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L66503 Flurverfassung Zusammenlegung landw GrundstückeNorm
ABGB §891;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Hargassner, Dr. Bumberger und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein der Schriftführer Mag. Eigelsberger und Dr. Bachler, über die Beschwerde des 1.) JA in S und des 2.) LA in S, beide vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in Z, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 15. April 1991, Zl. III/1-29.410/5-91, betreffend wasserpolizeiliche Aufträge, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit er sich auf die beiden Beschwerdeführer JA und LA bezieht, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den beiden Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Das sogenannte "S-Überländ" ist ein im Nordwesten Niederösterreichs bei A gelegenes Hochmoor. Es steht im Eigentum der Agrargemeinschaft S, ist aber auf deren Mitglieder aufgeteilt. Zu diesen Mitgliedern zählt der Beschwerdeführer JA; ferner zählen dazu KA und RA, deren Grund vom Beschwerdeführer LA gepachtet wurde.
Auf Grund einer Anzeige der Forstaufsichtsstation vom 23. Dezember 1987 wurde amtsbekannt, daß im S-Überländ Entwässerungsgräben erneuert bzw. neu angelegt worden waren. Nach Einholung eines hydrologischen Gutachtens (Dr. H) vom 24. Februar 1989 wurde vorerst ohne formelles Verfahren die Verfüllung der Gräben, und zwar unter Assistenz des Bundesheeres, vorgesehen. Gegen diese Vorgangsweise nahmen einzelne Landwirte Stellung, weil auf diese Weise ohne wasserrechtliche Bewilligung das durch die Gräben abfließende Wasser aufgestaut worden sei und die angrenzenden Parzellen vernäßt habe.
Mit Schreiben vom 18. August 1989 regte sodann die Umweltanwaltschaft des Landes Niederösterreich die Erlassung wasserpolizeilicher Aufträge nach § 138 WRG 1959 gegen die Landwirte an, die ohne die nach § 40 WRG 1959 erforderliche wasserrechtliche Bewilligung in dem ökologisch überaus wertvollen Hochmoorkomplex Drainagierungen vorgenommen hätten.
In dem hierauf von der Bezirkshauptmannschaft (BH) unter Beiziehung der Agrargemeinschaft S, aber auch ihrer einzelnen Mitglieder durchgeführten Verfahren wurde am 11. Dezember 1989 an Ort und Stelle eine mündliche Verhandlung abgehalten, in welcher u.a. ein wasserbautechnisches Gutachten eingeholt wurde. Auf Grund der Ergebnisse dieser Verhandlung holte die BH in der Folge ein schriftliches Gutachten des "Moorfachmannes" Prof. Dr. K über die notwendigen Sanierungsmaßnahmen ein. Zu diesem Gutachten nahm die Agrargemeinschaft S am 2. Oktober 1990 schriftlich Stellung. In einer weiteren Verhandlung am 3. Oktober 1990, an welcher u.a. auch die beiden Beschwerdeführer teilnahmen, wurden die erforderlichen Maßnahmen erörtert; ferner wurde dem Vertreter der Agrargemeinschaft aufgetragen, bekanntzugeben, wer für die konsenslose Errichtung der Drainagegräben im betroffenen Moorgebiet verantwortlich sei. Mit Schriftsatz vom 2. November 1990 gab die Agrargemeinschaft bekannt, von welchen Nutzungsberechtigten die Entwässerungsanlagen veranlaßt worden seien; unter diesen finden sich auch die Namen des Beschwerdeführers JA sowie des Beschwerdeführers LA, letzterer als Pächter der Ehegatten KA und RA. Nachdem auch diesen als Verfahrensparteien die Möglichkeit einer ergänzenden Stellungnahme zu den Verfahrensergebnissen eingeräumt worden war, erließ die BH ihren Bescheid vom 22. November 1990.
