TE Vfgh Erkenntnis 1992/3/12 G346/91, G5/92, G6/92

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Veröffentlicht am 12.03.1992
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Index

41 Innere Angelegenheiten
41/02 Staatsbürgerschaft, Paß- und Melderecht

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsgegenstand
B-VG Art129, Art130 ff
MRK ab 1/92 siehe EMRK
EMRK Art5 Abs4
PersFrSchG 1988 Art2 Abs1 Z7
PersFrSchG 1988 Art6 Abs1
FremdenpolizeiG §5 Abs1
FremdenpolizeiG §5a Abs1
FremdenpolizeiG §11 Abs2 idF BGBl 190/1990
FremdenpolizeiG §11 Abs3

Leitsatz

Kein Widerspruch der in §11 Abs2 FremdenpolizeiG festgelegten Zuständigkeit der Sicherheitsdirektionen zur Entscheidung über Berufungen gegen Schubhaftbescheide zum in Art6 PersFrSchG 1988 normierten Recht auf Entscheidung eines Gerichts oder einer unabhängigen Behörde über eine Festnahme oder Anhaltung; Entscheidung der unabhängigen Verwaltungssenate als Haftprüfungsinstanz über die Frage der Rechtmäßigkeit der Anhaltung des Fremden hinsichtlich jeder formellen oder materiellen Rechtswidrigkeit der Schubhaft einschließlich des ihr zugrundeliegenden Schubhaftbescheides; keine Zuständigkeitskonkurrenz

Spruch

Die Anträge des Verwaltungsgerichtshofes werden, soweit sie die Wortfolge "entscheidet der Landeshauptmann, gegen dessen Entscheidung keine weitere Berufung zulässig ist" in §11 Abs2 und (in eventu) zusätzlich §11 Abs3 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. 75/1954 idF BGBl. 190/1990, betreffen, zurückgewiesen.

Im übrigen wird den Anträgen des Verwaltungsgerichtshofes keine Folge gegeben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1.1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 28. Mai 1991, Z SD 258/91, wurde - in Bestätigung des Bescheides der Bundespolizeidirektion Wien vom 28. März 1991, Z IV-281.255-Frb/91 - über A S O M, einen nigerianischen Staatsangehörigen, gemäß §5 Abs1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. 75/1954 (FrPolG), die Schubhaft verhängt.

1.1.2. Gegen diesen Bescheid ergriff A S O M eine auf Art130 Abs1 lita B-VG gestützte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

1.2.1.1. Mit Beschluß vom 2. Dezember 1991 stellte der Verwaltungsgerichtshof in dieser bei ihm zur Z91/19/0299 protokollierten Beschwerdesache den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge als verfassungswidrig aufheben:

"a)

im §11 Abs2 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. 75/1954 idF BGBl. Nr. 190/1990, die Wortfolge 'entscheidet der Landeshauptmann, gegen dessen Entscheidung keine weitere Berufung zulässig ist';

in eventu zusätzlich §11 Abs3 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. 75/1954;

b)

in eventu im §11 Abs2 leg. cit. die Wortfolge 'die Schubhaft verhängt (§5)'."

1.2.1.2. Begründend brachte der Verwaltungsgerichtshof ua. vor:

"Neben §5 Abs1 FrPolG war von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien - ungeachtet dessen, daß darauf weder im Spruch noch in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausdrücklich Bezug genommen worden ist - bei Erlassung des bekämpften Bescheides auch §11 Abs2 FrPolG idF BGBl. 190/1990 iVm §11 Abs3 FrPolG anzuwenden, und zwar insoweit, als damit die Zuständigkeit zur Entscheidung über Berufungen gegen Bescheide, mit denen die Schubhaft verhängt wurde, normiert wird. Diese Bestimmungen im vorbezeichneten Umfang sind für den Verwaltungsgerichtshof präjudiziell, da der Gerichtshof die Zuständigkeit der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien zur Entscheidung im Beschwerdefall anhand dieser Rechtsnormen zu überprüfen und diese damit anzuwenden hat. . .

Auszugehen ist davon, daß die im §5 Abs1 FrPolG geregelte Verhängung der Schubhaft mit Bescheid anzuordnen ist (vgl. etwa das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 11.6.1990, B947, 1006/89). Daran hat die Neufassung des §11 Abs2 FrPolG durch das Bundesgesetz BGBl. 190/1990 nichts geändert.

