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L37158 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
BauG Vlbg 1972 §6 Abs9;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde des X in H, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 30. März 1994, Zl. I-2-4/1994, betreffend Versagung einer nachträglichen Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde H, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit einem am 10. Dezember 1992 bei der mitbeteiligten Gemeinde eingelangten Ansuchen beantragte der Beschwerdeführer die Erteilung der (nachträglichen) Baubewilligung für die Errichtung einer Garage auf GP 128/2, KG H. Gleichzeitig wurde der Antrag gestellt, gemäß § 6 Abs. 9 des Vorarlberger Baugesetzes eine Ausnahmegenehmigung zu erteilen. Über dieses Ansuchen wurde eine Bauverhandlung für den 24. März 1993 anberaumt, in der u.a. die Nachbarn A. und M. S erklärten, daß durch die Erhöhung und Verlängerung der Garage eine nachteilige Auswirkung auf ihre Liegenschaft eintrete, weshalb sie dem bestehenden Bauvorhaben nicht ihre Zustimmung erteilten. Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 3. Mai 1993 wurde gemäß § 31 Abs. 5 des Vorarlberger Baugesetzes die beantragte Baubewilligung versagt, gleichzeitig wurde ausgesprochen, daß das ohne Bewilligung errichtete Gebäude abzutragen sei. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, es sei gemäß § 6 Abs. 1 und 2 des Baugesetzes für das Bauvorhaben eine Abstandsfläche in der Tiefe von 3 m gegenüber den Grundparzellen 128/1, 129 und 130 einzuhalten; die Garage sei aber unmittelbar an der Grundgrenze zur GP 128/1 errichtet und halte gegenüber den Parzellen 129 und 130 nur einen Abstand von ca. 40 cm ein. Beim Baugrundstück handle es sich um ein Trapez mit einer Breite von 15,5 m und einer mittleren Länge von ca. 19 m, somit um ein von der Form her ideales Baugrundstück. Die Form und die Lage des Baugrundstückes rechtfertigten keine Ausnahme von den gesetzlichen Abständen. Fraglich könne allenfalls sein, ob aus Gründen einer zweckmäßigen Bebauung im vorliegenden Fall eine solche Ausnahme gerechtfertigt sei. Nach der Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei ein Grundstück dann als zweckmäßig bebaubar zu beurteilen, wenn eine wirtschaftlich vernünftige Bauführung, also ein entsprechend langer und breiter Baukörper unter Einhaltung der gesetzlichen Abstandsvorschriften "zulässig" sei. Daß auf dem fraglichen Grundstück ohne Schwierigkeiten ein entsprechend langer und breiter Bau errichtet werden könnte, stehe außer Frage. Nach Ansicht der Baubehörde sei es unzulässig, wenn der Wunsch zur Erstellung einer Garage für ein Wohnmobil als "zweckmäßigere Bebauung" im Sinne des § 6 Abs. 9 des Vorarlberger Baugesetzes gewertet werde, eine Garage für einen Personenkraftwagen sei im Untergeschoß des Hauses bereits vorhanden. Es sei keiner von den im § 6 Abs. 9 des Vorarlberger Baugesetzes angeführten Gründe für die Zulassung einer Ausnahme von gesetzlichen Abständen gegeben.
Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Berufung hat die Berufungskommission der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 24. August 1993 abgewiesen, wobei sie in der Begründung des Bescheides noch darauf hinwies, daß das Grundstück mit einer Längsseite unmittelbar an der Gemeindestraße liege. Aufgrund der gegen diesen Bescheid eingebrachten Vorstellung hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 9. November 1993 den Bescheid der Berufungskommission aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die mitbeteiligte Gemeinde zurückverwiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, der Bescheid der Berufungskommission sei damit begründet worden, daß der Gemeindevorstand einer Bauabstandsnachsicht nicht zugestimmt habe. Mit dieser Begründung verkenne aber die Berufungskommission die Rechtslage. Aus dem Umstand, daß die Genehmigung des Gemeindevorstandes lediglich ein innerbehördlicher Mitwirkungsakt sei, der nach außen nicht in Erscheinung trete, könne nicht gefolgert werden, daß die Nichterteilung einer Abstandsnachsicht nicht anfechtbar sei. Die Berufungsbehörde sei an die Zustimmung des Gemeindevorstandes nicht gebunden. Die Begründung einer abweisenden Entscheidung der Baubehörde zweiter Instanz mit der mangelnden Zustimmung des Gemeindevorstandes stelle für sich allein genommen schon einen Verfahrensmangel dar, der zur Aufhebung des Bescheides führen müsse. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
Mit Bescheid der Berufungskommission der mitbeteiligten Gemeinde vom 3. Februar 1994 wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 3. Mai 1993, mit dem die nachträgliche Bewilligung einer Garage versagt wurde, keine Folge gegeben. Zur Begründung wurde ausgeführt, auf dem Baugrundstück befinde sich ein Einfamilienhaus mit einer Garage, die zusätzlich schon ohne Bewilligung vorgenommene Errichtung einer weiteren Garage für die Unterbringung eines Wohnmobiles rechtfertige nicht die Gewährung einer Bauabstandsnachsicht. Ein wesentliches Kriterium bei der Gewährung einer Bauabstandsnachsicht liege auch darin, daß die Einhaltung der gesetzlichen Bauabstände ein Nachbarrecht darstelle; die von der beantragten Bauabstandsnachsicht betroffenen Nachbarn hätten sich gegen das Bauvorhaben ausgesprochen; die Wahrung ihrer Interessen sei sicher höher zu bewerten, als der rein subjektiv begründete Antrag des Bauwerbers. Dem Kommentar zum Baugesetz (Feuerstein, Zl. 24 zu § 6) sei zu entnehmen, daß die Ausnahmebestimmung nicht so ausgelegt werden dürfe, daß zu Lasten des Nachbarn jede beliebige größere Ausnützung eines Bauplatzes zulässig sei. Die Erteilung der Nachsicht vom gesetzlichen Bauabstand stelle eine Ermessensentscheidung der Behörde dar, die Bewilligung der Ausnahme sei nur dann möglich, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen hiezu vorlägen, was aber hier nicht der Fall sei.
Der gegen diesen Bescheid eingebrachten Vorstellung des Beschwerdeführers gab die belangte Behörde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid keine Folge.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In der Beschwerde wird, wie auch im Verwaltungsverfahren, ausgeführt, der Beschwerdeführer habe seinen überdachten Abstellplatz schon seit ca. 19 Jahren an derselben Stelle. Sicherlich habe er eine Erhöhung von ca. 30 cm vorgenommen, um das Wohnmobil dort abstellen zu können. Dies ändere jedoch nichts an der Tatsache, daß sich die Nachbarn während der Dauer von ca. 19 Jahren nie gegen das vorher bestehende Objekt ausgesprochen hätten; erst als der Beschwerdeführer nun die Erhöhung um ca. 30 cm vorgenommen habe, hätten sich die Nachbarn dagegen ausgesprochen. Die jahrelange Untätigkeit der Nachbarn könne jedoch nicht anders ausgelegt werden, als daß sie schlüssig diesem Bau zustimmten und sich in ihren subjektiven Rechten nicht beeinträchtigt fühlten. Die lediglich minimale Erhöhung um 30 cm habe in diesem Zusammenhang keine größere Beeinträchtigung dargestellt. Aufgrund der besonderen Umstände seien die Interessen des Bauwerbers als schutzwürdiger anzusehen, als die der Nachbarn, es dürfe nämlich nicht übersehen werden, daß nur für die Errichtung des Wohnhauses ausreichend Platz auf dem Grundstück sei, auf einer Liegenschaft im Ausmaß von 273 m2 mit einer Breite von 15,5 m und einer mittleren Länge von 19 m könne zwar ein mittlerer Baukörper mit einer entsprechenden Länge und Breite errichtet werden, für die Errichtung einer zusätzlichen Garage sei hier kein Platz.
