TE Vwgh Beschluss 1994/9/23 94/17/0326

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Veröffentlicht am 23.09.1994
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §56;
VwGG §33 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer und Dr. Puck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schidlof, in der Beschwerdesache der Dr. A, Ministerialrätin i.R., in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 22. April 1994, Zl. 23 9500/10-V/13/94, betreffend Enthebung von der Funktion als Staatskommissär, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Die mit vorliegender Beschwerde bekämpfte, an die Beschwerdeführerin gerichtete Erledigung des Bundesministers für Finanzen vom 22. April 1994 hat folgenden Wortlaut:

"Ich enthebe Sie mit Wirkung vom 30. April 1994 Ihrer Funktion als Staatskommissär bei der XY-reg.Gen.m.b.H. und danke Ihnen für die in dieser Funktion geleisteten Dienste.

Die Ihnen für diese Funktion bewilligte Vergütung wird mit Wirkung vom 30. April 1994 eingestellt."

Nach ihrem Vorbringen erachtet sich die Beschwerdeführerin durch diese - von ihr in zutreffender Weise als Bescheid qualifizierte - Erledigung in ihren Rechten "insofern verletzt, als eine tatsächlich rechtmäßig ausgeübte Tätigkeit nicht rückwirkend entschädigungslos beseitigt werden kann, weil die Wirksamkeit eines Bescheides erst mit seiner ordnungsgemäßen Zustellung eintritt."

Die Beschwerdeführerin bringt hiezu vor, der genannte Bescheid sei ihr erst am 15. Juni 1994 zugestellt worden. In der Zeit zwischen 30. April bis 15. Juni 1994 habe sie die Funktion als Staatskommissär weiter ausgeübt. Die Beschwerdeführerin beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Mit weiterer Eingabe vom 9. September 1994 legte die Beschwerdeführerin einen Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 5. September 1994 vor, womit ihr nach § 25 Abs. 1 des Gehaltsgesetzes 1956 für ihre Tätigkeit bei der XYZ-reg.Gen.m.b.H. für die Zeit vom 1. Mai 1994 bis 15. Juni 1994 eine Vergütung in der Höhe von S 9.450,-- zuerkannt wird. In der Begründung dieses Bescheides wird im wesentlichen ausgeführt, die Verständigung über die Abberufung als Staatskommissärin sei der Beschwerdeführerin erst am 15. Juni 1994 zugestellt worden. Da sie mangels Kenntnis der Abberufung die genannte Tätigkeit faktisch bis zum 15. Juni 1994 ausgeübt habe, sei ihr die genannte Vergütung zuzuerkennen gewesen.

Die Beschwerdeführerin erklärt in der zuletzt genannten Eingabe, daß sie sich durch diesen Bescheid für klaglos gestellt erachtet.

Gemäß § 33 Abs. 1 VwGG ist, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, daß der Beschwerdeführer klaglos gestellt wurde, nach dessen Einvernahme die Beschwerde in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluß als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen. Eine derartige Klaglosstellung (im engeren Sinne) setzt allerdings eine Beseitigung des beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides durch wen und aus welchem Titel auch immer, insbesondere eine formelle Aufhebung durch die belangte Behörde oder die allenfalls in Betracht kommende Oberbehörde oder durch den Verfassungsgerichtshof voraus (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 307, angeführte

hg. Rechtsprechung).

Eine zur Verfahrenseinstellung führende Gegenstandslosigkeit der Beschwerde kann jedoch auch dann eintreten, wenn durch Änderung maßgebender Umstände das rechtliche Interesse des Beschwerdeführers an der Entscheidung wegfällt (vgl. hiezu etwa die hg. Beschlüsse vom 9. April 1980, Slg. Nr. 10.092/A - verstärkter Senat -, vom 10. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.322/A, vom 29. Oktober 1984, Zl. 83/11/0011, vom 2. Oktober 1991, Zl. 88/07/0061, und vom 27. Februar 1992, Zl. 91/17/0149). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn durch einen behördlichen Akt dasselbe Ergebnis herbeigeführt wird, das der Beschwerdeführer mit der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes anstrebt; in einem so gelagerten Fall wird auch von einer "materiellen" Klaglosstellung gesprochen (vgl. die hg. Beschlüsse vom 26. April 1985, Zl. 83/11/0296, vom 19. Jänner 1988, Zl. 87/11/0051, und vom 22. September 1989, Zl. 88/17/0231).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes derogiert dann, wenn zwei rechtswirksame Bescheide im Widerspruch stehen, der später erlassene Bescheid dem früher erlassenen (vgl. zu dieser Frage auch S. Pesendorfer, "Übergenuß" bei öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnissen, JBl 1991, Seite 152, 158 f., die allerdings von "rechtskräftigen Bescheiden" spricht). Identität der Sache, über die abgesprochen wurde, vorausgesetzt, tritt der spätere Bescheid zur Gänze an die Stelle des früheren (Erkenntnisse vom 29. April 1981, Zl. 09/3279/78, 09/0536/79, vom 26. Juni 1981, Zl. 81/08/0023, vom 27. September 1984, Zl. 83/08/0215, und vom 31. Jänner 1989, Zl. 87/07/0040).

Im Beschwerdefall ist davon auszugehen, daß sich die Beschwerdeführerin, wie sich aus der Fassung des Beschwerdepunktes (arg. "rückwirkend ENTSCHÄDIGUNGSLOS") ergibt und durch die nunmehrige Klaglosstellungserklärung bekräftigt wird, sich in Wahrheit nur durch die mit dem zweiten Absatz des Bescheides vom 22. April 1994 verfügte Einstellung der für die Funktion als Staatskommissär bewilligte Vergütung mit Wirkung vom 30. April 1994 für beschwert erachtet. Daß die Enthebung selbst rechtswidrig wäre, behauptet die Beschwerdeführerin offenbar im Hinblick darauf nicht, daß sie mit 1. Mai 1994 in den dauernden Ruhestand übergetreten ist.

Hinsichtlich dieser Vergütung ist jedoch im Sinne der zuletzt wiedergegebenen Rechtsprechung der Bescheid vom 5. September 1994 zur Gänze an die Stelle des Bescheides vom 22. April 1994 (zweiter Absatz) getreten; der Beschwerdeführerin wurde die begehrte Vergütung zuerkannt.

Ein rechtliches Interesse an einer Entscheidung über die vorliegende Beschwerde kommt der Beschwerdeführerin daher in der Tat nicht mehr zu, weshalb die Beschwerde in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären und das Beschwerdeverfahren einzustellen war.

Da keine formelle Klaglosstellung eingetreten ist, war bei der Kostenentscheidung nicht § 56 erster Satz VwGG, sondern § 58 leg. cit. anzuwenden; das heißt, daß die Beschwerdeführerin den ihr im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erwachsenden Aufwand selbst zu tragen hat (vgl. auch hiezu den Beschluß eines verstärkten Senates vom 9. April 1980, Slg. Nr. 10.092/A).

Schlagworte

Zeitpunkt der Bescheiderlassung Eintritt der Rechtswirkungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994170326.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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