will. Der Stimmzettel ist aber auch dann gültig ausgefüllt, wenn der Wille des Wählers auf andere Weise z. B. durch Anhaken, Unterstreichen, sonstige entsprechende Kennzeichnung einer wahlwerbenden Partei, durch Durchstreichen der übrigen wahlwerbenden Parteien oder durch Bezeichnung eines, mehrerer oder aller Bewerber einer Parteiliste, eindeutig zu erkennen ist."
1.3.2. §67 StGWO 1991 - überschrieben mit "Vergabe von Vorzugsstimmen" - hat folgenden Wortlaut:
"(1) Jeder Wähler kann höchstens drei Bewerbern, die auf dem Wahlvorschlag derselben Partei aufscheinen, je eine Vorzugsstimme geben, indem er sie (ihn) an der dafür vorgesehenen Stelle des amtlichen Stimmzettels bezeichnet.
(2) Die Vergabe einer Vorzugsstimme ist gültig, wenn aus der Bezeichnung eindeutig erkennbar ist, welchen Bewerber der Wähler eintragen wollte; dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn die Eintragung den Familiennamen oder bei gleichem Familiennamen mehrerer Bewerber zusätzlich ein Unterscheidungsmerkmal (z.B. Reihungsziffer, Vorname, Geburtsdatum, Adresse und dgl.) enthält.
(3) Die Vergabe von Vorzugsstimmen ist jedenfalls ungültig, wenn
1.
aus der Eintragung nicht eindeutig erkennbar ist, welchen Bewerber der Wähler bezeichnen wollte oder
2.
der Wähler mehr als drei Bewerber derselben Partei eingetragen hat oder
3.
die Eintragung nicht an der dafür vorgesehenen Stelle des amtlichen Stimmzettels erfolgt oder
4.
der Wähler einen Bewerber auf einem gemäß §69 ungültigen Stimmzettel eingetragen hat oder
5.
im Falle des §68 Abs1 Z1 auf den gültigen
amtlichen Stimmzetteln die Vorzugsstimmen unterschiedlich vergeben werden.
(4) Die Vergabe einer Vorzugsstimme gilt als nicht erfolgt, wenn auf dem amtlichen Stimmzettel eine Person bezeichnet wird,
1.
die auf keinem Wahlvorschlag einer Partei aufscheint oder
2.
die einer Partei zugeordnet wird, obwohl sie in einem Wahlvorschlag einer anderen Partei aufscheint.
(5) Wird der Name eines Bewerbers mehr als einmal am amtlichen Stimmzettel gemäß Abs2 gültig eingetragen, so zählt dies als eine Vorzugsstimme."
1.3.3. §69 StGWO 1991 - übertitelt mit "Ungültige Stimmzettel" - bestimmt:
"(1) Der Stimmzettel ist ungültig, wenn
1.
ein anderer als der amtliche Stimmzettel zur Abgabe der Stimme verwendet wurde oder
2.
der Stimmzettel durch Abreißen eines Teiles derart beeinträchtigt wurde, daß nicht mehr unzweideutig hervorgeht, welche Parteiliste der Wähler wählen wollte, oder
3.
überhaupt keine veröffentlichte Parteiliste angezeichnet oder kein Bewerber daraus angeführt wurde oder
4.
zwei oder mehrere Parteilisten angezeichnet wurden oder
5.
aus dem vom Wähler angebrachten Zeichen oder der sonstigen Kennzeichnung nicht unzweideutig hervorgeht, welche Parteiliste er wählen wollte, oder
6.
der Wähler ausschließlich Bewerbern verschiedener Parteilisten Vorzugsstimmen gibt.
(2) Leere Wahlkuverts zählen als ungültige Stimmzettel. Enthält ein Wahlkuvert mehrere Stimmzettel, die auf verschiedene wahlwerbende Parteien bzw. auf Bewerber verschiedener Parteien lauten, so zählen sie für diese Wahl nur als ein ungültiger Stimmzettel.
(3) Worte, Bemerkungen oder Zeichen, die auf den amtlichen Stimmzetteln außer zur Kennzeichnung der wahlwerbenden Partei oder zur Vergabe von Vorzugsstimmen angebracht wurden, beeinträchtigen die Gültigkeit eines Stimmzettels nicht, wenn sich hiedurch nicht einer der vorangeführten Ungültigkeitsgründe ergibt. Im Wahlkuvert befindliche Beilagen aller Art beeinträchtigen die Gültigkeit des amtlichen Stimmzettels nicht."
