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L10012 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt Kärnten;Norm
AVG §73 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Degischer und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, in der Beschwerdesache 1.) der GK, 2.) des EK,
3.) des DK, alle in X, alle vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in K, gegen den Gemeindevorstand der Marktgemeinde X, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 21. Dezember 1993 versagte der Bürgermeister der Marktgemeinde X die von der Verlassenschaft nach dem am 9. Juli 1992 verstorbenen EK, der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführer, begehrte Genehmigung zur Teilung der Grundstücke 1034, 1035, 1037/1 und 1037/2. Dagegen erhob die Verlassenschaft mit einem am 11. Jänner 1994 zur Post gegebenen Schriftsatz Berufung.
Mit der vorliegenden Beschwerde wird geltend gemacht, daß der Gemeindevorstand der Marktgemeinde X, welcher gemäß § 94 Abs. 1 der Allgemeinen Gemeindeordnung 1993 (LGBl. Nr. 77/93; im folgenden: AGO) zur Entscheidung über die Berufung zuständig wäre, innerhalb von 6 Monaten seiner Entscheidungspflicht nicht nachgekommen sei. Gemäß Art. 132 B-VG und § 27 VwGG wird Stattgebung der Berufung und Abänderung auf Genehmigung der begehrten Teilung, hilfsweise Aufhebung, beantragt.
Gemäß § 27 VwGG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht nach Art. 132 B-VG erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen 6 Monaten in der Sache entschieden hat. Zufolge Art. II Abs. 2 lit. B Z. 30 EGVG findet das AVG im vollen Umfang vor den Organen der Gemeinde Anwendung. Nach dessen § 73 ist die Behörde verpflichtet, spätestens 6 Monate nach Einlangen eines Antrages den Bescheid zu erlassen; wird der Bescheid der Partei nicht innerhalb dieser Frist zugestellt, so geht auf ihren schriftlichen Antrag die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde über.
Gemäß § 94 Abs. 1 AGO entscheidet über Berufungen gegen Bescheide des Bürgermeisters in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeindevorstand endgültig. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung übt der Gemeindevorstand - soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist - auch die in den verfahrensgesetzlichen Bestimmungen vorgesehenen oberbehördlichen Befugnisse aus. Gemäß § 34 Abs. 1 AGO ist der Gemeinderat das oberste Organ in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches.
Der Verwaltungsgerichtshof hat schon in seinem Beschluß vom 8. September 1969, Zl. 1198/69 (Slg 7626/A), ausgeführt, daß mit der Entscheidung des Gemeindevorstandes wohl der innergemeindliche Instanzenzug erschöpft ist, der Gemeindevorstand aber nicht das OBERSTE Organ der Gemeinde in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches sei. Oberstes Organ sei der Gemeinderat, weshalb gegen einen Gemeindevorstand, soweit er im Sinne des § 73 Abs. 1 AVG säumig geworden sei, zufolge § 73 Abs. 2 AVG unmittelbar beim Gemeinderat der Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht gestellt werden könne, ohne Rücksicht darauf, daß im konkreten Fall der Gemeinderat im Berufungswege nicht angerufen werden kann.
Von dieser Rechtsprechung abzugehen besteht kein Anlaß, zumal auch der damals geltende § 83 Abs. 2 AGO, LGBl. Nr. 1/1966, vorsah, daß der Gemeindevorstand auch die in den verfahrensgesetzlichen Bestimmungen vorgesehenen oberbehördlichen Befugnisse ausübe. Es ist in diesem Zusammenhang auf die zutreffenden Ausführungen von Walter/Steiner, Gemeindeorgane, 11, (in: Fröhler/Oberndorfer, Das österreichische Gemeinderecht) zu verweisen: Die Regelung des § 94 Abs. 2 AGO muß auch im Hinblick auf die Bestimmung des Art. 118 Abs. 5 B-VG, der eine Letztverantwortlichkeit des Gemeinderates für die dem eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde zugehörigen Aufgaben festlegt, in der Weise ergänzt verstanden werden, daß der Gemeindevorstand die oberbehördlichen Befugnisse dem Bürgermeister gegenüber ausübt; dem Gemeindevorstand gegenüber stehen diese Befugnisse dem obersten Organ der Gemeinde, dem Gemeinderat, zu.
Die Beschwerdeführer haben die Säumnisbeschwerde nicht gegen den Gemeinderat, sondern gegen den Gemeindevorstand der Gemeinde X eingebracht, obwohl ihnen noch gemäß § 73 Abs. 2 AVG der Devolutionsantrag an den Gemeinderat offenstand. Da sohin die nach § 27 VwGG geforderten Voraussetzungen zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht nach Art. 132 B-VG nicht gegeben waren, erweist sich die Beschwerde als unzulässig.
Schlagworte
Anrufung der obersten BehördeBesondere Rechtsgebiete GemeinderechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994050218.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
11.01.2011