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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AuslBG §19 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommisär Mag. Fritz, über die Beschwerde der NN Gesellschaft m.b.H in W, vertreten durch Dr. Z, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 5. Juli 1993, Zl. IIc/6702 B, betreffend Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführende Partei stellte am 2. Februar 1993 beim Arbeitsamt Persönliche Dienste-Gastgewerbe den Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für die "jugoslawische" Staatsbürgerin S. für die berufliche Tätigkeit als "Küchenhelferin" mit einer monatlichen Bruttoentlohnung von S 12.800,--. In einem Begleitschreiben zu diesem Antrag wies der Rechtsvertreter der beschwerdeführenden Partei darauf hin, daß zur Aufrechterhaltung des Betriebes die Besetzung der weiterhin freien Dienststelle dringendst notwendig sei. Befähigte, gewillte und geeignete Ersatzkräfte seien zuzuweisen. Ersatzkräfte, welche diese Mindestanstellungserfordernisse nicht erfüllten, seien der beschwerdeführenden Partei nicht zuzuweisen. Ersatzkräfte hätten sich nach telefonischer Terminvereinbarung beim Geschäftsführer der beschwerdeführenden Partei am Geschäftssitz zu den Geschäftszeiten persönlich vorzustellen. Erklärungen mit Wirkung für die beschwerdeführenden Parteien gäben deren Geschäftsführer sowie der bevollmächtigte Rechtsvertreter ab; Erklärungen anderer Personen seien rechtlich unbeachtlich.
Diesen Antrag wies das Arbeitsamt mit Bescheid vom 10. März 1993 gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG ab. Der Vermittlungsausschuß habe die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet; darüber hinaus habe "das Ermittlungsverfahren" ergeben, daß keine der im § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG vorgesehenen Voraussetzungen vorliege.
In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachte die beschwerdeführende Partei im wesentlichen vor, das Arbeitsamt sei bisher nicht in der Lage gewesen, befähigte, geeignete und gewillte Ersatzkräfte zu vermitteln; die freie Arbeitsstelle stehe weiterhin zur Verfügung. Der beschwerdeführenden Partei sei das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nicht nachweislich in vollem Umfang zur Kenntnis gebracht worden und sie sei daher auch nicht in der Lage gewesen, zum Ermittlungsergebnis vor Erlassung der Willenserklärung Stellung zu nehmen. Das Arbeitsamt habe einen hektographierten Vordruck als "Bescheid" erlassen, und zwar mit einer vorgedruckten Begründung, die mit dem bisherigen Akteninhalt nicht in Einklang gebracht werden könne; die bloße Zitierung des Gesetzestextes sei keine Begründung. Das Arbeitsamt habe keine Behauptung aufgestellt und auch nicht unter Beweis gestellt, daß für die weiterhin freie Arbeitsstelle auch nur eine Ersatzkraft zur Verfügung stehe, welche die Anstellungserfordernisse erfülle. Der Hinweis auf das Vorliegen von genügend Ersatzkräften sei kein Hinweis, daß diese Ersatzkräfte für die freie Dienststelle befähigt, geeignet und gewillt wären. Für die Durchführung von Arbeitsaufträgen sei die Beschäftigung des beantragten Ausländers notwendig; es liege im öffentlichen Interesse, daß eine Arbeitskraft für den freien Arbeitsplatz aufgenommen werde. Die Willenserklärung des Arbeitsamtes erfülle nicht die Mindestvoraussetzungen eines Bescheides gemäß § 18 AVG. Das Arbeitsamt habe die besondere Qualifikation des beantragten Ausländers vollkommen unberücksichtigt gelassen. Aufgrund seiner bisherigen schulischen Ausbildung und praktischen Erfahrung sei der beantragte Ausländer für die weiterhin freie Arbeitsstelle besonders qualifiziert. Der beschwerdeführenden Partei sei auch nicht das Ergebnis der Sitzung eines Vermittlungsausschusses bekannt gegeben worden, sodaß sie sich zu einer behaupteten Entscheidung dieses Vermittlungsausschusses vor Erlassung der Entscheidung nicht habe äußern können.
Im Verwaltungsakt findet sich dann ein mit der Firmenstampiglie der beschwerdeführenden Partei versehene, aber nicht unterfertigte Mitteilung vom 2. März 1993, eine Frau F sei nicht eingestellt worden, weil die "Stelle schon besetzt ist", wobei jedoch "weitere Vorstellungen erwünscht" seien. Weiters finden sich im Akt zwei - von F bzw. R unterschriebene - handschriftliche Vermerke, wonach diesen Personen bei ihrer Vorstellung mitgeteilt worden sei, daß niemand mehr benötigt werde, weil schon jemand aufgenommen worden sei bzw. daß die Stelle schon besetzt sei.