2. Über die beiden Wahlanfechtungen wurde erwogen:
2.1.1. Gemäß Art141 Abs1 lita B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof ua. über Anfechtungen von Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern, so auch über die Anfechtung einer Gemeinderatswahl (zB VfSlg. 8973/1980, 10610/1985; VfGH 1.3.1990 WI-4/89). Nach Art141 Abs1 Satz 2 B-VG kann eine solche Anfechtung auf die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens gegründet werden.
2.1.2. Nach §68 Abs1 VerfGG 1953 muß die Wahlanfechtung binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens, wenn aber in dem betreffenden Wahlgesetz ein Instanzenzug vorgesehen ist, binnen vier Wochen nach Zustellung des in letzter Instanz ergangenen Bescheids eingebracht werden.
Nun sieht zwar §79 Abs1 StGWO 1991 administrative Einsprüche - iS eines Instanzenzugs nach §68 Abs1 VerfGG 1953 - vor, doch nur gegen ziffernmäßige Ermittlungen einer Wahlbehörde.
Zur Geltendmachung aller anderen (d.s. alle nicht ziffernmäßige Ermittlungen betreffenden) Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens steht - weil insoweit ein zunächst zu durchlaufender Instanzenzug iS des §68 Abs1 VerfGG 1953 nicht eingerichtet ist - die unmittelbare Anfechtung der Wahl beim Verfassungsgerichtshof binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens (erster Teilsatz des §68 Abs1 VerfGG 1953) offen (vgl. zB VfSlg. 10610/1985, 11732/1988; VfGH 1.3.1990 WI-4/89).
2.1.3. Im vorliegenden Fall streben die ÖVP und die GAL in ihren Anfechtungsschriften nicht die - nach dem Gesagten dem Einspruchsverfahren nach §79 StGWO 1991 vorbehaltene - Nachprüfung ziffernmäßiger Ermittlungen einer Wahlbehörde an; sie rügen vielmehr die - in den Bereich sonstiger Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens fallende - Wertung von (10 und 6) Stimmzetteln als ungültig, wofür die sofortige Wahlanfechtung nach Art141 Abs1 lita B-VG eingeräumt ist.
Maßgebender Zeitpunkt für den Beginn des Laufs der vierwöchigen Frist zur Anfechtung ist in diesem Fall die Beendigung des Wahlverfahrens (s. VfSlg. 9085/1981, 10610/1985; VfGH 1.3.1990 WI-4/89), d.i. bei Gemeinderatswahlen nach der StGWO 1991 die der jeweiligen Stadtwahlbehörde obliegende Kundmachung des endgültigen Wahlergebnisses und der "Namen der gewählten Bewerber und der Ersatzmitglieder . . . durch Anschlag an den Amtstafeln".
Diese Verlautbarung fand hier am 7. Oktober 1991 statt.
Die am 4. November 1991 zur Post gegebenen Wahlanfechtungsschriften (s. Punkt 1.2.1.) wurden darum rechtzeitig eingebracht.
2.1.4. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen zutreffen, sind beide Wahlanfechtungen zulässig.
2.2. Zur Wahlanfechtung der ÖVP:
2.2.1. Nach der Aktenlage sind sieben der insgesamt zehn Stimmzettel, deren Bewertung als ungültig die ÖVP rügt, in keinem der links von den Parteibezeichnungen vorgedruckten Kreisen angezeichnet, aber an anderen Stellen markiert, nämlich in der Rubrik "Vorzugsstimmen" im Abschnitt der ÖVP. Drei dieser Stimmzettel zeigen je ein (liegendes) Kreuz, das in alle (drei) für die Eintragung von Bewerbern vorgesehenen Zeilenbänder reicht. Zwei weitere sind jeweils in einem dieser Zeilenbänder mit einem solchen Kreuz versehen, auf einem sechsten Stimmzettel ist in allen drei Zeilenbändern der Vorzugsstimmen-Rubrik je ein (liegendes) Kreuz eingetragen. Ein siebenter Zettel weist eine unleserliche schriftartige Eintragung im mittleren Zeilenband auf.
§66 StGWO 1991 legt zunächst in Satz 1 fest, daß ein Stimmzettel gültig ausgefüllt ist, "wenn aus ihm eindeutig zu erkennen ist, welche Parteiliste der Wähler wählen wollte", und nennt anschließend in Satz 2 bestimmte - hier nicht in Betracht kommende - Fallkonstellationen, bei denen diese Voraussetzung jedenfalls zutrifft. Ein Stimmzettel ist aber - nach dem 3. Satz des §66 StGWO 1991 - auch dann gültig ausgefüllt, wenn "der Wille des Wählers auf andere Weise . . . eindeutig zu erkennen ist", so zum Beispiel "durch Bezeichnung eines, mehrerer oder aller Bewerber einer Parteiliste".