Die im §11 Abs2 FrPolG idF BGBl. 190/1990 iVm §11 Abs3 FrPolG normierte letztinstanzliche Zuständigkeit der Sicherheitsdirektion scheint dem Verwaltungsgerichtshof im Lichte des mit 1. Jänner 1991 in Kraft getretenen Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl. 684/1988, (PersFrG) bedenklich: Nach dessen Art6 Abs1 erster Satz hat jedermann, der festgenommen oder angehalten wird, das Recht auf ein Verfahren, in dem durch ein Gericht oder durch eine andere unabhängige Behörde über die Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzuges entschieden und im Fall der Rechtswidrigkeit seine Freilassung angeordnet wird. Diesem verfassungsrechtlichen Gebot hat zwar der (einfache) Bundesgesetzgeber durch die mit 1. Jänner 1991 in Kraft getretene Novelle zum FrPolG BGBl. 21/1991 in der Form Rechnung getragen, daß mit dem neu eingefügten §5 a dem in Schubhaft genommenen oder angehaltenen Fremden das Recht eingeräumt wird, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit der Festnahme oder Anhaltung anzurufen (vgl. dazu 9 und 17 BlgNR 18. GP). Allerdings wurde §11 Abs2 FrPolG idF BGBl. 190/1990 nicht geändert, sodaß der Bescheid, mit dem die Schubhaft verhängt wird, weiterhin mit Berufung an die - in letzter Instanz entscheidende - Sicherheitsdirektion (s. §11 Abs3 FrPolG) bekämpfbar ist. Da die Sicherheitsdirektion weder als Gericht noch als eine andere unabhängige Behörde iSd Art6 Abs1 erster Satz PersFrG gewertet werden kann, scheint die ihr von Gesetzes wegen eingeräumte Zuständigkeit zur letztinstanzlichen Überprüfung eines Schubhaftbescheides mit den Anforderungen des Art6 Abs1 erster Satz leg. cit. nicht in Einklang zu stehen, zumal auch die bloß nachprüfende Kontrolle eines solchen Bescheides durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts nicht ausreicht.

Für die Annahme aber, daß der unabhängige Verwaltungssenat bei Erledigung einer Beschwerde nach §5 a FrPolG idF BGBl. 21/1991 eine nachträgliche - neuerliche - inhaltliche Überprüfung eines formell rechtskräftigen Schubhaftbescheides vorzunehmen hätte, bietet die positive Rechtslage keinen Anhaltspunkt (vgl. dazu Manfred Nowak, Überprüfung der Schubhaft durch die unabhängigen Verwaltungssenate, ZfV 1991, 391 ff). Eine Auslegung dahin, daß diesbezüglich eine 'Zuständigkeitskonkurrenz' zwischen dem unabhängigen Verwaltungssenat und der Sicherheitsdirektion vorliegt, widerspräche dem durch Art83 Abs2 B-VG

gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (vgl. Manfred Nowak, aaO, 395).

Darüber hinaus würde es gegen das in Art129, 130 ff B-VG verankerte System der Verwaltungsgerichtsbarkeit verstoßen, wenn ein vom Verwaltungsgerichtshof aufgrund einer Beschwerde nach Art130 Abs1 lita B-VG als nicht mit Rechtswidrigkeit belastet erkannter Schubhaftbescheid einer neuerlichen Kontrolle in dem bereits vom Verwaltungsgerichtshof geprüften Bereich durch den unabhängigen Verwaltungssenat unterläge."

1.2.2.1. Die zur Äußerung eingeladene Bundesregierung gab zum Antrag des Verwaltungsgerichtshofes eine schriftliche Stellungnahme ab. Darin verteidigte sie die angefochtenen Gesetzesstellen und begehrte, der Verfassungsgerichtshof wolle den Antrag des Verwaltungsgerichtshofes in Beziehung auf §11 Abs3 FrPolG als unzulässig zurückzuweisen, in eventu aber aussprechen, daß die bekämpften Worte in §11 Abs2 und der §11 Abs3 FrPolG nicht als verfassungswidrig aufgehoben werden.

1.2.2.2. Im einzelnen führte die Bundesregierung ua. aus:

". . . Zur Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der vom Verwaltungsgerichtshof bekämpften Gesetzesstellen scheint es zweckmäßig, sich die für die Verhängung der Schubhaft maßgeblichen Rechtsvorschriften zu vergegenwärtigen.

Gemäß §5 Abs1 FrPolG kann ein Fremder von der Behörde zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung vorläufig in Verwahrung genommen werden (Schubhaft), wenn dies im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit oder aus dem Grunde notwendig erscheint, um ein unmittelbar zu befürchtendes strafbares Verhalten des Fremden zu verhindern.

Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (vgl. etwa VfSlg. 8038/1977, 9323/1982, 9426/1982, 9465/1982, 9999/1984) darf ein Fremder zufolge dieser Bestimmung erst in Schubhaft genommen werden, wenn ein vollstreckbarer Schubhaftbescheid vorliegt (vgl. hiezu Fessler, Fremdenrecht und Verfassung, FS Rosenzweig (1988) 100). Diese Rechtslage - die sich aus §11 Abs2 und §5 a Abs2 FrPolG ergibt - hält die Bundesregierung auch weiterhin für maßgeblich. §5 FrPolG enthält somit in Abs1 eine Regelung, unter welcher Voraussetzung ein Fremder in Schubhaft genommen werden darf und in Abs2 eine Regelung über die Höchstdauer dieser Haft.