§ 6 Abs. 9 des Vorarlberger Baugesetzes, LGBl. Nr. 39/1972, in der hier anzuwendenden Fassung LGBl. Nr. 47/1983 lautet:
"(9) Wegen der besonderen Form oder Lage des Baugrundstückes oder aus Gründen einer zweckmäßigeren Bebauung kann die Behörde mit Genehmigung des Gemeindevorstandes von den in Abs. 2 bis 8 vorgeschriebenen Abstandsflächen und Abständen Ausnahmen zulassen, wenn dadurch die Interessen des Brandschutzes, der Gesundheit sowie des Schutzes des Landschafts- und Ortsbildes nicht beeinträchtigt werden."
Das eingereichte Projekt hält die erforderlichen Abstände weder zum Grundstück Nr. 128/1 noch zu den Grundstücken Nr. 129 und 130 ein. Das Grundstück bildet ein Trapez mit einer Breite von 15,5 m und einer mittleren Länge von ca. 19 m, es liegt, wie unbestritten ist, mit der Längsseite an einer Gemeindestraße. Mit Recht haben schon die Baubehörden die Form und Lage dieses Grundstückes als günstig betrachtet und sind zutreffend zu der Ansicht gelangt, daß eine Ausnahmegenehmigung gemäß § 6 Abs. 9 des Baugesetzes wegen der besonderen Form oder Lage des Baugrundstückes nicht in Betracht kam. Mit der Auslegung der Frage der zweckmäßigen Bebauung im Sinne des § 6 Abs. 9 des Baugesetzes hat sich der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt auseinandergesetzt. So hat er in seinem Erkenntnis vom 19. April 1977, Zl. 1618/76, ausgeführt, daß bei der Frage der zweckmäßigen Bebauung wirtschaftliche Gesichtspunkte zweifelsfrei eine Rolle spielen, weil jedes Grundstück nur dann als zweckmäßig bebaubar beurteilt werden könne, wenn eine wirtschaftlich vernünftige Bauführung zulässig sei, also ein entsprechend langer und breiter Baukörper unter Einhaltung der gesetzlichen Abstandsvorschriften errichtet werden könne. Wäre die Errichtung eines solchen Baukörpers unzulässig, dann könnte von einer zweckmäßigen Bebauung nicht gesprochen werden und es wäre durch die Gewährung einer Ausnahme eine zweckmäßigere Bebauung zuzulassen. Der Gerichtshof stellte aber bereits in diesem Erkenntnis fest, daß die genannte Ausnahmebestimmung keinesfalls so ausgelegt werden dürfe, daß zu Lasten des Nachbarn jede beliebige größere Ausnutzung des Bauplatzes zulässig wäre. Auch in seinen Erkenntnissen vom 14. Jänner 1987, Zl. 86/06/0072, vom 19. September 1991, Zl. 91/06/0118, und vom 2. Juli 1992, Zl. 91/06/0210, hat der Verwaltungsgerichtshof diese Rechtsauffassung aufrecht erhalten. Der Verwaltungsgerichtshof sieht keine Veranlassung, von dieser Rechtsansicht abzurücken.
Bezogen auf den Beschwerdefall bedeutet dies, daß das günstig figurierte Areal, auf dem bereits ein Einfamilienhaus mit einer Garage errichtet ist, durchaus einer zweckmäßigen Bebauung zugeführt werden konnte. Wegen der geringen Größe des Grundstückes ist lediglich eine WEITERE Bebauung bei Einhaltung von Abstandsbestimmungen nicht möglich, was aber schon im Sinne des zitierten Erkenntnisses vom 19. April 1977 keinen Ausnahmegrund darstellt. Die Gemeindebehörden haben daher mit Recht im Ergebnis das Ansuchen des Beschwerdeführers um Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 6 Abs. 9 des Vorarlberger Baugesetzes und die Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung versagt, weshalb der Beschwerdeführer durch den Bescheid der Gemeindeaufsichtsbehörde in keinem Recht verletzt ist.
Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994060107.X00Im RIS seit
03.05.2001