Ein Wähler nun, der auf der für die Vergabe von Vorzugsstimmen vorgesehenen Stelle des amtlichen Stimmzettels bloß - wie hier - ein (liegendes) Kreuz oder mehrere derartige Kreuze oder einen unleserlichen Beisatz anbringt, bezeichnet damit keinen (bestimmten) "Bewerber". Eine Auslegung aber, daß die bloße Ankreuzung des Stimmzettels in der Rubrik "Vorzugsstimmen" oder eine unleserliche Beifügung an dieser Stelle den Willen, jene Partei zu wählen, der diese Stimmzettelrubrik entspricht, auf eine der "Bezeichnung eines, mehrerer oder aller Bewerber einer Parteiliste" adäquate "andere Weise" (als in Satz 2 des §66 StGWO 1991 beschrieben) eindeutig erkennen lasse (§66 Satz 3 StGWO 1991), scheitert an §69 Abs1 Z3 iVm §67 Abs2 und Abs3 Z1 StGWO 1991. Denn nach diesen Vorschriften ist ein solcher Stimmzettel allein schon deshalb ungültig, weil (zwar Vorzugsstimmenrubriken, aber) "überhaupt keine veröffentlichte Parteiliste angezeichnet" und "kein Bewerber daraus angeführt" wurden (vgl. VfGH 5.3.1992 WI-10/91).
2.2.2. Ein (achter) Stimmzettel ist in beiden links von den Parteibezeichnungen ÖVP und VGÖ vorgedruckten Kreisen mit einem (liegenden) Kreuz angezeichnet, weist an der für die Eintragung von Bewerbern (Vorzugsstimmen) vorgesehenen Stelle neben der Parteibezeichnung ÖVP die Familiennamen Schwarz, Kranzmayr und Mach, das sind Bewerber auf der Parteiliste der SPÖ, auf, und schließlich mehrere, über das gesamte Listenfeld der Liste 4 (VGÖ) gezogene Striche in Form von Kreuzen.
Aus einem Stimmzettel ist "eindeutig zu erkennen . . ., welche Parteiliste der Wähler wählen wollte" (§66 Satz 1 StGWO 1991), wenn in einem der neben jeder Parteibezeichnung vorgedruckten Kreise ein Kreuz oder ein anderes Zeichen mit Tinte, Farbstift oder Bleistift und dergleichen angebracht wurde, aus dem unzweideutig hervorgeht, daß der Wähler die in derselben Zeile angeführte Parteiliste wählen wollte (§66 Satz 2 StGWO 1991). Der Stimmzettel ist aber auch dann gültig ausgefüllt, wenn der Wille des Wählers auf andere Weise eindeutig zu erkennen ist, so zum Beispiel durch Bezeichnung eines, mehrerer oder aller Bewerber einer Parteiliste (§66 letzter Satz StGWO 1991).
Diese von der StGWO 1991 aufgestellten Voraussetzungen treffen auf den streitverfangenen Stimmzettel nicht zu: Er weist nämlich in den neben den Parteibezeichnungen ÖVP und VGÖ vorgedruckten Kreisen je ein Kreuz auf und ist somit nach §69 Abs1 Z4 StGWO 1991 ungültig, weil "zwei . . . Parteilisten angezeichnet wurden", woran nach Lage des Falls auch die zusätzlich über das gesamte Listenfeld der Liste 4 (VGÖ) gezogenen kreuzförmigen Striche nichts zu ändern vermögen. Die Vergabe einer Vorzugsstimme wieder "gilt als nicht erfolgt", wenn auf dem amtlichen Stimmzettel eine Person bezeichnet ist, "die einer Partei zugeordnet wird, obwohl sie in einem Wahlvorschlag einer anderen Partei aufscheint" (§67 Abs4 Z2 StGWO 1991), eine Voraussetzung, die auf sämtliche neben der Parteibezeichnung ÖVP angeführten Personen zutrifft. Auch dieser Stimmzettel wurde darum zu Recht als ungültig gewertet.
