TE Vfgh Erkenntnis 1992/3/13 G23/92, G24/92, G25/92, G26/92, G27/92, G28/92, G29/92, G30/92, G31/92,

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Veröffentlicht am 13.03.1992
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung
62/01 Arbeitsmarktverwaltung

Norm

B-VG Art18 Abs1
B-VG Art83 Abs2
AuslBG §20 Abs1 idF BGBl 450/1990

Leitsatz

Verfassungswidrigkeit der die Zuständigkeit des Landesarbeitsamtes zur Entscheidung über die Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen regelnden Bestimmung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes in der Fassung der Novelle 1990

Spruch

Der zweite Satz des §20 Abs1 Ausländerbeschäftigungsgesetz, BGBl. Nr. 218/1975, in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 450/1990, war verfassungswidrig.

Dieser Satz ist auch auf die derzeit beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Fälle nicht mehr anzuwenden.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Das Verfahren betrifft die Regelung der Zuständigkeit zur Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen für Ausländer nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), BGBl. 218/1975, in der Fassung der Novelle BGBl. 450/1990. Es schließt an das Verfahren G310-314/91 zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Rechtslage vor dieser Novelle an, das durch Erkenntnis vom heutigen Tag mit der Feststellung der Verfassungswidrigkeit jener Wortfolge in §20 Abs1 AuslBG in der Stammfassung beendet wurde, nach der in gewissen Fällen über der Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung das Landesarbeitsamt zu entscheiden hat. Diese Bestimmung verstieß gegen das aus Art18 im Verbindung mit Art83 Abs2 B-VG abzuleitende Gebot der genauen Regelung der Behördenzuständigkeit im Gesetz.

In der mit 1. Oktober 1990 in Geltung getretenen Fassung BGBl. 450/1990 legt §20 Abs1 AuslBG in seinem ersten Satz die Zuständigkeit des Arbeitsamtes fest und fährt im zweiten Satz wie folgt fort:

"Nach Überschreitung festgelegter Landeshöchstzahlen (§§13 und 13a) hat über die Anträge auf Sicherungsbescheinigung und auf Beschäftigungsbewilligung das zuständige Landesarbeitsamt zu entscheiden."

Aus Anlaß der zu B455,464,803,932,1067-1070,1082,1230/91 und zu B34,90/92 anhängigen Beschwerden gegen Bescheide des Bundesministers für Arbeit und Soziales, die Bescheide von Landesarbeitsämtern bestätigen, mit denen Anträge der Beschwerdeführer auf Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen für Ausländer mit der Begründung abgewiesen werden, die festgelegte Landeshöchstzahl im Sinne des §20 Abs1 (iVm den §§13 und 13a) AuslBG sei überschritten, hat der Verfassungsgerichtshof von Amts wegen die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit dieses Satzes beschlossen und dazu unter Bezugnahme auf den Prüfungsbeschluß zu G310-314/91 ausgeführt:

"Es scheint, daß auf diesen zweiten Satz des §20 Abs1 AuslBG idF BGBl. 450/1990 dasselbe Bedenken zutrifft, das dem genannten Prüfungsbeschluß zugrundeliegt. Denn dieser Satz unterscheidet sich von jener Wortfolge anscheinend nur durch seine sprachliche Selbständigkeit und den Umstand, daß an die Stelle der Überschreitung von Kontingenten nach §12 (§4 Abs6 in der Stammfassung) die Überschreitung der Landeshöchstzahlen nach den §§13 und 13a AuslBG getreten ist, was aber für die verfassungsrechtliche Beurteilung unter dem Blickwinkel der Art18 und 83 Abs2 B-VG keinen Unterschied machen dürfte."

Die Bundesregierung hat wie im Verfahren G310-314/91 auch in diesen Fällen auf eine Äußerung verzichtet.

II. Die Gesetzesprüfungsverfahren sind zulässig. Die Verfahren haben nichts ergeben, was an der Zulässigkeit der Anlaßbeschwerden oder der Präjudizialität des in Prüfung gezogenen Satzes zweifeln ließe. Auch sonst sind die Prozeßvoraussetzungen gegeben.

III. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes sind auch begründet. Es ist nichts hervorgekommen, was die Bedenken zerstreut hätte. Da sie jenen im vorausgegangenen Gesetzesprüfungsverfahren entsprechen, kann auf das Ergebnis dieses Verfahrens verwiesen werden. Auch der zweite Satz des §20 Abs1 des AuslBG idF BGBl. 450/1990 verstößt gegen das aus Art18 im Verhältnis mit Art83 Abs2 B-VG abzuleitende Gebot der genauen Regelung der Behördenzuständigkeit im Gesetz.

IV. Durch die am 1. Jänner 1992 in Kraft getretene Novelle BGBl. 684/1991 wurde der zweite - und zugleich letzte - Satz in §20 Abs1 aufgehoben (ArtI Z5). Auch in diesem Fall kann der Verfassungsgerichtshof daher nur mehr feststellen, daß der in Prüfung gezogene Satz verfassungswidrig war.

Da ferner auch beim Verwaltungsgerichtshof Beschwerden gegen Bescheide anhängig sind, die sich auf die hier als verfassungswidrig erkannte Wortfolge stützen, eine rechtzeitige - zur förmlichen Einbeziehung in den laufenden Verfahren führende - Antragstellung aber nicht mehr möglich war, dehnt der Verfassungsgerichtshof die Wirkung der Feststellung auch diesmal auf die im Zeitpunkt seiner Beratung und Entscheidung beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Fälle insgesamt aus (Art140 Abs7 B-VG; vgl. G310-314/91 vom 10. März 1992).

Der Ausspruch über die Kundmachung stützt sich auf Art140 Abs5 B-VG.

Da von einer mündlichen Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war, hat der Gerichtshof von einer mündlichen Verhandlung abgesehen (§19 Abs4 VerfGG).

Schlagworte

Arbeitsrecht, Ausländerbeschäftigung, Behördenzuständigkeit, Determinierungsgebot

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1992:G23.1992

Dokumentnummer

JFT_10079687_92G00023_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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