§5 FrPolG enthielt jedoch bis zur Erlassung des §5 a keine Bestimmung, die darüber hinaus die Art und Weise der Beendigung der Schubhaft regelte. Ferner ist nach Auffassung der Bundesregierung davon auszugehen, daß es für die Beendigung der Schubhaft keines förmlichen Rechtsaktes, insbesondere keines Bescheides als contrarius actus, bedarf (in diesem Sinn auch die nunmehrige Regelung des §5 a Abs6 letzter Satz FrPolG). Die Behörde hat vielmehr - so wie dies auch bei der gerichtlichen Verwahrungs- oder Untersuchungshaft der Fall ist - die Anhaltung zu beenden, wenn die Voraussetzungen für die Verhängung der Haft weggefallen sind, also kein Aufenthaltsverbot oder keine Ausweisung mehr zu verfügen oder keine Abschiebung mehr zu sichern ist (Rosenmayr, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 10).

Weiters ergibt sich, daß der Adressat eines Schubhaftbescheides diesen gemäß §11 Abs2 und 3 FrPolG bei der Sicherheitsdirektion mit Berufung anfechten kann. Im Fall einer Festnahme ohne vorhergehende Erlassung eines Schubhaftbescheides lag nach der vor Inkrafttreten des §5 a FrPolG geltenden Rechtslage die Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vor, die gemäß Art144 Abs1 B-VG beim Verfassungsgerichtshof angefochten werden konnte. Dieser hat bei derartigen Beschwerden durchwegs geprüft, ob ein vollstreckbarer Schubhaftbescheid vorlag. War dies nicht der Fall, so hat er der Beschwerde (mit Wirkung der Feststellung eines Eingriffes in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf persönliche Freiheit) stattgegeben, andernfalls hat er die Beschwerde - mangels Vorliegens verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt - als unzulässig zurückgewiesen; die einem Schubhaftbescheid folgende Festnahme und Anhaltung waren nach dieser Rechtsprechung als Maßnahmen zur Vollstreckung eines Bescheides zu qualifizieren und wurden als solche nicht als nach Art144 Abs1 B-VG beim Verfassungsgerichtshof anfechtbare Verwaltungsakte betrachtet (vgl. zB VfSlg. 10083/1984).

Im Hinblick auf diese Judikatur wurde insofern ein Rechtsschutzdefizit deutlich, als einerseits bloß Bescheide mit Berufung angefochten und andererseits nur eine bescheidlose Festnahme als 'faktische Amtshandlung' in Beschwerde gezogen werden konnte. Im Fall der behauptetermaßen rechtswidrigen Aufrechterhaltung einer rechtmäßigen, mit Bescheid angeordneten Schubhaft fehlte es dagegen an einem Rechtsschutzinstrument.

Gemäß Art5 Abs4 EMRK hat aber jedermann, dem seine Freiheit durch Festnahme oder Haft entzogen wird, das Recht, ein Verfahren zu beantragen, in dem von einem Gericht ehetunlich über die Rechtmäßigkeit der Haft entschieden und im Fall der Widerrechtlichkeit seine Entlassung angeordnet wird. Diese Bestimmung hat bis zum Inkrafttreten des §5 a FrPolG in der österreichischen Rechtsordnung in bezug auf die Schubhaft keine gesetzliche Umsetzung erfahren. Abgesehen von der Prüfungskompetenz gemäß Art144 Abs1 B-VG - der Verwaltungsgerichtshof vertrat nach der damals gegebenen Rechtslage im Rahmen der Verfahren nach Art131 a B-VG in bezug auf das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht der persönlichen Freiheit das Bestehen eines Prüfungsmonopols des Verfassungsgerichtshofes - gab es in der österreichischen Rechtsordnung keine Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit der Fortdauer der Schubhaft durch ein Gericht prüfen zu lassen.

Im Hinblick auf die B-VG-Novelle 1988, BGBl. 685, und auf das Bundesverfassungsgesetz über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl. 684/1988, war daher in diesem Zusammenhang gerade für den Bereich des FrPolG ein legistischer Handlungsbedarf deutlich geworden. Dieser war im Zusammenhang mit der weitreichenden AVG-Novelle BGBl. 357/1990, mit der das in Art129 a Abs1 Z2 B-VG für die Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt grundgelegte Konzept auf einfachgesetzlicher Ebene umgesetzt wurde, verstärkt ins Bewußtsein getreten.

Vor dem Hintergrund des Art5 Abs4 EMRK und bei unverändertem §5 FrPolG normiert nämlich Art6 Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit (PersFrG), daß jedermann, der festgenommen oder angehalten wird, das Recht auf ein Verfahren hat, in dem durch ein Gericht oder durch eine andere unabhängige Behörde über die Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzuges entschieden und im Fall der Rechtswidrigkeit die Freilassung angeordnet wird. Die Entscheidung hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung hätte vorher geendet. Dieses Recht besteht unabhängig davon, ob die Freiheitsentziehung aufgrund des Bescheides einer Verwaltungsbehörde oder aber in Form eines Aktes der unmittelbaren Befehls- und Zwangsgewalt erfolgt.

