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L65000 Jagd Wild;Norm
Abschußrichtlinien Krnt 1991;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Sauberer, DDr. Jakusch, Dr. Gall und Dr. Zorn, im Beisein der Schriftführerin Mag. Werner, über die Beschwerde des B in F, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 7. Jänner 1993, Zl. Agrar11-600/5/92, betreffend Festsetzung des Abschußplanes für ein Eigenjagdgebiet, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Festsetzung des Rotwildabschusses betrifft, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Kärnten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Jagdausübungsberechtigter für das Eigenjagdgebiet A (322 ha). Er beantragte für das Jagdjahr 1992 den Abschuß von 11 Stück Rehwild, 16 Stück Rotwild und 3 Stück Gamswild. Die Bezirkshauptmannschaft Villach setzte mit Bescheid vom 30. April 1992 gemäß § 57 Abs. 2 des Kärntner Jagdgesetzes 1978, LGBl. Nr. 76 (JG), den Abschußplan fest und bestimmte dabei den durchzuführenden Abschuß wie folgt: Rehwild 17 Stück, Rotwild 25 Stück, Gamswild wie beantragt. Zur Wildschadenssituation enthält der festgesetzte Abschußplan keine Ausführungen.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung gegen diesen Bescheid und führte im wesentlichen aus, der Wildstand habe sich stark vermindert und werde die von der Behörde gewünschten Abschüsse nicht ermöglichen. Der Beschwerdeführer gebe jedoch die Zusicherung, daß er einen Nachabschuß beantragen werde, wenn sich die Situation durch Zuwanderung von außen verändern sollte.
Die belangte Behörde übermittelte die Berufung dem Landesjagdbeirat zur Stellungnahme; mit Schreiben vom 5. August 1992 empfahl dieser, insbesondere wegen der Notwendigkeit der Reduktion des Rotwildbestandes im gesamten Gebiet die Berufung abzuweisen. Er verwies darauf, daß nach Mitteilung der Forstbehörde in diesem ausgesprochenen Wildschadensgebiet nach Aufnahme von Trakten die Schäden noch nicht zurückgegangen seien und daher der freigegebene Abschuß sowohl beim Rehwild als auch in diesem Kerngebiet bei Rotwild nicht nur im Hinblick auf die Schäden im Eigenjagdgebiet, sondern auch wegen der Schäden in den benachbarten Jagdgebieten als angemessen erscheine.
Der Beschwerdeführer, dem die Stellungnahme des Landesjagdbeirates bekanntgegeben worden war, brachte mit Schreiben vom 17. September 1992 vor, der Wildstand habe im Eigenjagdgebiet durch den starken Reduktionsabschuß so stark abgenommen, daß das Wild für den vorgeschriebenen Abschuß nicht mehr vorhanden sei. Seit der Reduktion gebe es im Eigenjagdgebiet keine neuen Wildschäden. Es treffe daher nicht zu, daß die Schäden nicht zurückgegangen seien. Der Beschwerdeführer ersuche um eine gemeinsame Begehung, beide Trakte befänden sich nämlich auf Hauptwechseln des Hochwildes. Durch den geringen Wildstand habe sich die Flora im Jagdgebiet geändert, sodaß die Waldrebe und der wilde Hopfen abgeschnitten werden müßten und Himbeeren und Brombeeren wucherten.
Aus einer in der Folge von der Bezirksforstinspektion Villach eingeholten, mit 2. November 1992 datierten Darstellung der Wildschadenssituation ergibt sich, daß im betroffenen Jagdgebiet extreme Schäl- und Verbißschäden aufgetreten seien, weshalb die Forstinspektion Villach zwei Wildverbißtrakte eingerichtet habe, die folgende Verbißkennziffern ergeben hätten:
Trakt Nr. 1989 1990 1991 1992
31 0,05 0,36 0,31 0,72
32 0,19 0,89 0,40 -
Kennziffern, die unter 0,6 lägen, bedeuteten dabei extremen Verbiß, solche über 1,0 einen tolerierbaren Verbiß und zwischen diesen Werten liegende Kennziffern einen starken Verbiß. Bei der Erstellung des Abschußplanes im Frühjahr 1992 seien die Verbißzahlen für 1991 herangezogen worden, die eine Verschlechterung der ohnehin extremen Verbißsituation aufzeigten. Im Oktober 1992 sei eine weitere Revision durchgeführt worden, wobei aber Trakt Nr. 32 infolge der Höhe der Pflanzen nicht brauchbar gewesen sei. Auf der Fläche des Traktes 31 sei chemischer Verbißschutz angebracht worden. In den Vorjahren seien im Jagdgebiet weitere Schälschaden aufgetreten, sodaß auf einer Fläche von ca. 8 ha
ca. 70 bis 100 % der Bäume geschält seien. Die Schadenssituation sei im Hinblick auf Forstschutzprobleme als kritisch zu bezeichnen. Der Grundbesitzer, welcher zugleich Jagdausübungsberechtigter sei, habe im Jahre 1992 um die Ausnahmegenehmigung zur Fällung dieser hiebsunreifen Bestände angesucht, wobei ihm für die nächsten drei Jahre die Kahlschlägerung dieser geschälten Bestände im Ausmaß von 7,45 ha bewilligt worden sei. Der durchschnittliche Rotwildabschuß habe in den vergangenen Jahren ca. 25 Stück betragen. Die Beibehaltung dieser Abschußziffer sei infolge der weiterhin vorhandenen untragbaren Wildschäden unbedingt erforderlich.
