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62 ArbeitsmarktverwaltungNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallLeitsatz
Anlaßfallwirkung der Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Worte "bzw. in den Fällen des §4 Abs6, sofern die Voraussetzungen nach §4 Abs3 gegeben sind, das zuständige Landesarbeitsamt" in §20 Abs1 AuslBG, BGBl 218/1975, mit E v 10.03.92, G310-314/91.Spruch
Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.
Die Bescheide werden aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) ist schuldig, der beschwerdeführenden Gesellschaft zuhanden ihres Vertreters die mit 45.000 S bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit zwei an das Arbeitsamt Feldkirch gerichteten Anträgen vom 12. Dezember 1989 begehrte das (zu B724,725/90) beschwerdeführende Unternehmen die Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen für zwei türkische Staatsangehörige, von denen einer als Koch und einer als Küchengehilfe beschäftigt werden sollte.
Die Anträge wurden vom Arbeitsamt dem Landesarbeitsamt zur Entscheidung übermittelt und von diesem am 29. Jänner 1990 abgelehnt, da das Kontingent für die Beschäftigung von Hilfskräften im Bereich des Gast- und Beherbergungsgewerbes ausgeschöpft sei und die - in einem solchen Fall erforderlichen - besonderen Bewilligungsvoraussetzungen nach §4 Abs6 AuslBG nicht vorliegen.
Dagegen erhob die beschwerdeführende Gesellschaft Berufung, der der Bundesminister für Arbeit und Soziales mit Bescheid vom 25. April 1990 Folge gab, indem er die angefochtenen Bescheide des Landesarbeitsamtes aufhob und die beiden Anträge zur neuerlichen Entscheidung an das Arbeitsamt Feldkirch zurückverwies. Unter Berufung auf §20 Abs1 AuslBG wurde ausgeführt, daß im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides die Voraussetzungen für ein Kontingentüberziehungsverfahren nicht vorlägen, sodaß nicht das Landesarbeitsamt, sondern das Arbeitsamt zur Entscheidung berufen sei. (Aus dem Akt des Bundesministers geht hervor, daß im Zeitpunkt der Entscheidung über die Berufung in einem Fall kein Kontingent "vereinbart" (richtig wohl: festgesetzt), im anderen Fall das Kontingent nicht ausgeschöpft sei.)
2. Mit Antrag vom 17. Jänner 1990 begehrte das gleiche Unternehmen für einen türkischen Staatsangehörigen eine Beschäftigungsbewilligung als Kellner. Diesen Antrag wies das Arbeitsamt mit der Begründung ab, daß der Anteil der Ausländerbeschäftigung in Vorarlberg über 15 % betrage, dies zu einer starken Belastung der Infrastruktur des Landes und des Wohnungsmarktes geführt habe und sich auch die Landesregierung aus öffentlichen Interessen gegen die Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen für Neu- und Wiedereinreisende ausgesprochen habe.
Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung gab das Landesarbeitsamt mit Bescheid vom 15. März 1990 statt und entschied zugleich in erster Instanz über den Antrag, indem es die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung mit der gleichen Begründung wie in den beiden unter Pkt. I.1. genannten Bescheiden versagte.
Der gegen diesen Bescheid des Landesarbeitsamtes erhobenen Berufung gab der Bundesminister für Arbeit und Soziales mit (dem hg. zu B726/90 angefochtenen) Bescheid vom 25. April 1990 Folge, hob den angefochtenen Bescheid auf und verwies ihn ohne nähere Bestimmung - also anscheinend zur neuerlichen Entscheidung durch das Landesarbeitsamt - mit gleicher Begründung wie in den beiden anderen Fällen (vgl. Pkt. I.1.) zurück.
II. Aus Anlaß (auch) der vorliegenden Beschwerden hat der Verfassungsgerichtshof von Amts wegen Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Worte "bzw. in den Fällen des §4 Abs6, sofern die Voraussetzungen nach §4 Abs3 gegeben sind, das zuständige Landesarbeitsamt" in §20 Abs1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, BGBl. 218/1975, eingeleitet.
Mit Erkenntnis vom 10. März 1992, G310-314/91, hat er die Verfassungswidrigkeit der in Prüfung gezogenen Wortfolge wegen Verstoßes gegen das aus Art18 in Verbindung mit Art83 Abs2 B-VG abzuleitende Gebot der genauen Regelung der Behördenzuständigkeit im Gesetz festgestellt.
Die angefochtenen Bescheide stützen sich auf die aufgehobene Gesetzesbestimmung. Es ist nicht auszuschließen, daß dies für die beschwerdeführende Gesellschaft von Nachteil war. Sie ist daher durch Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden. Die Bescheide sind aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG. Im zugesprochenen Betrag sind 7.500 S an Umsatzsteuer enthalten.
Schlagworte
VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1992:B724.1990Dokumentnummer
JFT_10079688_90B00724_00