Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Händschke, Dr. Bernegger und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des F in K, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in V, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten vom 12. November 1993, Zl. Wa-960-2/93, betreffend Waffenverbot, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren hinsichtlich der Stempelgebühren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten vom 12. November 1993 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 12 Abs. 1 Waffengesetz 1986 (WaffG) der Besitz von Waffen und Munition "auf unbestimmte Zeit" verboten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Gemäß § 12 Abs. 1 WaffG, in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 520/1994, hat die Behörde einer Person den Besitz von Waffen und Munition zu verbieten, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß diese Person durch mißbräuchliche Verwendung von Waffen die öffentliche Sicherheit gefährden könnte. Diese Vorschrift dient der Verhütung einer mißbräuchlichen Verwendung von Waffen und setzt nicht voraus, daß bereits tatsächlich eine mißbräuchliche Verwendung durch jene Person erfolgt ist, gegen die das Waffenverbot verhängt wird. Vielmehr genügt es, wenn konkrete Umstände vorliegen, die die Besorgnis erwecken, daß von der Waffe ein die Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit beeinträchtigender gesetz- und zweckwidriger Gebrauch gemacht werden könnte. Hiebei ist nach dem dem WaffG allgemein innewohnenden Schutzzweck bei der Beurteilung der auch mit dem Besitz von Schußwaffen verbundenen Gefahr ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. unter anderem das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. September 1992, Zl. 91/01/0244, mit weiteren Judikaturhinweisen).
Die belangte Behörde hat die Verhängung des Waffenverbotes gegen den Beschwerdeführer zusammenfassend damit begründet, daß als maßgebliche Tatsachen im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG das unbefugte Führen einer Faustfeuerwaffe auf dem nicht eingefriedeten Grundstück des Beschwerdeführers und "Gutachten bzw. Befund der Ärzte Dr. R, Dr. V", wonach wegen der psychischen Erkrankung des Beschwerdeführers Waffen in seinen Händen eine Gefahr darstellten und er daher davon fernzuhalten sei, anzusehen seien. Daraus geht nicht hervor, ob die belangte Behörde der Ansicht war, nur das kumulative Vorliegen dieser beiden Tatsachen rechtfertige die von ihr getroffene Annahme, oder ob ihrer Auffassung nach jede einzelne dieser beiden Tatsachen für sich allein hiefür genügte.
Hinsichtlich des unbefugten Führens einer Faustfeuerwaffe stellte die belangte Behörde auf Grund der eigenen Angaben des Beschwerdeführers fest, daß er mit seiner Pistole mit scharfer Munition auf seinem Grundstück "Schießübungen" durchgeführt habe. Dieses Grundstück grenze direkt an einen öffentlichen Weg, der etwa 5 m breit sei und "über den" sich in einer Entfernung von ca. 50 bis 80 m vier Nachbarhäuser befänden. Da das Grundstück nicht eingefriedet sei, habe der Beschwerdeführer gemäß § 5 WaffG eine Schußwaffe geführt; als Inhaber einer Waffenbesitzkarte sei ihm gemäß § 16 leg. cit. nur der Erwerb und Besitz einer solchen Waffe erlaubt gewesen. Der Beschwerdeführer macht mit Recht geltend, daß bloß daraus, daß eine Faustfeuerwaffe unbefugt geführt wurde, noch nicht darauf geschlossen werden könnte, daß die Gefahr einer mißbräuchlichen Verwendung von Waffen im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG besteht. Es müßten vielmehr für eine derartige Annahme weitere Umstände hinzutreten. Die festgestellte Örtlichkeit reicht hiebei schon deshalb nicht aus, weil der Beschwerdeführer - worauf die belangte Behörde überhaupt nicht Bedacht genommen hat - in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 9. November 1992, deren inhaltliche Ausführungen er am 4. März 1993 niederschriftlich zu seiner "Aussage erhoben" hat, angegeben hat, daß er seine Pistole mit scharfer Munition "dergestalt getestet" habe, daß er hinter seinem Haus auf eine Schießscheibe vier "Probeschüsse" abgegeben und dabei sein Ziel derart abgesichert habe, "daß hinter der Schießscheibe drei 50 mm dicke Pfosten gestanden sind und sich hinter diesen Pfosten eine ausreichend große Betonwand (zur Mistgrube hin) befindet". Abgesehen davon, daß dieser Vorfall nach den Angaben des Beschwerdeführers bereits zu Ostern 1990 stattfand und die belangte Behörde nicht davon ausgegangen ist, daß der Beschwerdeführer seither bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides von einer Schußwaffe neuerlich Gebrauch gemacht hat, bedürfte es auch der Heranziehung dieses Vorfalles für die von der belangten Behörde vorgenommene rechtliche Beurteilung nicht, wenn unabhängig davon ein schlüssiges psychiatrisches Gutachten, das für eine Annahme im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG spräche, vorläge.