Mit dem für das verwaltungsgerichtliche Verfahren bedeutsamen Spruchpunkt I dieses Bescheides trug die BH den einzelnen Nutzungsberechtigten, darunter den beiden nunmehrigen Beschwerdeführern, auf,
"... bei den in der angeschlossenen Plankopie gekennzeichneten Gräben im Moorgebiet des S-Überländ nachstehende Maßnahmen zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes einzuhalten und zu erfüllen:
1. Folgende in Beilage A farbig gekennzeichnete Gräben sind bis spätestens 30. Mai 1991 durch Sperren abzudämmen, welche in Abständen von 20 m mit mooreigenem Aushubmaterial und Holzbrettern jeweils bis auf eine Höhe von 50 cm unter der jeweiligen Geländeoberkante der Moorfläche zu errichten sind:
a) die Gräben im Teilmoor I (A1) des Grabensystems 8 - mit Ausnahme des Grabens 2 im Südwesten bis zum Torfstich, wobei die letzte Sperre in diesem System bei Punkt B/1 zu errichten ist,
b)
Graben C,
c)
Graben F, soweit er im Teilmoor III (A4) liegt,
d)
der Graben D, soweit er Grenzgraben ist, aufwärts des Torfstiches.
Mit den dafür erforderlichen Bauarbeiten ist bis spätestens 15. April 1991 zu beginnen.
2. Zu der Errichtung dieser Sperren dürfen keine Arbeitsmaschinen mit über einer Tonne Gesamtgewicht verwendet werden.
3. Im Falle des Undichtwerdens der Sperren sind diese durch notwendige Nachbesserungen in den ursprünglichen Zustand zu versetzen."
In der Begründung dieses Bescheides ging die BH von den eingeholten Gutachten aus, denen die Verursacher nicht auf der gleichen fachlichen Ebene entgegengetreten seien. Rechtlich stützte die BH ihre Entscheidung auf die §§ 40 Abs. 1, 105 Abs. 1 lit. m und 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959. Eine Beseitigung der konsenslosen "Gräbenvertiefungen" sei erforderlich, um "nicht nur beeinträchtigende, sondern sogar schwerste bzw. irreparable" Schäden an dem Moorgebiet durch diese Entwässerungsmaßnahmen zu verhindern.
Gegen diesen Bescheid erhoben sämtliche von der Agrargemeinschaft genannten Nutzungsberechtigten, darunter auch die beiden Beschwerdeführer, gemeinsam Berufung, in der sie u. a. vorbrachten, sie hätten die Gräben nicht gemeinsam instandgesetzt, die Maßnahmen seien vielmehr von jedem einzelnen nur bezüglich der ihnen zugewiesenen Teilflächen der Agrargemeinschaft vorgenommen worden. Des weiteren brachten die Berufungswerber im wesentlichen vor, daß eine Bewilligungspflicht für die Anlegung der Gräben mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen gar nicht gegeben gewesen sei.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 15. April 1991 gab die belangte Behörde den gegen den Bescheid der BH erhobenen Berufungen nicht Folge, änderte aber gleichzeitig den Spruchteil I des erstinstanzlichen Bescheides auf folgenden Wortlaut ab:
"Die in der Beilage A zum erstinstanzlichen Bescheid, welche einen wesentlichen Bestandteil dieses Berufungsbescheides bildet, farbig eingezeichneten und konsenslos errichteten Gräben sind bis spätestens 30. Mai 1991 zu beseitigen und ist der ursprüngliche Zustand, der vor der Herstellung dieser Gräben bestanden hat, wiederherzustellen. Die Wiederverfüllung dieser Gräben hat mit standortgerechtem Material zu erfolgen."
In der Begründung des angefochtenen Bescheides gab die belangte Behörde einen ausführlichen Überblick über den Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens und über die dort erzielten Ermittlungsergebnisse.