Damit wurde aber ein Spannungsverhältnis zur Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, wie sie oben dargestellt wurde, deutlich:

Es war nämlich zu erwarten, daß die unabhängigen Verwaltungssenate - so wie der Verfassungsgerichtshof - der Meinung sein würden, die Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt liege nur dann vor, wenn ein Fremder ohne vollstreckbaren Schubhaftbescheid in Schubhaft genommen werde; damit war aber evident, daß das durch Art129 a Abs1 Z2 B-VG und durch §67 a Abs1 Z2 AVG zur Verfügung gestellte Instrumentarium nicht ausreichte, um dem Anspruch eines 'habeas-corpus-Verfahrens' iSd Art6 Abs1 PersFrG Genüge zu tun. Dieses verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht verlangte vielmehr auch die Möglichkeit, ein Gericht oder eine andere unabhängige Behörde mit der Behauptung anrufen zu können, die Rechtmäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft sei deshalb nicht (mehr) gegeben, weil die Voraussetzungen für ihre Verhängung mittlerweile weggefallen sind. Eben diese Möglichkeit war aber nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes unter dem Gesichtspunkt der Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt nicht gegeben, da diese Anhaltung als 'eine Maßnahme zur Vollstreckung des Bescheides' qualifiziert wurde.

Der Gesetzgeber hat daher in das FrPolG einen §5 a eingefügt, demzufolge jedermann, der 'in Schubhaft genommen oder angehalten wird', das Recht hat, 'den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit der Festnahme oder Anhaltung anzurufen' (Abs1). Gemäß Abs6 dieser Bestimmung hat die Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet, und die Schubhaft ist 'formlos aufzuheben, wenn der unabhängige Verwaltungssenat ihre Rechtswidrigkeit festgestellt hat.'

Art6 Abs1 PersFrG, der sich - wie auch den Erläuterungen der Regierungsvorlage 134 BlgNR 17. GP zu entnehmen ist - an Art5 Abs4 EMRK orientiert, präzisiert das danach garantierte Recht auf ehestmögliche Entscheidung dahingehend, daß eine solche Entscheidung grundsätzlich innerhalb einer Woche erfolgen muß. Dabei stellen die genannten bundesverfassungsgesetzlichen Regelungen darauf ab, daß das Gericht bzw. die unabhängige Behörde im Fall der Fortdauer der Anhaltung das Bestehen der Rechtmäßigkeit dieser Anhaltung zu dem Zeitpunkt zu überprüfen haben, in dem die Überprüfung erfolgt.

    Eine Stütze für diese Auffassung findet sich sowohl im

englischen Text des Art5 Abs4 der EMRK ('. . . by which the

lawfulness of his detention shall be decided speedily by a court

and his release ordered if the detention is not lawful') als auch

im französischen Text dieser Bestimmung (', . . . un recours devant

un tribunal afin qu'il statue a bref delai sur la legalite de sa detention et ordonne sa liberation si la detention est illegale'), aus welchen Formulierungen sich jeweils die Anknüpfung an den Zeitpunkt der Entscheidung der Überprüfung entnehmen läßt.

Diese Auffassung wurde auch im Bericht der Europäischen Kommission für Menschenrechte im Fall Winterwerp vom 15. Dezember 1977 (EuGRZ 1978, 398 ff, hier 400) vertreten; in Z89 des Kommissionsberichtes geht die Kommission davon aus, 'daß es Sache des Gerichtes iS von Art5 Abs4 EMRK ist festzustellen, daß die gesetzlichen Voraussetzungen - Zustand von Geisteskrankheit - noch vorliegen und die Fortdauer der Unterbringung rechtfertigen oder andernfalls die Entlassung des Untergebrachten erfordern'.

Die Entscheidung gemäß Art6 Abs1 PersFrG über die Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzuges ist - wie bereits erwähnt - im Lichte des Art5 Abs4 der EMRK sohin dahingehend zu verstehen, daß jedenfalls für den Fall der Fortdauer der Anhaltung für diese Entscheidung die Frage der Rechtmäßigkeit im Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel maßgeblich ist.

Für den Fall, daß die Anhaltung vorher geendet hat oder der Festnahme keine weitere Anhaltung gefolgt ist, wird sich die Prüfungsbefugnis auf den unmittelbar vor der Freilassung liegenden Zeitpunkt zu beziehen haben.

Damit ergibt sich für §5 a FrPolG, daß - im Fall der Fortdauer der Anhaltung - die Entscheidungsbefugnis des unabhängigen Verwaltungssenates grundsätzlich die Frage betrifft, ob die Anhaltung im Zeitpunkt der Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenats noch zu Recht erfolgt. Der unabhängige Verwaltungssenat ist in diesem Sinn zur Vornahme einer 'Haftprüfung' berufen.

