TE Vwgh Erkenntnis 1994/9/21 94/03/0061

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Veröffentlicht am 21.09.1994
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs1;
AVG §45 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Sauberer, DDr. Jakusch, Dr. Gall und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Werner, über die Beschwerde der P-Gesellschaft m.b.H. in X, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 13. Jänner 1994, Zl. MA 63 - B 431/93, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einem Verfahren wegen Entziehung einer Gewerbeberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit erstbehördlichem Bescheid vom 23. Juni 1993 wurde der Beschwerdeführerin die Gewerbeberechtigung zur Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen gemäß § 130 III GewO 1973, beschränkt auf zwei Kraftfahrzeuge, in einem näher bezeichneten Standort entzogen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies der Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 13. Jänner 1994 gemäß § 66 Abs. 4 AVG als verspätet zurück. Er begründete diese Entscheidung damit, die Berufung sei unbestrittenermaßen am 14. Juli 1993 zur Post gegeben worden. Zum Zeitpunkt der Zustellung könne festgestellt werden, daß der gegenständliche Rückschein den 28. Juni 1993 als Aufgabetag aufweise und daß der Stempel des Zustellpostamtes das Datum 29. Juni 1993 trage. Auch auf der Übernahmebestätigung werde als Tag der Zustellung der 29. Juni 1993 bezeichnet. Auf dem bei der Beschwerdeführerin verbliebenen Zustellkuvert befinde sich jedoch ein Poststempel mit dem Datum "30. Juni 1992". Zu dieser Differenz habe das Zustellpostamt mitgeteilt, zum fraglichen Zeitpunkt sei der Poststempel nach dem 28. Juni 1993 unrichtigerweise auf den 30. Juni 1992 umgestellt worden. Erst nachdem schon einige Postsendungen falsch gestempelt worden seien, sei der Stempel richtiggestellt worden. Der als Zeuge vernommene Zusteller habe den 29. Juni 1993 als Zustelldatum bestätigt und ausgeführt, dieses Datum habe er ebenso wie die Funktion des Ersatzzustellers (Arbeitnehmer) eigenhändig am Rückschein vermerkt. Auch der Zusteller habe in seiner Zeugenaussage bestätigt, daß der Poststempel unrichtig umgestellt worden sei, was er aber bei Verwendung des Poststempels im konkreten Fall nicht weiter überprüft habe. Auch die Person, die die Postsendung als Ersatzempfänger übernommen habe, sei als Zeuge einvernommen worden. Auch diese habe erklärt, nach genauem Überlegen sicher zu sein, daß der Tag der Zustellung vom Zusteller richtig ausgefüllt worden sei und sie den Bescheid tatsächlich am 29. Juni 1993 übernommen habe. Zu einer im Akt erliegenden Erklärung vom 6. August 1993, in welcher er bestätigt habe, die Zustellung sei am 30. Juni 1993 erfolgt, habe dieser Zeuge ausgeführt, dieses Schriftstück sei von der Beschwerdeführerin verfaßt und ihm zur Unterschrift vorgelegt worden. Er habe diese Erklärung unkritisch unterschrieben, da man ihm versichert habe, er müsse sich geirrt haben. Mit diesem Ermittlungsergebnis konfrontiert habe die Beschwerdeführerin ausgeführt, der Ersatzempfänger sei sich anläßlich der Erklärung vom 6. August 1993 völlig sicher gewesen, das fragliche Poststück am 30. Juni 1993 übernommen zu haben. Da er aber leicht nervös werde, sei seine Meinungsunsicherheit zu erklären. Grundsätzlich sei dazu zu sagen, daß Ersatzempfänger eine andere Person (Herr W), ein langjähriger Firmenmitarbeiter, sei. Die Person, die im konkreten Fall das Poststück übernommen habe, dürfe die Post nur bei Abwesenheit des Herrn W übernehmen. Laut Personalliste sei am 29. Juni 1993 Herr W im Betrieb anwesend gewesen, jedoch habe er am 30. Juni 1993 einen Urlaubstag gehabt. Dadurch sei der als Zeuge vernommene Ersatzempfänger gezwungen gewesen, die Post am 30. Juni 1993 zu übernehmen und nicht am 29. Juni 1993, wie er jetzt glaube, sich erinnern zu können.