Auch die belangte Behörde ging in ihren Erwägungen von den Bestimmungen des § 40 Abs. 1 und 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959, nunmehr in der Fassung gemäß der Novelle BGBl. Nr. 252/1990, aus. Das Gebiet, auf dem die Entwässerungsanlagen angelegt worden seien, umfasse ca. 14,6 ha, weshalb diese Anlagen wasserrechtlich bewilligungspflichtig seien. Es handle sich bei den konsenslos vorgenommenen Drainagierungen um ein zusammenhängendes Entwässerungssystem, das wasserbautechnisch als Einheit zu betrachten sei. Verursacher im Sinne des § 138 Abs. 1 WRG 1959 seien jedenfalls die als Veranlasser der Entwässerungsmaßnahmen von der Agrargemeinschaft namhaft gemachten Personen. Da die Verursacher bekannt seien, seien diese auch bescheidmäßig zu verpflichten gewesen, die Drainagierungsgräben zu beseitigen und den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen. Da es sich um ein zusammenhängendes Entwässerungssystem handle, seien die Beseitigungsmaßnahmen den Verursachern gemeinsam (zur ungeteilten Hand) aufzutragen gewesen. Auf die Grundeigentumsverhältnisse sei von der belangten Behörde daher nicht einzugehen gewesen. Ein allfälliger Verfahrensfehler der BH (betreffend den Vorhalt des hydrologischen Gutachtens) sei im Berufungsverfahren saniert worden. Zum Vorbringen, daß sich mehrere Gräben nicht im Moorgebiet, sondern im Hochwald und Wirtschaftswald befänden, werde festgestellt, daß die Bewilligungspflicht gemäß § 40 WRG 1959 nicht auf Moorgebiete beschränkt sei.
Der erstinstanzliche Spruch sei abzuändern gewesen, weil § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 nur die Vorschreibung der Beseitigung eigenmächtig vorgenommener Neuerungen vorsehe, nicht jedoch darüber hinaus gehende Leistungen, wie sie der Bescheid der BH vorgesehen habe.
Abschließend begründete die belangte Behörde noch die von ihr gesetzten bzw. aufrechterhaltenen Fristen.
Gegen diesen Bescheid haben (nur) JA und LA Beschwerde erhoben. Sie machen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend; nach dem gesamten Beschwerdevorbringen erachten sich die beiden Beschwerdeführer in ihrem Recht verletzt, die von der belangten Behörde aufgetragenen Maßnahmen nicht vornehmen zu müssen.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 ist durch die WRG-Novelle BGBl. Nr. 252/1990 nicht abgeändert worden. Nach dieser Gesetzesstelle ist unabhängig von Bestrafung und Schadenersatz derjenige, der die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes übertreten hat, wenn das öffentliche Interesse es erfordert oder der Betroffene es verlangt, von der Wasserrechtsbehörde zu verhalten, auf seine Kosten eigenmächtig vorgenommene Neuerungen zu beseitigen oder die unterlassenen Arbeiten nachzuholen.
Gemäß § 40 Abs. 1 WRG 1959 in der Fassung vor der WRG-Novelle BGBl. Nr. 252/1990 bedurften Entwässerungsanlagen der wasserrechtlichen Bewilligung, sofern es sich um eine zusammenhängende Fläche von mehr als 10 ha handelte oder eine nachteilige Beeinflussung der Grundwasserverhältnisse, des Vorfluters oder fremder Rechte zu befürchten war. Durch die genannte WRG-Novelle ist ab dem 1. Juli 1990 diese Bestimmung dahin abgeändert worden, daß nun an die Stelle einer zusammenhängenden Fläche von mehr als 10 ha eine solche von "mehr als 3 ha" getreten ist.
Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß die Drainagegräben im Hochmoor des "S Überländ" durch die von der Agrargemeinschaft der BH bekanntgegebenen Mitglieder vor dem 1. Juli 1990 ohne wasserrechtliche Bewilligung angelegt worden sind.
Es erübrigt sich aber, auf die Frage der im § 40 Abs. 1 WRG 1959 für eine Bewilligungspflicht vorgesehenen Voraussetzungen einzugehen, weil der im Beschwerdefall erteilte wasserpolizeiliche Auftrag auch dann, wenn er tatsächlich bewilligungspflichtige, aber konsenslose Neuerungen betroffen hat, aus den nachstehenden Erwägungen nicht gesetzgemäß war.