§5 a FrPolG unterscheidet sich aber auch hinsichtlich des Prüfungsgegenstandes von §11 Abs2 leg.cit. Gemäß §5 a Abs1 FrPolG hat der unabhängige Verwaltungssenat die 'Rechtswidrigkeit der Festnahme oder Anhaltung' zu beurteilen. Die Bestimmung verweist somit auf jene Vorschriften des FrPolG, die für die Festnahme und Anhaltung in Schubhaft maßgeblich sind, insbesondere auf §5 FrPolG. Im Hinblick auf das im Art6 Abs1 PersFrG eingeräumte Grundrecht kann die Prüfung der Rechtmäßigkeit keinesfalls darauf beschränkt bleiben, ob ein Bescheid gemäß §5 FrPolG erlassen worden ist. Vielmehr hat der unabhängige Verwaltungssenat auch eine inhaltliche Prüfung vorzunehmen, die dem Art5 Abs4 EMRK und der dazu ergangenen Rechtsprechung entspricht (vgl. insbesondere die Urteile des EGMR in den Fällen Ashingdane, Weeks und Brogan).

Im Urteil im Fall Brogan hat der EGMR folgendes festgehalten:

'By virtue of paragraph 4 of Article 5, arrested or detained persons are entitled to a review bearing upon the procedural and substantive conditions which are essential for the lawfulness, in the sense of the Convention, of their deprivation of liberty.'

(Urteil vom 29.11.1988, Z65).

Nach Auffassung der Bundesregierung ist damit im Art5 Abs4 EMRK auf das innerstaatliche Recht verwiesen, was bedeutet, daß zwar keine Zuständigkeit besteht, den der Schubhaft zugrundeliegenden Bescheid zu prüfen, daß aber bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Festnahme oder Anhaltung jedenfalls auch eine inhaltliche Prüfung anhand der im §5 Abs1 FrPolG normierten gesetzlichen Voraussetzungen geboten ist.

Dabei wird der vom unabhängigen Verwaltungssenat anzulegende Prüfungsmaßstab - iS einer 'Grobprüfung' - auch nicht allein darauf bezogen werden können, ob etwa ein der Haft zugrunde liegender Schubhaftbescheid ohne Rechtsgrundlage ergangen ist, auf einer einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht widersprechenden Rechtsgrundlage beruht oder die Behörde bei der Erlassung des Bescheids eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in einer denkunmöglichen Weise angewendet hat. Zwar hat der Verfassungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen VfSlg. 7679/1974, 8076/1977 und 8607/1979 ausgesprochen, daß er sich bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit einer Freiheitsentziehung auf die Prüfung der Frage der Gesetzmäßigkeit oder denkunmöglichen Gesetzesanwendung zu beschränken habe, wenn die Freiheitsentziehung durch einen im Instanzenzug bekämpfbaren Bescheid oder durch Gerichtsurteile angeordnet worden war. Diese Rechtsprechung wird aber nicht auf den Fall der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Festnahme oder der weiteren Anhaltung nach §5 a FrPolG übertragbar sein, weil diese Bestimmung dem unabhängigen Verwaltungssenat nicht die Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines Bescheides, sondern der Gesetzmäßigkeit der Festnahme oder Anhaltung überträgt.

Zwar hat der unabhängige Verwaltungssenat gemäß §5 a FrPolG eine Festnahme und Anhaltung in Schubhaft auch danach zu prüfen, ob dem ein vollstreckbarer Schubhaftbescheid zugrunde liegt. Dies ändert aber nichts daran, daß Gegenstand der Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates - zum Unterschied vom Gegenstand der Entscheidung der Berufungsbehörde nach §11 Abs2 leg.cit. - nicht ein allenfalls erlassener Schubhaftbescheid ist, sondern die Festnahme oder Anhaltung des Betroffenen als solche (vgl. Thienel,

Das Verfahren der unabhängigen Verwaltungssenate (1991) 101).

Hiebei ist zu bedenken, daß der Gesetzgeber bei Erlassung des §5 a FrPolG die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes vor Augen hatte, daß die aus dem Schubhaftbescheid erfließende Ermächtigung, einen Fremden in Schubhaft zu nehmen und in dieser zu halten, mit der erstmaligen Festnahme und Anhaltung konsumiert ist, und daß eine neuerliche Festnahme und Anhaltung in Schubhaft eines neuerlichen Verfahrens gemäß §5 FrPolG bedarf (VfSlg. 9465/1982).

Sollte gemäß §5 a leg.cit. ein unabhängiger Verwaltungssenat daher etwa eine (weitere) Anhaltung in Schubhaft als rechtswidrig festgestellt haben, so ist kraft §5 a Abs6 FrPolG der Betroffene von Gesetzes wegen freizulassen und bietet ein allenfalls erlassener Schubhaftbescheid auch dann keine taugliche Grundlage für eine neuerliche Festnahme und Anhaltung des Betroffenen, wenn eine Berufung gegen diesen Bescheid von der Sicherheitsdirektion abgewiesen wird. Im übrigen bleibt aber die Zuständigkeit der Sicherheitsdirektion in einem solchen Fall insofern unberührt, als diese im Berufungsverfahren über die Rechtmäßigkeit des Schubhaftbescheides sowie der Festnahme und Anhaltung des Betroffenen bis zum Zeitpunkt vor der Freilassung des Betroffenen zu befinden hat.