2.2.3. Ein (neunter) Stimmzettel weist an der für die Eintragung von Bewerbern (Vorzugsstimmen) vorgesehenen Stelle neben der Parteibezeichnung ÖVP die Familiennamen Holub und Ratzenböck (in Großbuchstaben) auf. Der Familienname Holub scheint auf dem veröffentlichten Wahlvorschlag sowohl in der Parteiliste der ÖVP (an erster Stelle: Karl Holub) als auch in der der GAL (an zweiter Stelle: Oskar Holub) auf, der Name Ratzenböck wiederum findet sich auf den Wahlvorschlägen überhaupt nicht.
Gemäß §67 Abs3 Z1 StGWO 1991 ist die "Vergabe von Vorzugsstimmen . . . jedenfalls ungültig, wenn aus der Eintragung nicht eindeutig erkennbar ist, welchen Bewerber der Wähler bezeichnen wollte". Nach Abs4 Z1 leg.cit. gilt sie "als nicht erfolgt, wenn auf dem amtlichen Stimmzettel eine Person bezeichnet wird, die auf keinem Wahlvorschlag einer Partei aufscheint".
Da hier eine Vorzugsstimme (Ratzenböck) als nicht vergeben gilt, weil die bezeichnete Person in keiner veröffentlichten Parteiliste aufscheint, und die andere Vorzugsstimme (Holub) ungültig ist, weil nicht feststeht, welchen Bewerber (den der ÖVP oder der GAL) der Wähler bezeichnen wollte, wurde auch dieser Stimmzettel von der zuständigen Sprengelwahlbehörde mit Recht für ungültig befunden.
2.2.4. Der letzte der streitverfangenen Stimmzettel weist in der neben der Parteibezeichnung ÖVP befindlichen Rubrik "Vorzugsstimmen" den Namen eines Bewerbers aus der Parteiliste der ÖVP, Engelbert Lengauer, auf.
Eine derartige Bezeichnung erfüllt die Voraussetzungen einer gültigen Stimmzettelausfüllung iSd §66 StGWO 1991. Dieser Stimmzettel wurde daher zu Unrecht als ungültig gewertet; er wäre der ÖVP zuzurechnen gewesen.
2.2.5. Zusammenfassend ergibt sich somit, daß die Behauptung rechtswidriger Stimmzettelbewertung in nur einem (s. Punkt 2.2.4.) der zehn von der ÖVP gerügten Fälle zutrifft.
2.3. Zur Wahlanfechtung der GAL:
2.3.1. Der Verfassungsgerichtshof geht hier auf Grund der Aktenlage davon aus, daß zwei der sechs strittigen Stimmzettel jeweils in den Kreisen neben zwei Parteibezeichnungen Eintragungen aufweisen, und zwar der erste im Kreis für die GAL ein liegendes Kreuz und im Kreis für die VGÖ einen Schrägstrich, der zweite im Kreis für die GAL ein liegendes Kreuz und im Kreis für die ÖVP eine die Kreisfläche fast ausfüllende, den Kreisrand teilweise schneidende Schraffur.
Demgemäß sind auf beiden Stimmzetteln die neben den Parteibezeichnungen GAL und VGÖ bzw. ÖVP und GAL vorgedruckten Kreise mit Kreuzen oder Zeichen versehen, also - in strikter Wortinterpretation des §69 Abs1 Z4 StGWO 1991 - "angezeichnet". Stimmzettel, auf denen zwei oder mehrere Parteilisten angezeichnet wurden, sind nach der zwingenden Vorschrift des §69 Abs1 Z4 StGWO 1991 in jedem Fall ungültig; Raum für Überlegungen, welcher der "angezeichneten Parteien" der Wähler den Vorzug gegeben haben könnte, bleibt unter solchen Voraussetzungen nicht mehr (vgl. VfGH 5.3.1992 WI-8/91).
Der Anfechtungswerberin ist darum nicht beizupflichten, wenn sie - zusammengefaßt wiedergegeben - die Ansicht vertritt, daß aus diesen beiden Stimmzetteln der Wille der betreffenden Wähler, die GAL zu wählen, zu erkennen sei, weil dieser Deutung nur unsichere Mutmaßungen über den Hergang der Stimmenabgabe zugrundeliegen.