Diesbezüglich nahm die belangte Behörde darauf Bezug, daß der Beschwerdeführer "über Veranlassung der Bezirkshauptmannschaft" von der Fachärztin für Psychiatrie Dr. R untersucht worden sei und diese in ihrem "Gutachten" zu folgendem Ergebnis komme:
"Bei Herrn F handelt es sich um ein chronifiziertes paranoides Zustandsbild mit sozialem Rückzug und Vergiftungs- und Beeinträchtigungsideen, das vorwiegend gegen Nachbarn gerichtet ist. Da seine Beobachtungen und Befürchtungen wahnhaften Charakter tragen, stellen Waffen in seinem Besitz sicherlich eine gewisse Gefahr dar, da der Realitätsbezug nicht mehr gegeben ist und zusätzlich die soziale Isolierung im Sinne einer Affektstauung auswirken kann. Handlungen zum vermeintlichen Selbstschutz sind also nicht auszuschließen."
Auf Grund dieses "Befundes" komme die Amtsärztin Dr. V zum Schluß, daß "wegen der Erkrankung" dem Beschwerdeführer seine "Waffen nicht mehr auszuhändigen sind und die WBK zu entziehen ist".
Der belangten Behörde ist entgegenzuhalten, daß ein taugliches Sachverständigengutachten, das in seinem Befund alle jene Grundlagen und die Art ihrer Beschaffung zu nennen hat, die für das Gutachten im engeren Sinn, nämlich die sich darauf stützenden tatsächlichen Schlußfolgerungen, erforderlich ist, im Beschwerdefall nicht vorliegt (vgl. unter anderem das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. November 1991, Zl. 91/01/0103, mit weiteren Judikaturhinweisen). Aktenkundig ist, daß die Amtsärztin Dr. V auf Grund des Ersuchens der Erstbehörde den Beschwerdeführer nach einem Gespräch "zur Abklärung seiner geistigen Möglichkeiten, mit Waffen umzugehen, zu einer psychiatrischen Beurteilung zugewiesen" hat. Ein abschließendes Gutachten wurde aber von ihr als dem gemäß § 52 Abs. 1 AVG bestellten Amtssachverständigen nicht erstattet. Der Beschwerdeführer rügt zutreffend, daß sich ihr "Gutachten" ausschließlich in der - alleine der Behörde zustehenden - Beantwortung einer Rechtsfrage erschöpft, wobei im übrigen zum Ausdruck gebracht wurde, daß dem Beschwerdeführer "sein Waffenbesitzschein bzw. Waffenpaß zu entziehen" sei, jedoch der Entzug waffenrechtlicher Urkunden gemäß § 20 Abs. 1 in Verbindung mit § 6 WaffG von der mangelnden Verläßlichkeit abhängig und das Waffenverbot insofern, als der Tatbestand des § 12 Abs. 1 WaffG eine (anzunehmende) qualifiziert rechtswidrige Verwendung von Waffen, nämlich Mißbrauch, voraussetzt, an strengere Voraussetzungen geknüpft ist (vgl. unter anderem die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Oktober 1987, Zl. 87/01/0140, und vom 16. Oktober 1991, Zl. 91/01/0026). Selbst wenn man aber der Meinung sein sollte, die Amtsärztin habe sich das "Gutachten" Dris. R zu eigen gemacht und es könne daraus der in rechtlicher Hinsicht von der belangten Behörde gezogene Schluß (auch noch bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides) abgeleitet werden, wäre dem Verwaltungsgerichtshof eine nachprüfende Kontrolle des angefochtenen Bescheides auf seine Rechtmäßigkeit verwehrt. Ein "Gutachten" Dris. R findet sich nicht in den vorgelegten Verwaltungsakten, sondern es wurde lediglich unter Hinweis auf ein solches "Gutachten" dessen "Ergebnis" in dem das "Gutachten" der Amtsärztin enhaltenden Schreiben vom 22. Oktober 1992 wiedergegeben. Wie Dr. R zu diesem "Ergebnis" gelangt ist, insbesondere welche Untersuchungen sie im Rahmen ihrer Befundaufnahme angestellt hat und was sie im einzelnen erbracht haben, ist daraus nicht zu entnehmen. Auch dem Beschwerdeführer wurde insoweit nur dieses "Ergebnis" zur Kenntnis gebracht, sodaß es auch ihm nicht möglich war, dazu eingehend Stellung zu nehmen. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde schadet dem Beschwerdeführer der Umstand, daß er das von der Erstbehörde "vorgeschlagene" Gegengutachten nicht beigebracht hat, mangels Vorliegens eines mängelfreien Gutachtens, das die rechtliche Annahme der belangten Behörde zu tragen geeignet wäre, nicht.
Da somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben, ohne daß noch auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen gewesen wäre.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren hinsichtlich der Stempelgebühren (in Höhe von S 120,--) war abzuweisen, weil der Beschwerde nur eine einzige Ausfertigung des angefochtenen Bescheides beizulegen war.
Schlagworte
Anforderung an ein Gutachten Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Sachverständigenbeweis Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung MitwirkungspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993011539.X00Im RIS seit
25.04.2001