Die Zuständigkeit der Berufungsbehörde hat sich daher gegenüber der Rechtslage vor Inkrafttreten des §5 a FrPolG insofern nicht geändert, als sie auch nach der alten Rechtslage nach erfolgter Freilassung des Betroffenen über die Rechtmäßigkeit des Schubhaftbescheides sowie der Schubhaft bis zur Freilassung zu entscheiden hatte (vgl. VfSlg. 9465/1982).

Daraus ergibt sich, daß die vom Verwaltungsgerichtshof in den bekämpften Gesetzesstellen erblickte Zuständigkeitskonkurrenz deswegen nicht gegeben erscheint, weil - anders als der Verwaltungsgerichtshof annimmt - Gegenstand der Überprüfungsbefugnis des unabhängigen Verwaltungssenates die Frage der Rechtmäßigkeit der (weiteren) Festnahme oder Anhaltung, Gegenstand der Überprüfungsbefugnis der Sicherheitsdirektion als Berufungsbehörde aber die Rechtmäßigkeit des die Schubaft anordnenden Bescheides schlechthin ist.

Die Regelung des §11 Abs2 FrPolG, wonach über 'Berufungen gegen Bescheide, mit denen die Schubhaft verhängt . . . wurde, der Landeshauptmann entscheidet, gegen dessen Entscheidung keine weitere Berufung zulässig ist', kann daher auch im Lichte des Art83 Abs2 B-VG neben §5 a FrPolG bestehen.

Auch den im letzten Absatz des Antrages vorgebrachten Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes, es widerspreche dem in den Art129, 130 ff B-VG verankerten System der Verwaltungsgerichtsbarkeit, wenn ein vom Verwaltungsgerichtshof als nicht mit Rechtswidrigkeit belastet erkannter Schubhaftbescheid einer neuerlichen Kontrolle durch den unabhängigen Verwaltungssenat unterworfen würde, ist daher entgegenzuhalten, daß sich die Kontrollbefugnis des unabhängigen Verwaltungssenates nicht auf den Schubhaftbescheid, sondern auf die Frage der Rechtmäßigkeit der Aufrechterhaltung der Schubhaft bezieht. So gesehen ist aber keine Konkurrenz zwischen der nachträglichen Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes einerseits und der Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates, über die Aufrechterhaltung der Schubhaft pro futuro zu befinden, gegeben. . ."

1.3. Der Verwaltungsgerichtshof stellte in weiteren bei ihm anhängigen Beschwerdesachen Gesetzesprüfungsanträge, die mit dem geschilderten Antrag gleich lauten und auf seine Begründung verweisen. Sie sind beim Verfassungsgerichtshof zu den Zahlen G5/92 und G6/92 protokolliert.

Die Bundesregierung verwies dazu auf die Äußerung, die sie zu G346/91 abgegeben hatte.

1.4. §11 Abs2 und 3 FrPolG idF BGBl. 190/1990 lauten:

"(2) Über Berufungen gegen Bescheide, mit denen ein Aufenthaltsverbot erlassen, die Schubhaft verhängt (§5), ein Antrag auf Bewilligung der Einreise (§6 Abs1) abgewiesen oder die Ausweisung verfügt wurde, entscheidet der Landeshauptmann, gegen dessen Entscheidung keine weitere Berufung zulässig ist.

(3) Bis zum Inkrafttreten des im §1 des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. Nr. 142/1946 angekündigten Bundesverfassungsgesetzes sind die Aufgaben, die den Landeshauptmännern nach diesem Bundesgesetz zukommen, von den Sicherheitsdirektionen zu besorgen."

2. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Zu den Prozeßvoraussetzungen

2.1.1.1. Soweit der Verwaltungsgerichtshof die Wortfolge "entscheidet der Landeshauptmann, gegen dessen Entscheidung keine weitere Berufung zulässig ist" in §11 Abs2 FrPolG anficht (Hauptanträge), greift er einen Teil einer - insoweit - untrennbaren Gesetzesbestimmung an:

Der umschriebene Teil des §11 Abs2 FrPolG ist für das Verständnis dieses Absatzes insgesamt unentbehrlich: Der (nach der angestrebten Aufhebung) verbleibende Rest dieser Gesetzesstelle wäre nämlich als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar; er ist daher mit dem angefochtenen Satzteil untrennbar verbunden (vgl. VfGH 26.11.1990 G24/90).

Daraus folgt, daß die Anträge jedenfalls zu eng gehalten wurden. Sie sind daher als unzulässig zurückzuweisen.

2.1.1.2. Die Anträge, §11 Abs3 FrPolG aufzuheben, sind zwar in eventu, aber nur zusätzlich zu den geschilderten Anträgen gestellt. Sie teilen daher ihr Schicksal und sind ebenfalls als unzulässig zurückzuweisen.

2.1.2. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist der Verwaltungsgerichtshof zur Stellung eines Antrags iS des Art139 bzw. 140 B-VG dann legitimiert, wenn die - angefochtene - Norm denkmöglicherweise eine Voraussetzung der Entscheidung im Anlaßbeschwerdefall bildet (vgl. zB VfSlg. 9284/1981, 10311/1984).