2.3.2. Zwei Stimmzettel sind jeweils in dem neben der Parteibezeichnung der GAL vorgedruckten Kreis mit einem (liegenden) Kreuz angezeichnet. Einer davon weist in der Rubrik "Vorzugsstimmen" neben der Parteibezeichnung GAL Namen von Bewerbern aus der Parteiliste der GAL, nämlich (in der ersten Zeile dieser Rubrik) Dopplinger Gernot und (in der zweiten Zeile) Helleis Erik, ferner in derselben Rubrik neben der Parteibezeichnung FPÖ den Familiennamen eines Bewerbers aus der Parteiliste der FPÖ (Pfeil) auf, der andere Stimmzettel in der Rubrik "Vorzugsstimmen" neben der Parteibezeichnung SPÖ den Familiennamen eines Bewerbers aus der Parteiliste der SPÖ (Klausberger) und in den beiden weiteren Zeilen dieser Rubrik ein liegendes Kreuz.
Die gültige Ausfüllung eines Stimmzettels erfordert nun, daß "aus ihm eindeutig zu erkennen ist, welche Parteiliste der Wähler wählen wollte" (§66 Satz 1 StGWO 1991). Dies ist ua. der Fall, wenn der Wähler "in einem der neben jeder Parteibezeichnung vorgedruckten Kreise ein Kreuz . . . anbringt" (§66 Satz 2 StGWO 1991). Der Stimmzettel ist aber auch dann gültig ausgefüllt, wenn der Wille des Wählers auf andere Weise eindeutig zu erkennen ist, so zum Beispiel "durch Bezeichnung eines, mehrerer oder aller Bewerber einer Parteiliste" (§66 letzter Satz StGWO 1991).
Wenn nun ein Wähler - wie hier - einen Stimmzettel in den Bereichen zweier Parteien derart anzeichnet, daß seine Stimme - bei isolierter Betrachtung dieser Stimmzettelabschnitte - für jede der beiden Gruppierungen gültig abgegeben wäre, so bleibt offen, für welche Parteiliste er sich, so er überhaupt gültig wählen wollte, tatsächlich entschieden hatte (§69 Abs1 Z5 StGWO 1991). Ein derartiger Stimmzettel ist daher allein schon deshalb als ungültig anzusehen.
Der Meinung der Anfechterin, daß die beiden Stimmzettel für sie gültig abgegeben wurden, ist daher nicht beizupflichten.
2.3.3. Ein (fünfter) Stimmzettel ist in dem neben der Parteibezeichnung GAL vorgedruckten Kreis mit einem (liegenden) Kreuz angezeichnet. Zusätzlich weist er ein weiteres (liegendes) Kreuz auf, das über sämtliche drei (je eine Listennummer, einen Kreis sowie eine bestimmte Kurz- und Parteibezeichnung enthaltenden) Abschnitte der Listen 1 (ÖVP), 2 (SPÖ) und 3 (FPÖ) reicht, wobei sich der Kreuzungspunkt zwischen den Zeilen der Listen 1 und 2 befindet. Schließlich ist an der für die Vergabe von Vorzugsstimmen vorgesehenen Stelle neben der Parteibezeichnung SPÖ ein Bewerber der SPÖ-Parteiliste bezeichnet.
Den Umständen nach geht aus dieser Stimmzettelanzeichnung nicht eindeutig hervor, daß der Wähler jene Partei wählen wollte, neben deren Parteibezeichnung er den dort vorgedruckten Kreis ankreuzte (GAL), weil sich auf dem Stimmzettel auch der Name eines Bewerbers der SPÖ-Parteiliste an der dafür vorgesehenen (nicht durchstrichenen) Stelle neben der Parteibezeichnung SPÖ findet, eine Beifügung, die dafür sprechen könnte, daß der Wähler sich nicht zu entscheiden vermochte, ob er nun die GAL oder SPÖ wählen solle. Auch dieser Stimmzettel wurde darum zu Recht als ungültig gewertet.
2.3.4. Ein Stimmzettel schließlich ist in dem neben der Parteibezeichnung GAL vorgedruckten Kreis mit einem (liegenden) Kreuz angezeichnet und erfüllt somit voll die Voraussetzung einer gültigen Ausfüllung (§66 erster und zweiter Satz StGWO 1991).
2.3.5. Zusammenfassend ergibt sich demnach, daß die Behauptung rechtswidriger Stimmzettelbewertung in nur einem (s. Punkt 2.3.4.) der sechs von der GAL gerügten Fälle zutrifft.
2.4.1. Nun ist einer Wahlanfechtung - wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung darlegte (VfSlg. 11732/1988) - nicht schon dann stattzugeben, wenn die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens erwiesen wurde; sie muß darüber hinaus auch auf das Wahlergebnis von Einfluß gewesen sein (Art141 Abs1 Satz 3 B-VG, §70 Abs1 VerfGG 1953).