Die belangte Behörde leitete aus diesem Ermittlungsergebnis ab, die Zustellung des angefochtenen Bescheides sei am 29. Juni 1993 erfolgt. Die Zeugenaussage des Zustellers sei schlüssig und widerspruchsfrei und es ergäben sich keinerlei Hinweise auf eine unrichtige Aussage. Aus dieser Aussage lasse sich im Zusammenhang mit dem Stempel des Zustellpostamtes mit Datum 29. Juni 1993 auf dem Rückschein ableiten, daß der Rückschein am 29. Juni 1993 an die Behörde zurückgesendet worden sei. Auch das Datum der Übernahme sowie die Zeugenaussage des Ersatzempfängers sprächen dafür. Daß es sich bei dem Stempelaufdruck auf dem Zustellkuvert um einen Irrtum handeln müsse, erkenne man auch an der falschen Jahreszahl. Wenn die Beschwerdeführerin meine, die im konkreten Fall als Ersatzempfängerin aufgetretene Person sei nur dann befugt, RSb-Briefe zu übernehmen, wenn der Arbeitnehmer W nicht anwesend sei, was nur am 30. Juni 1993 der Fall gewesen sei, so könne dies an der Beweiswürdigung nichts ändern, weil jeder Arbeitnehmer, sofern dies nicht gegenüber der Post ausgeschlossen worden sei, als Ersatzempfänger in Frage komme. Eine interne Regelung könne daher nicht ausschließen, daß an andere Arbeitnehmer zugestellt werde und dieser Arbeitnehmer die Postsendung übernehme.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin bekämpft die Beweiswürdigung der belangten Behörde einerseits mit dem Argument, daß am Zustellkuvert der Poststempel 30. Juni 1992 angebracht sei, spreche entgegen der Annahme der belangten Behörde nicht dafür, daß die Zustellung tatsächlich bereits am 29. Juni 1993 erfolgt sei, weil es nach der Lebenserfahrung wahrscheinlicher sei, daß lediglich das Jahresdatum umgestellt worden sei und der Stempel zumindest den richtigen Tag aufgewiesen habe. Andererseits macht die Beschwerdeführerin geltend, die belangte Behörde habe es unterlassen, entgegen ihrem Antrag, den Zeugen W einzuvernehmen. Wäre dies geschehen, "so wäre man im Vergleich bei gleichzeitiger Überprüfung der Urlaubsliste zum Ergebnis gekommen, daß der erstinstanzliche Bescheid erst am 30.6.1993 übernommen wurde".

Mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerdeführerin eine zu seiner Aufhebung führende Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun:

In der Unterlassung der Vernehmung des Zeugen W vermag der Verwaltungsgerichtshof einen Verfahrensmangel deshalb nicht zu erblicken, weil die belangte Behörde bei ihrer Beweiswürdigung ohnedies von jenem Sachverhalt ausgegangen ist, der nach dem Beschwerdevorbringen durch die amtswegige Vernehmung dieses Zeugen hätte bewiesen werden können.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag aber auch nicht der Meinung des Beschwerdeführers zu folgen, die Lebenserfahrung spreche dafür, daß bei der Umstellung eines Poststempels, wenn schon ein Fehler passiere, dieser nur die Jahreszahl, nicht aber auch das Tagesdatum betreffe. Eine Lebenserfahrung, die das eine oder andere wahrscheinlicher erscheinen lasse, ist dem Verwaltungsgerichtshof vielmehr unbekannt.

Damit erweist sich aber, daß die belangte Behörde ihre Beweiswürdigung auf ein ausreichendes Ermittlungsverfahren gründete und hiebei weder gegen die Denkgesetze noch gegen das allgemeine menschliche Erfahrungsgut verstieß.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Beweismittel Zeugenbeweis Beweiswürdigung Sachverhalt angenommener geklärter Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Zeugenbeweis Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Erheblichkeit des Beweisantrages freie Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994030061.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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