Dies ist hier, jedenfalls soweit der Verwaltungsgerichtshof die Wortfolge "die Schubhaft verhängt (§5)" in §11 Abs2 FrPolG anficht, der Fall.

Da die übrigen Prozeßvoraussetzungen gleichfalls vorliegen, ist der (Eventual-)Antrag des Verwaltungsgerichtshofes nach Art140 B-VG zulässig.

2.2. Zur Sache

2.2.1. Gemäß Art2 Abs1 Z7 des - am 1. Jänner 1991 in Kraft getretenen - Bundesverfassungsgesetzes vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl. 684 (PersFrG), darf die persönliche Freiheit einem Menschen auf die gesetzlich vorgesehene Weise ua. entzogen werden, "wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern". Nach Art6 dieses Bundesverfassungsgesetzes hat jedermann, der festgenommen oder angehalten wird, das Recht auf ein Verfahren, in dem durch ein Gericht oder durch eine andere unabhängige Behörde über die Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzuges entschieden und im Fall der Rechtswidrigkeit seine Freilassung angeordnet wird. Diese Entscheidung hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung hätte vorher geendet. Der Ausdruck "Ausweisung" in Art2 Abs1 Z7 PersFrG umfaßt vom Wortsinn her alle fremdenpolizeilichen Maßnahmen, die darauf abzielen, daß der Fremde das Land verlasse (vgl. Art5 Abs1 litf EMRK, Art3 Abs1, Art4 des 4. ZPEMRK, Art1 des 7. ZPEMRK). Der Sicherung einer beabsichtigten Ausweisung iSd Art2 Abs1 Z7 PersFrG dient die in §5 FrPolG geregelte Schubhaft dann, wenn sie "zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung" (§5 Abs1 Fall 1 FrPolG) oder "zur Sicherung der Abschiebung" (§5 Abs1 Fall 2 FrPolG) verhängt wird. Die Schubhaft setzt die Erlassung eines entsprechenden (Schubhaft-)Bescheides - zwingend - voraus, den der Fremde gemäß §11 Abs2 und 3 FrPolG mit Berufung an die Sicherheitsdirektion anfechten kann. Festnahme und Anhaltung auf Grund eines (vollstreckbaren) Schubhaftbescheides stellen sich nach herrschender Auffassung als bloße Vollstreckungsmaßnahmen dar.

Mit dem Bundesgesetz BGBl. 21/1991 wurde dem FrPolG ein §5 a eingefügt, der am 1. Jänner 1991 (rückwirkend) in Kraft trat (ArtII BGBl. 21/1991) und in seinem Abs1 bestimmt:

"Wer in Schubhaft genommen oder angehalten wird, hat das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit der Festnahme oder Anhaltung anzurufen."

2.2.2.1. Der Verwaltungsgerichtshof vertritt nun die Meinung, daß §11 Abs2 FrPolG der Verfassungsnorm des Art6 Abs1 Satz 1 PersFrG widerspreche, weil es sich bei der zur Entscheidung über Berufungen gegen Schubhaftbescheide zuständigen Sicherheitsdirektion um kein Gericht oder eine andere unabhängige Behörde handle, weil - sollte dem unabhängigen Verwaltungssenat die Befugnis zur nachträglichen abermaligen Überprüfung eines Schubhaftbescheides zukommen - eine verfassungsgesetzlich unzulässige Zuständigkeitskonkurrenz zwischen dem Verwaltungssenat (§5 a FrPolG) und der Sicherheitsdirektion (§11 Abs2 FrPolG) bestünde und weil dann die neuerliche Überprüfung eines vom Verwaltungsgerichtshof auf Grund einer Beschwerde als nicht rechtswidrig erkannten Schubhaftbescheides gegen das in Art129, 130 ff B-VG verankerte System der Verwaltungsgerichtsbarkeit verstieße.