Bereits die BH hat ihren in Spruchpunkt I des Bescheides vom 22. November 1990 formulierten wasserpolizeilichen Auftrag an sämtliche ihr von der Agrargemeinschaft als Verursacher genannte Personen einschließlich der beiden nunmehrigen Beschwerdeführer gemeinsam ("zur ungeteilten Hand") gerichtet, allerdings ohne in der Begründung ihres Bescheides darzulegen, worauf sich diese gemeinsame Haftung aller genannten Personen gründe.
Die als Verursacher genannten Bescheidadressaten haben zu dieser Frage in ihrer gemeinsamen Berufung folgendes ausgeführt:
"Vorweg muß darauf verwiesen werden, daß Grundeigentümer
jener Flächen, auf denen die gegenständlichen
Entwässerungsmaßnahmen vorgenommen wurden, die
Agrargemeinschaft S ist. Die der Agrargemeinschaft S gehörige
Fläche wurde unter den einzelnen Mitgliedern der
Agrargemeinschaft aufgeteilt und die so entstandenen
Teilflächen diesen zur alleinigen Nutzung zugewiesen. Die
Gräben, bezüglich welcher nunmehr ... eine
Wiederherstellungsverpflichtung festgesetzt wurde, wurden von
uns nicht gemeinsam instandgesetzt oder ... vertieft, sondern
wurden diese Maßnahmen von jedem einzelnen von uns nur
bezüglich jener Gräben gesetzt, die auf den jeweils
zugewiesenen Teilflächen der Agrargemeinschaft S bestanden.
Es ist daher unzulässig, daß ... jedem von uns eine
Wiederherstellungsverpflichtung bezüglich sämtlicher Gräben auferlegt wird. Bei ausreichender Prüfung des Sachverhaltes hätte, wenn überhaupt, jedem einzelnen von uns nur die Wiederherstellung jener Gräben oder Grabenteile auferlegt werden können, welche tatsächlich von jedem einzelnen von uns instandgesetzt bzw. vertieft wurden.
Es muß daher bestritten werden, daß die ... Gräben in den Verantwortungsbereich jedes einzelnen von uns fallen.
..."
Auf diese Frage kommen die Beschwerdeführer in der Beschwerde mit Recht zurück, denn die belangte Behörde ist ihr vor Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht weiter nachgegangen. Sie hat vielmehr ohne weitere Ermittlungen ihren erneut zur ungeteilten Hand an alle "Verursacher" gerichteten wasserpolizeilichen Auftrag in dieser Hinsicht rechtlich damit begründet, daß es sich bei den Entwässerungsgräben um ein "zusammenhängendes Entwässerungssystem" handle. Diese Argumentation entbehrt der rechtlichen Grundlage, aber auch ausreichender Sachverhaltsfeststellungen. Aus der zum integrierenden Bescheidbestandteil erklärten Anlage A ergibt sich dazu, daß offenbar zumindest drei miteinander in keinem erkennbaren Zusammenhang stehende Grabensysteme betroffen sind, die durch den erteilten Auftrag wieder rückgebildet werden sollen. Dazu weisen die Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf das Gutachten des Moorbiologen darauf hin, daß das von diesen Grabensystemen betroffene Gebiet nicht zusammenhängend sei und jedenfalls keine zusammenhängende Entwässerung in einer Richtung erfolge.
Der an die beiden Beschwerdeführer ergangene wasserpolizeiliche Auftrag umfaßte daher ohne ausreichende rechtliche Grundlage die Wiederherstellung des früheren Zustandes hinsichtlich sämtlicher in der Anlage A farbig eingezeichneten Gräben. Der angefochtene Bescheid war deshalb, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG insoweit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, als er die beiden Beschwerdeführer betrifft.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 und 53 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Maßgebender Bescheidinhalt Inhaltliche und zeitliche Erstreckung des Abspruches und der RechtskraftEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1991070076.X00Im RIS seit
12.11.2001