2.4.2. Dies trifft hier nicht zu, weil die festgestellten, den Sprengelwahlbehörden unterlaufenen Rechtswidrigkeiten im Zug der Bewertung der zu Abschnitte 2.2.4. und 2.3.4. genannten Stimmzettel insgesamt nicht zur Folge hatten, daß eine der Anfechterinnen bei der Vergabe der Gemeinderatsmandate unzulässig benachteiligt worden wäre, wie nachstehende Ausführungen zeigen:
2.4.2.1. Der Gemeinderat der Stadt Steyr besteht aus 36 Mitgliedern (§8 Statut für die Stadt Steyr 1980, LGBl. 11/1980).
2.4.2.2. Auf der Basis der in der Niederschrift vom 6. Oktober 1991 festgehaltenen Parteisummen wurde von der Stadtwahlbehörde die Wahlzahl wie folgt berechnet:
SPÖ FPÖ ÖVP GAL VGÖ KPÖ
Stimmen: 9.926 5.235 4.575 1.713 401 375
1/2 4.963 2.617,5 2.287,5 856,5
1/3 3.308,66 1.745 1.525 571
1/4 2.481,5 1.308,75 1.143,75
1/5 1.985,2 1.047 915
1/6 1.654,33 872,5 762,5
1/7 1.418 747,857 653,571
1/8 1.240,75 654,375 571,875
1/9 1.102,88 581,66 508,33
1/10 992,6 523,5
1/11 902,36
1/12 827,16
1/13 763,538
1/14 709
1/15 661,73
1/16 620,375
1/17 583,882
1/18 551,44
Da das 1/8 der ÖVP-Parteisumme (d.i. die Zahl 571,875) der sechsunddreißigstgrößten der gemäß §75 Abs3 StGWO 1991 angeschriebenen Zahlen entspricht und somit die Wahlzahl bildet, entfielen kraft §75 Abs4 leg.cit. auf die
ÖVP 8 Mandate
SPÖ 17 Mandate
FPÖ 9 Mandate
VGÖ 0 Mandate
GAL 2 Mandate
KPÖ 0 Mandate
2.4.2.3. Legt man der Wahlzahlberechnung jedoch das im Sinn der Ausführungen in den Abschnitten 2.2.4. und 2.3.4. korrigierte Wahlergebnis, nämlich
ÖVP 4.576 Stimmen (4.575 + 1)
SPÖ 9.926 Stimmen (9.926 + 0)
FPÖ 5.235 Stimmen (5.235 + 0)
VGÖ 401 Stimmen ( 401 + 0)
GAL 1.714 Stimmen (1.713 + 1)
KPÖ 375 Stimmen ( 375 + 0)
zugrunde, so ergibt sich folgendes Bild:
SPÖ FPÖ ÖVP GAL VGÖ KPÖ
Stimmen: 9.926 5.235 4.576 1.714 401 375
1/2 4.963 2.617,5 2.288 857
1/3 3.308,66 1.745 1.525,33 571,33
1/4 2.481,5 1.308,75 1.144 428,5
1/5 1.985,2 1.047 915,2
1/6 1.654,33 872,5 762,66
1/7 1.418 747,857 653,71
1/8 1.240,75 654,375 572
1/9 1.102,88 581,66 508,44
1/10 992,6 523,5
1/11 902,36
1/12 827,16
1/13 763,538
1/14 709
1/15 661,73
1/16 620,375
1/17 583,882
1/18 551,44
Angesichts der richtigen Wahlzahl 572 (d.i. das 1/8 der ÖVP-Parteisumme als sechsunddreißigstgrößte Zahl der gemäß §75 Abs3 StGWO 1991 angeschriebenen Zahlen) kommen abermals - in Entsprechung des kundgemachten Wahlergebnisses - der ÖVP 8 (bisher 8) und der GAL 2 (bisher 2) Mandate zu.
2.5. Den Wahlanfechtungen der ÖVP und der GAL war daher nicht stattzugeben, weil die zu Abschnitte 2.2.4. und 2.3.4. festgestellten Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens - wie die im Abschnitt 2.4.2. angestellte Berechnung zeigt - insgesamt betrachtet auf das Wahlergebnis nicht von Einfluß waren.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung ergehen.
Schlagworte
Wahlen, Stimmzettel, Parteibezeichnung, Wahlergebnis, VorzugsstimmeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1992:WI11.1991Dokumentnummer
JFT_10079690_91W0I011_00