2.2.2.2. Der Verfassungsgerichtshof vermag dieser Rechtsmeinung aus folgenden Überlegungen nicht beizupflichten:

Ein Beschwerderecht nach §5 a Abs1 FrPolG steht (nur) jenen Personen zu, die - tatsächlich - in Schubhaft genommen und angehalten werden. Diese einfachgesetzliche Regelung entspricht der Verfassungsvorschrift des Art6 Abs1 PersFrG, die jedermann, der festgenommen oder angehalten wird, somit allen bereits festgenommenen oder angehaltenen Personen (nicht aber in Freiheit befindlichen Adressaten eines Schubhaftbescheides), die Anrufung eines Gerichtes oder einer anderen unabhängigen Behörde garantiert. Die Befugnis, den unabhängigen Verwaltungssenat mit Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid anzurufen, räumt §5 a FrPolG seinem klaren Wortlaut nach dem Bescheidadressaten nicht ein. Gegenstand einer Beschwerde nach §5 a Abs1 FrPolG ist daher nicht ein derartiger Schubhaftbescheid - ihn zu überprüfen obliegt gemäß §11 Abs2 und 3 FrPolG allein der Sicherheitsdirektion als Berufungsinstanz -, sondern die Festnahme und Anhaltung (des Fremden) selbst. Der Verfassungsgerichtshof ist aus den von der Bundesregierung hiezu eingehend dargelegten Gründen der Auffassung, daß der unabhängige Verwaltungssenat - als Haftprüfungsinstanz - nach §5 a FrPolG über die Frage der Rechtmäßigkeit der Anhaltung (in die jede - tatsächliche - Inhaftnahme für wenn auch noch so kurze Zeit mündet) im Zeitpunkt seiner Entscheidung - so aber die Haft schon früher endete: in dem unmittelbar vor der Freilassung liegenden Zeitpunkt - zu befinden hat. Der Prüfungsmaßstab, den der mit Beschwerde angerufene unabhängige Verwaltungssenat seiner Kontrolle zugrundelegen muß, kann angesichts des Gesetzeswortlautes und unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks des Art6 PersFrG nicht zweifelhaft sein: §5 a FrPolG gibt dem Schubhäftling das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat als Beschwerdeinstanz mit der Behauptung der "Rechtswidrigkeit" der Festnahme/Anhaltung anzurufen. Demgemäß hat dieser Senat die Frage der (formellen wie materiellen) Rechtmäßigkeit der Anhaltung (im Zeitpunkt seiner Entscheidung, gegebenenfalls im Zeitpunkt unmittelbar vor der Freilassung) nach jeder Richtung hin selbständig zu untersuchen und jedwede unterlaufene Gesetzwidrigkeit, also nicht etwa nur qualifiziert rechtswidriges behördliches Handeln, festzustellen und aufzugreifen, wie die Bundesregierung der Sache nach richtig dartut. Daß der Inhaftnahme des Fremden die Erlassung eines Schubhaftbescheides (der vollstreckbar wurde) vorausgegangen sein und zugrundeliegen muß, ist dabei nur eine der mehreren gesetzlichen Voraussetzungen der (fortdauernden) Haftanhaltung, deren Zutreffen der unabhängige Verwaltungssenat in Behandlung einer Beschwerde nach §5 a Abs1 FrPolG voll zu prüfen hat.

Das Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes, §11 Abs2 FrPolG verstoße gegen Art6 Abs1 erster Satz PersFrG, trifft also aus den ausgebreiteten Überlegungen nicht zu.

Da der unabhängige Verwaltungssenat nach dem Gesagten nicht - neben der Sicherheitsdirektion - zur Überprüfung eines der Inhaftnahme (des Fremden) zugrundeliegenden Schubhaftbescheides zuständig ist, sondern - davon unabhängig - zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Haftfortdauer, kann auch von einer verfassungsgesetzlich unzulässigen Zuständigkeitskonkurrenz, wie sie der Verwaltungsgerichtshof gegeben sieht, ebensowenig gesprochen werden wie von einem Verstoß des §11 Abs2 FrPolG gegen die Art129 und 130 ff B-VG:

Der Bundesgesetzgeber, der nach dem schon Gesagten in Befolgung des Verfassungsauftrags (Art6 PersFrG) jedem verwaltungsbehördlich in Schubhaft genommenen Fremden das Recht zur Erhebung einer Beschwerde sogleich an eine unabhängige Behörde - mit dem Ziel der Prüfung der Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzuges - einräumte (§5 a Abs1 FrPolG), war verfassungsgesetzlich nicht dazu verpflichtet, das dieser Haft kraft der Bestimmungen des FrPolG vorgeschaltete Administrativverfahren umzugestalten oder auf ein derartiges, die Betroffenen vor verfahrensfreier Inhaftnahme schützendes Verfahren überhaupt zu verzichten. Vielmehr durfte er sich, ohne daß der Verfassungsgerichtshof die Zweckmäßigkeit dieser Rechtslage zu beurteilen hätte, auch darauf beschränken, ein erst mit dem tatsächlichen Freiheitsentzug einsetzendes neues Kontrollregime einzurichten, das einem bereits Festgenommenen - und nur ihm - das Recht auf eine unmittelbare (Haft-)Beschwerde an einen unabhängigen Verwaltungssenat gewährt. Macht der Festgenommene von diesem Beschwerderecht Gebrauch und entscheidet daraufhin der unabhängige Verwaltungssenat über die Rechtmäßigkeit der Haft, wirkt die Senatsentscheidung als neuer (Titel-)Bescheid, der im Fall der Beschwerdestattgebung die Haftaufhebung, im Fall der - mit der Feststellung der Rechtmäßigkeit der Haft verbundenen - Abweisung der Beschwerde aber die Haftfortdauer zur Folge hat und den Schubhaftbescheid notwendig gegenstandslos werden läßt.

2.2.3. Die Anträge waren - soweit sie zulässig waren - als unbegründet abzuweisen, da die geltend gemachten, die Grenzen der verfassungsgerichtlichen Prüfung absteckenden verfassungsrechtlichen Bedenken nicht zutreffen.

Schlagworte

Fremdenpolizei, Schubhaft, Unabhängiger Verwaltungssenat

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1992:G346.1991

Dokumentnummer

JFT_10079688_91G00346_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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