Mit den nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 5. Juli 1993 gab die belangte Behörde der Berufung der beschwerdeführenden Partei gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 4 Abs. 6 sowie § 4 Abs. 1 und § 13a AuslBG idF der Novelle BGBl. Nr. 684/1991 keine Folge.
Nach Wiedergabe der einschlägigen Gesetzesstellen stellte die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides fest, daß die mit Verordnung für das Kalenderjahr 1992 (BGBl. Nr. 598/1991) bzw. 1993
(BGBl. Nr. 254/1992; richtig wohl: BGBl. Nr. 738/1992) festgesetzten Landeshöchstzahlen (§ 13a Z. 3 AuslBG) für das Bundesland Wien laut der offiziellen Statistik des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales seit Beginn der betreffenden Kalenderjahre weit überschritten seien, weshalb sowohl die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 als auch jene nach § 4 Abs. 6 AuslBG für eine allfällige Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung zu prüfen seien. Werde ein Ausländer mit geringerem Integrationsgrad als gemäß § 4b AuslBG beantragt, sei zu prüfen, ob vorrangige Arbeitskräfte in der dort normierten Reihenfolge zur Verfügung stünden. Die beschwerdeführende Partei habe S. als Küchenhilfe beantragt. Eine Überprüfung der Lage auf dem Arbeitsmarkt habe ergeben, daß derzeit für die konkret beantragte Beschäftigung geeignete Ersatzarbeitskräfte, die zur Vermittlung vorgemerkt seien und gleichzeitig dem nach § 4b AuslBG begünstigen Personenkreis angehörten, zur Deckung des Arbeitskräftebedarfes der beschwerdeführenden Partei zur Verfügung stünden. Die beantragte ausländische Arbeitskraft erfülle hingegen nicht die Voraussetzungen, durch die sie dem vorrangig zu vermittelnden Personenkreis des § 4b AuslBG zugeordnet werden könne. Angesichts der dargestellten Situation auf dem verfahrensrelevanten Teilarbeitsmarkt sei der beschwerdeführenden Partei im Zuge des Berufungsverfahrens die Möglichkeit einer Ersatzkraftstellung angeboten worden. Die beschwerdeführende Partei habe einen Vermittlungauftrag erteilt, in dessen Folge mehrere Personen vorstellig geworden seien. Am 2. März 1993 habe die beschwerdeführende Partei auf einer Vorstellkarte "Stelle schon besetzt" vermerkt. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ließen Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung des beantragten Ausländers nicht zu, wenn feststehe, daß für die Beschäftigung wenigstens ein bestimmter Inländer oder ein einem Inländer gleichgestellter oder begünstig zu behandelnder Ausländer zur Verfügung stehe, der bereit und fähig sei, diese Beschäftigung auszuüben. Mit Frau F sei eine derartige Person zur Verfügung gestanden; ihr gegenüber habe die beschwerdeführende Partei erklärt, daß die Stelle schon besetzt sei. Die Berufungsausführungen seien daher gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG nicht geeignet, die Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung zu begründen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die beschwerdeführende Partei erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht "auf Erteilung einer BB nach den Bestimmungen des AuslBG verletzt, wenn die positiven Voraussetzungen für die Stattgebung dieses Antrag vorliegen".
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid im Spruch auf § 4 Abs. 1 und § 4 Abs. 6 AuslBG idF der Novelle BGBl. Nr. 684/1991 gestützt.
Nach § 3 Abs. 1 AuslBG darf ein Arbeitgeber, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung erteilt wurde.
Nach § 4 Abs. 1 AuslBG ist die Beschäftigungsbewilligung, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt ist, zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.
Hinsichtlich der Prüfung der Arbeitsmarktlage im Sinne des § 4 Abs. 1 ist im § 4b AuslBG festgelegt, daß die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nur zuläßt, wenn für den zu besetzenden Arbeitsplatz keine Personen, die bestimmt genannten begünstigten Gruppen (Inländer, Flüchtlinge, Ausländer mit Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung etc.) in der mit der Aufzählung vorgegebenen Reihenfolge angehören, vermittelt werden können.
Im Beschwerdefall erübrigen sich Erwägungen zur Berechtigung der Ablehnung des Antrages der beschwerdeführenden Partei im erschwerten Verfahren nach § 4 Abs. 6 AuslBG, weil die belangte Behörde darauf - außer mit allgemeinen Ausführungen zur Gesetzeslage und zum Vorliegen der Anwendungsvoraussetzungen - in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht weiter eingegangen ist.
