TE Vwgh Erkenntnis 1994/9/15 94/19/0147

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Veröffentlicht am 15.09.1994
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1968 §11 Abs1;
AsylG 1991 §18 Abs1;
AVG §37;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 94/19/0148

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerden 1. des Y, u.a., alle in K und vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres je vom 23. Juni 1993, Zl. 4.339.393/4-III/13/92 (betreffend Erstbeschwerdeführer) und Zl. 4.339.393/1-III/13/92 (betreffend Zweitbeschwerdeführerin), beide betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die miteinander verheirateten Beschwerdeführer sind pakistanische Staatsangehörige und stellten am Tag ihrer Einreise in das Bundesgebiet, dem 7. November 1991, Anträge, ihnen Asyl zu gewähren. In seiner Einvernahme am 12. März 1992 durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark führte der Erstbeschwerdeführer im wesentlichen aus, vom 4. Februar 1979 bis 4. August 1979 in Polizeihaft gewesen zu sein. An den Haftgrund könne er sich nicht erinnern. Desgleichen sei er vom 3. April 1980 bis 3. April 1981 in "grundloser" Polizeihaft gewesen. Er habe in der Landwirtschaft gearbeitet, doch darin keine Zukunft gesehen und sich deshalb entschlossen, aus Pakistan auszuwandern. Er sei in Pakistan nie politisch tätig gewesen und habe seit seiner Haftentlassung auch nie mehr mit der Polizei zu tun gehabt; er wolle nur nach Österreich, um hier ein neues Leben mit seiner Familie zu beginnen.

Die Zweitbeschwerdeführerin führte in ihrer Einvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark gleichfalls vom 12. März 1992 an, ihr Gatte sei 1986 glaublich drei Monate und 1991 bis 1992 zwei Monate in Haft genommen worden; die Haftgründe könne sie nicht angeben. Danach hätten sie sich entschlossen, Pakistan zu verlassen. Sie selbst habe sich in ihrem Heimatland nie politisch betätigt, sondern sei immer im Haushalt ihrer Schwiegereltern tätig gewesen.

Mit Bescheid vom 27. Mai 1992, der am 5. Juni 1992 zugestellt (erlassen) wurde, stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark fest, daß der Erstbeschwerdeführer nicht Flüchtling sei. In eben diesem Sinne sprach sie über den Asylantrag der Zweitbeschwerdeführerin mit Bescheid vom 12. August 1992, zugestellt (erlassen) am 17. August 1992, ab.

Mit den vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheiden wies die belangte Behörde die jeweils erhobenen Berufungen gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. Den Angaben der Beschwerdeführer ließen sich keine Asylgründe im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 entnehmen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Beschwerden in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die belangte Behörde ist in der Begründung der angefochtenen Bescheide jeweils davon ausgegangen, daß von ihr bereits das AsylG 1991 anzuwenden sei, weil das gegenständliche Asylverfahren "am bzw. nach dem 1. Juni 1992 beim Bundesministerium für Inneres anhängig war". Mit Rücksicht auf das Datum der Zustellung (Erlassung) der erstinstanzlichen Bescheide ist jedoch davon auszugehen, daß das erstinstanzliche Verfahren jeweils erst nach dem 1. Juni 1992 beendet war. Danach trifft aber - wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 31. März 1993, Zl. 92/01/0831, auf das des näheren gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausführlich dargelegt hat - die vorerwähnte Auslegung des § 25 Abs. 1 und 2 (jeweils) erster Satz AsylG 1991 durch die belangte Behörde nicht zu, weshalb die belangte Behörde verpflichtet gewesen wäre, das AsylG (1968) anzuwenden. Dadurch, daß sie dies nicht getan hat, wurden aber die Beschwerdeführer nicht in ihren Rechten verletzt, weil sich die belangte Behörde in rechtlicher Würdigung des ihrer Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhaltes ausschließlich mit dem durch die neue Rechtslage inhaltlich nicht geänderten Flüchtlingsbegriff (nunmehr des § 1 Z. 1 AsylG 1991) auseinandergesetzt hat und auf diese Weise zur Abweisung der Asylanträge der Beschwerdeführer gelangt ist.

Insoweit die Beschwerdeführer in ihren übereinstimmenden Ausführungen rügen, daß weder ein gerichtlich beeideter Dolmetsch noch ein Amtsdolmetsch beigezogen worden sei, ist darauf zu verweisen, daß im § 11 Abs. 1 AsylG (1968) nur davon die Rede ist, daß für den Fall, daß der Asylwerber der deutschen Sprache nicht mächtig ist, eine der fremden Sprache mächtige Person als Dolmetsch zuzuziehen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. März 1985, Slg. 11.730/A sowie das Erkenntnis vom 25. Mai 1994, Zl. 94/20/0003). Daß der beigezogene Dolmetsch einer den Beschwerdeführern verständlichen Sprache überhaupt nicht mächtig gewesen wäre, wird in den Beschwerdeausführungen nicht behauptet. Den Beschwerdeführern ist in diesem Zusammenhang vor allem aber entgegenzuhalten, daß in der Beschwerde nicht dargelegt wird, welcher Sachverhalt durch die Heranziehung des kritisierten Dolmetschers nicht hervorgekommen sei, der im Asylverfahren hätte maßgeblich sein können (vgl. das zitierte Erkenntnis vom 25. Mai 1994). Eine relevante Mangelhaftigkeit des Verwaltungsverfahrens wird daher jeweils nicht aufgezeigt.

Flüchtling im Sinne der von der belangten Behörde richtigerweise anzuwendenden Vorschriften (§ 1 AsylG (1968), Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen. Der Erstbeschwerdeführer hat im erstinstanzlichen und auch im Berufungsverfahren hiezu nur vorgebracht, aus wirtschaftlichen Gründen, nämlich wegen der schlechten Zukunftsaussichten in der Landwirtschaft, sein Heimatland verlassen zu haben. Eine Verfolgung aus den vom Gesetz genannten Gründen wurde von den Beschwerdeführern nicht behauptet; auch aus den (unterschiedlichen) Angaben über die Haft des Erstbeschwerdeführers läßt sich nicht entnehmen, daß die Inhaftierung etwa aus politischen (oder sonst asylrechtlich relevanten) Umständen erfolgt wäre. Selbst dann aber, wenn man dies unterstellen wollte, wären Anhaltungen in Polizeihaft vom 4. Februar 1979 bis 4. August 1979 und vom 3. April 1980 bis 3. April 1981 zeitlich gesehen in keinem ausreichenden Naheverhältnis zur Ausreise der Beschwerdeführer aus dem Heimatstaat im Jahr 1992 gelegen, um sie noch als relevante Fluchtgründe anerkennen zu können (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 21. Juni 994, Zl. 94/20/0107).

Da sich somit die Beschwerden im Ergebnis als unbegründet erweisen, waren sie gemäß § 42 Abs.1 VwGG abzuweisen; von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG jeweils abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III, wobei jedoch der Vorlageaufwand nur einmal zuzusprechen war.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994190147.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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