In einer Stellungnahme zur Darstellung der Bezirksforstinspektion Villach brachte der Beschwerdeführer vor, bei den Schälschäden handle es sich um alte Schäden, es seien keine neuen Schälschäden aufgetreten. Die Wildverbißtrakte befänden sich auf Hauptwechselgebieten.
Mit Bescheid vom 7. Jänner 1993 wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Aus der Stellungnahme des Landesjagdbeirates gehe hervor, daß in diesem ausgesprochenen Wildschadensgebiet nach Aufnahme von Trakten die Schäden noch nicht zurückgegangen seien. Daher erscheine der freigegebene Abschuß sowohl beim Rehwild als auch in diesem Kerngebiet bei Rotwild nicht nur im Hinblick auf die Schäden in diesem Eigenjagdgebiet, sondern auch wegen der Schäden in den benachbarten Jagdgebieten als angemessen. Der festgesetzte Abschuß entspreche den Abschußrichtlinien, wonach der Abschuß unter anderem derart zu erstellen sei, daß für jedes Jagdgebiet mit Rücksicht auf seine Größe und Lage, auf die natürlichen Äsungsverhältnisse und die Interessen der Land- und Forstwirtschaft der zulässige Wildstand erreicht und erhalten, jedoch nicht überschritten werde, sowie unter Berücksichtigung der wildbiologischen Gesetzmäßigkeiten eine optimale Wilddichte und ein günstiger Altersklassenaufbau erreicht sowie gesundes, starkes Wild herangehegt werde und insgesamt ein biologisch gesunder Wildstand erhalten bleibe. Das Berufungsvorbringen, im Jagdgebiet gebe es keine neuen Wildschäden bzw. einen Rückgang der Schäden, werde durch die ausführlich begründete Stellungnahme der Bezirksforstinspektion Villach vom 2. November 1992 widerlegt.
Gegen diesen Bescheid, inhaltlich aber nur, soweit er die Festsetzung des Rotwildabschusses betrifft, richtet sich die Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Festsetzung eines mit dem tatsächlichen Wildstand abgestimmten Rotwildabschusses verletzt.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 55 JG unterliegt das Erlegen und Fangen von Schalenwild - mit Ausnahme von Schwarzwild und Damwild - sowie von Auerhahnen, Birkhahnen und Murmeltieren der Abschußplanung. Gemäß § 57 Abs. 1a JG hat der Abschußplan jedenfalls zu enthalten:
a)
die Gesamtfläche des Jagdgebietes (der aneinandergrenzenden Jagdgebiete) desselben Jagdausübungsberechtigten;
b)
die Wildschadenssituation, insbesondere die Anzahl der bekanntgewordenen Wildschäden, das Ausmaß der geschädigten Flächen und deren Kulturgattung, die schädigende Wildart;
c)
den durchgeführten Abschuß der letzten drei Jahre und das Fallwild;
d)
den im Jagdjahr durchzuführenden Abschuß;
e)
eine Aufgliederung des zu erlegenden Schalenwildes in männliche und weibliche Stücke, ausgenommen die im Laufe des Jahres gesetzten Kälber, Kitze und Lämmer (Nachwuchsstücke);
f)
eine Unterteilung der trophäentragenden Wildstücke mit Ausnahme der Gamsgaisen und Muffelschafe in Altersklassen;
g)
bei Auer- und Birkhahnen die Anzahl der im Jagdgebiet (lit. a) vorhandenen und der zum Abschuß freigegebenen Stücke.
Gemäß § 57 Abs. 2 JG hat die Bezirksverwaltungsbehörde auf Grund der Abschußrichtlinien für jedes Jagdgebiet den Abschußplan bis spätestens 15. Mai jedes Jahres festzusetzen.