Es kommt daher entscheidend nur darauf an, ob die belangte Behörde mit Recht davon ausgehen konnte, daß der Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung aus § 4 Abs. 1 AuslBG abzuleitende Umstände entgegenstehen (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. April 1994, 93/09/0278, und die dort zitierte Vorjudikatur).
Nach dieser Gesetzesstelle ist die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung an zwei Voraussetzungen geknüpft, nämlich
1. daran, daß die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und
2. wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.
Bei Fehlen auch nur eines dieser beiden Tatbestandselemente ist den Arbeitsämtern die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung verwehrt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. beispielsweise das Erkenntnis vom 21. April 1994, 93/09/0112) darf bei der Auslegung des § 4 Abs. 1 AuslBG nicht außer acht gelassen werden, daß die vom Gesetzgeber angesprochenen wichtigen öffentlichen und gesamtwirtschaftlichen Interessen erst dann zum Tragen kommen, wenn feststeht, für welche Beschäftigung konkret die Bewilligung beantragt wurde und ob die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes diese konkrete Beschäftigung zuläßt. Das wird aber immer dann der Fall sein, wenn nicht feststeht, daß für die Beschäftigung wenigstens ein bestimmter Inländer oder im gegebenen Zusammenhang ein einem Inländer gleichgestellter oder begünstigt zu behandelnder Ausländer (in der Reihenfolge nach § 4b AuslBG) zur Verfügung steht, der bereit und fähig ist, diese Beschäftigung zu den gestellten (gesetzlich zulässigen) Bedingungen auszuüben. Diese Beweisführung erübrigt sich dann, wenn seitens des Arbeitgebers die Stellung jeder Ersatzkraft von vornherein abgelehnt wird (vgl. in diesem Sinne das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. April 1987, Zl. 87/09/0012, sowie vom 25. November 1987, Zl. 87/09/0164).
Die belangte Behörde hat sich auf die Mitteilung - angeblich - der beschwerdeführenden Partei vom 2. März 1992 gestützt und daraus im Ergebnis ein Desinteresse an der Einstellung geeigneter Ersatzkräfte wegen bereits "besetzter Stelle" abgeleitet.
Der von der beschwerdeführenden Partei im Rahmen des die Annahme der belangten Behörde bestreitenden Beschwerdevorbringens erhobene Vorwurf, ihr sei eine Vorstellkarte vom 2. März 1993 mit dem Vermerk "Stelle schon besetzt" vor Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht zur Kenntnis gebracht worden, sodaß sie auch die Zeichnungsberechtigung eines allfällig Unterfertigenden nicht habe prüfen können, ist berechtigt. Die belangte Behörde wäre nach § 45 Abs. 3 AVG verpflichtet gewesen, die beschwerdeführende Partei vom Ergebnis ihrer Ermittlungen in Kenntnis zu setzen und ihr Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, zumal sich dem Schreiben vom 2. März 1992 - mangels einer Unterschrift - nicht entnehmen läßt, ob es von einem Zeichnungsberechtigten der beschwerdeführenden Partei stammt oder nicht. Mit Rücksicht darauf, daß den vorgelegten Akten nicht zu entnehmen ist, daß die beschwerdeführende Partei vor Erlassung des angefochtenen Bescheides mit den Entscheidungsgrundlagen konfrontiert wurde, stellt das diesbezügliche Vorbringen der beschwerdeführenden Partei keine im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof unzulässige Neuerung dar, sodaß der Gerichtshof nicht vom Feststehen von Echtheit und Richtigkeit der aktenkundigen Urkunde ausgehen kann. Es fehlt daher an vom Verwaltungsgerichtshof verwertbaren einwandfreien Feststellungen darüber, aus welchen Gründen eine Beschäftigung von Ersatzkräften durch die beschwerdeführende Partei nicht zustande gekommen ist. Erst auf Grund von mängelfreien Feststellungen wird rechtlich einwandfrei beurteilt werden können, ob die beschwerdeführende Partei etwa tatsächlich kein Interesse an einer Ersatzkraftstellung mehr hatte oder zu Unrecht ausschließlich auf der ihr geeignet erscheinenden Ausländerin beharrte (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Juli 1993, 93/09/0067).
Da die belangte Behörde aus diesen Gründen den Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet hat, und zwar weil der Sachverhalt im entscheidungswesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf, aber auch Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm Art. I A Z. 1 der gemäß ihrem Art. III Abs. 2 anzuwendenden Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Parteiengehör Verletzung des Parteiengehörs VerfahrensmangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993090319.X00Im RIS seit
11.07.2001