Gemäß § 56 JG hat die Landesregierung mit Verordnung Richtlinien für die Abschußplanung (Abschußrichtlinien) sowie Grundsätze, die bei der Erfüllung des Abschußplanes einzuhalten sind, zu erlassen. Bei der Erlassung der Verordnung ist auf die Entwicklung und Erhaltung eines gesunden, der Größe und den natürlichen Äsungsverhältnissen des Jagdgebietes entsprechenden Wildstandes, ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis, einen richtigen Altersaufbau des Wildstandes, auf die Vermeidung eines zahlenmäßig für die Land- und Forstwirtschaft abträglichen Wildstandes und die Erfüllung eines ausgeglichenen Naturhaushaltes Bedacht zu nehmen. In Ausführung dieser Gesetzesbestimmung ist die Verordnung der Kärntner Landesregierung vom 19. November 1991 über die Abschußrichtlinien, LGBl. Nr. 133/1991, ergangen, welche unter A) I. ausführt, der Abschußplan sei derart zu erstellen, daß
1.
für jedes Jagdgebiet mit Rücksicht auf seine Größe und Lage, auf die natürlichen Äsungsverhältnisse und die Interessen der Land- und Forstwirtschaft der zulässige Wildstand erreicht und erhalten, nicht jedoch überschritten werde;
2.
unter Berücksichtigung der wildbiologischen Gesetzmäßigkeiten eine optimale Wilddichte und ein günstiger Altersklassenaufbau erreicht sowie gesundes, starkes Wild herangehegt werde und insgesamt ein biologisch gesunder Wildstand erhalten bleibe;
3.
die jagdlichen Aufgaben, die Wildhege und Wildbewirtschaftung unter Bedachtnahme auf die Interessen der Land- und Forstwirtschaft erfüllt werden könnten.
Aus § 56 JG und der Verordnung über die Abschußrichtlinien ergibt sich, daß durch den festzusetzenden Abschußplan die Entwicklung und Erhaltung eines gesunden, der Größe und den natürlichen Äsungsverhältnissen des Jagdgebietes entsprechenden Wildstandes mit einem ausgeglichenen Geschlechterverhältnis und einem richtigen Altersaufbau gewährleistet, ein zahlenmäßig für die Land- und Forstwirtschaft abträglicher Wildstand vermieden und das Erfordernis eines ausgeglichenen Naturhaushaltes berücksichtigt werden soll.
Die Begründung eines Bescheides, mit dem ein Abschußplan abweichend vom Antrag des Ausübungsberechtigten festgesetzt wird, muß, um einer inhaltlichen Prüfung zugänglich zu sein, neben dem angestrebten Wildstand jedenfalls auch den tatsächlichen Wildstand im Jagdgebiet erkennen lassen. Nur aufgrund der Angaben über den tatsächlichen Wildstand kann nämlich beurteilt werden, ob durch den festgesetzten Abschuß den Zielen des § 56 JG und der hiezu ergangenen Verordnung entsprochen wird (vgl. hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1991, Zl. 91/19/0203, und vom 29. März 1989, Zl. 88/03/0252). Im vorliegenden Fall ergibt sich die Notwendigkeit der Feststellung des tatsächlichen Wildstandes insbesondere auch daraus, daß der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren wiederholt vorgebracht hat, der aufgetragene Abschuß könne aus dem tatsächlich bestehenden Wildstand nicht getätigt werden. Da über den tatsächlich bestehenden Wildstand keine wie immer gearteten Erhebungen durchgeführt worden sind, erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weil der Sachverhalt in einem solchen Maß ergänzungsbedürftig geblieben ist, daß es dem Verwaltungsgerichtshof unmöglich war, zu beurteilen, ob der Bescheid dem Gesetz entsprach oder nicht.
Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren auch wiederholt vorgebracht, daß Wildschäden nicht mehr neu aufgetreten seien und daß die zwei Wildverbißtrakte für das Jagdrevier nicht repräsentativ seien, weil sie sich auf zwei Hauptwechseln des Hochwildes befänden. Aufgrund der Bestimmung des § 57 Abs. 1a lit. b JG und wegen dieses Vorbringens des Beschwerdeführers wäre es Sache der belangten Behörde gewesen, die Wildschadenssituation detailliert darzustellen. Während der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft keine Ausführungen hiezu enthält, verweist der angefochtene Bescheid auf eine Stellungnahme der Bezirksforstinspektion Villach vom 2. November 1992 und hält aufgrund dieser das Vorbringen des Beschwerdeführers, es seien im Jagdgebiet keine neuen Wildschäden aufgetreten, für widerlegt. Die genannte Stellungnahme verweist nun hinsichtlich der Schälschäden lediglich undifferenziert auf Vorgänge "in den Vorjahren". Hinsichtlich der Verbißschäden ergibt sich aus der Stellungnahme, daß in den zwei Wildverbißtrakten in dem der Festsetzung des Abschußplanes vorangegangenen Zeitraum eine Verschlechterung der Verbißsituation eingetreten ist. Die belangte Behörde hat sich allerdings mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, die Ergebnisse der Wildverbißtrakte könnten wegen deren örtlicher Lage nicht auf das übrige Gebiet des Jagdrevieres übertragen werden, nicht auseinandergesetzt. Auch damit hat sie Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis gelangen hätte können.
Der angefochtene Bescheid war daher, soweit er die Festsetzung des Rotwildabschusses umfaßt gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Vorschriften über die Jagdbetriebsführung jagdliche Verbote AbschußplanEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993030059.X00Im RIS seit
03.05.2001