TE Vwgh Erkenntnis 1994/9/26 94/10/0093

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Veröffentlicht am 26.09.1994
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
82/04 Apotheken Arzneimittel;

Norm

ApG 1907 §19 idF 1984/502;
ApG 1907 §45 idF 1984/502;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §56;
AVG §63 Abs1;
AVG §63 Abs2;
RechtsmittelG politische Behörden 1896 §1;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Novak, Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Mayer, über die Beschwerde der Mag. pharm. E in I, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 28. April 1994, Zl. Vd-San-5038/71, betreffend Zurückweisung einer Berufung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und dem angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:

Mit dem im Instanzenzug erlassenen Bescheid des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz vom 27. Februar 1987 war dem Mag. pharm. Georg G. die Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke in W. erteilt worden. Mag. pharm. G. hat eine öffentliche Apotheke in W. nicht errichtet. Mit Bescheid vom 6. Oktober 1993 erteilte der Landeshauptmann von Tirol der Beschwerdeführerin "in Nachfolge der Konzession des Mag. G." die Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke in W. Gegen diesen Bescheid erhob ein weiterer Konzessionswerber Berufung; das Berufungsverfahren ist noch anhängig.

Mit Schreiben vom 29. März 1994 hielt die Bezirkshauptmannschaft (BH) dem Mag. G. unter Aufforderung zur Stellungnahme vor, daß sie beabsichtige, die mit Bescheid vom 10. Juni 1985 erteilte Konzession gemäß § 19 Abs. 1 Z. 1 ApG zurückzunehmen. Eine Abschrift dieses Vorhaltes übermittelte die BH der Beschwerdeführerin "zur Kenntnisnahme".

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung.

Die belangte Behörde wies die Berufung als unzulässig zurück. Sie vertrat die Auffassung, das Schreiben der BH stelle keinen Bescheid, sondern eine das Verfahren betreffende Anordnung dar, gegen die gemäß § 63 Abs. 2 AVG eine abgesonderte Berufung nicht zulässig sei. Im übrigen komme der Beschwerdeführerin im Verfahren über die Zurücknahme der dem Mag. G. erteilten Konzession keine Parteistellung zu.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Sie vertritt die Auffassung, die "Einleitung des Zurücknahmeverfahrens" stelle eine der Berufung unterliegende "Verfügung" im Sinne des § 45 ApG dar. Diese Verfügung betreffe die rechtliche Sphäre der Beschwerdeführerin, weil jene Apothekenkonzession zurückgenommen werden solle, an der die Beschwerdeführerin durch den Bescheid vom 6. Oktober 1993 Rechte erworben habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 63 Abs. 1 AVG richten sich der Instanzenzug und das Recht zur Einbringung der Berufung und sonstiger Rechtsmittel (Vorstellung), abgesehen von den in diesem Bundesgesetz besonders geregelten Fällen, nach den Verwaltungsvorschriften. Gemäß § 63 Abs. 2 AVG ist gegen nur das Verfahren betreffende Anordnungen eine abgesonderte Berufung nicht zulässig. Sie können erst in der Berufung gegen den die Angelegenheit erledigenden Bescheid angefochten werden.

§ 63 AVG unterscheidet somit von den Bescheiden (Abs. 1) "nur das Verfahren betreffende Anordnungen" (Abs. 2), gegen die eine abgesonderte Berufung ausgeschlossen ist. Das Vorliegen einer selbständig unanfechtbaren Verfahrensanordnung ist jedenfalls immer dann zu verneinen, wenn durch den in Rede stehenden Verwaltungsakt die materielle Rechtslage gestaltet wird. Ein - ebenfalls einer abgesonderten Berufung zugänglicher - verfahrensrechtlicher Bescheid liegt vor, wenn damit über die sich aus den verfahrensrechtlichen Bestimmungen ergebenden formalrechtlichen Rechtsverhältnisse gestaltend oder feststellend abgesprochen wird; selbständig unanfechtbare Verfahrensanordnungen sind hingegen solche, die nur den Gang des Verwaltungsverfahrens regeln (vgl. hiezu z.B. die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Dezember 1986, Zl. 86/04/0044, und vom 17. Mai 1988, Zl. 87/04/0277 mwN).

Bei der in Rede stehenden Anordnung der ersten Instanz - der an den Konzessionsinhaber Mag. pharm. G. gerichteten Aufforderung, zur Frage der Zurücknahme der erteilten Konzession gemäß § 19 ApG Stellung zu nehmen - handelt es sich entgegen der Auffassung der Beschwerde nicht um eine förmliche "Einleitung des Zurücknahmeverfahrens" mit Bescheidcharakter. Dies entspricht dem Gesetz, das keinen Formalakt im Zusammenhang mit einer solchen "Verfahrenseinleitung" anordnet; es existiert auch keine Vorschrift des Apothekenrechts, die im vorliegenden Zusammenhang Rechtsfolgen an die "Einleitung des Zurücknahmeverfahrens" knüpft. Der in Rede stehenden Anordnung kommt auch eine Gestaltungs- bzw. Feststellungswirkung im oben dargelegten Sinn nicht zu. Es handelte sich somit lediglich um eine - auf den §§ 37, 39 Abs. 2 AVG beruhende - verfahrensleitende Anordnung, die einer abgesonderten Berufung nicht zugänglich ist.

Entgegen der Auffassung der Beschwerde kann auch § 45 ApG nichts Gegenteiliges entnommen werden. Danach finden auf "Berufungen gegen Entscheidungen und Verfügungen der politischen Behörden, welche aufgrund der Vorschriften dieses Gesetzes oder der in Durchführung desselben erlassenen Anordnungen getroffen werden, die in dieser Hinsicht im Verfahren vor den politischen Behörden geltenden allgemeinen Vorschriften Anwendung". Die Formulierung "Entscheidungen und Verfügungen der politischen Behörden" war bereits im Stammgesetz (RGBl. Nr. 5/1907) enthalten; sie entspricht in ihrem Sprachgebrauch dem Gesetz vom 12. Mai 1896 über das Verfahren bei Geltendmachung der Rechtsmittel gegen Entscheidungen und Verfügungen der politischen Behörden, RGBl. Nr. 101/1896. Nach § 1 dieses Gesetzes sind Rekurse (Berufungen) gegen Entscheidungen und Verfügungen der politischen Bezirksbehörden, insoferne dieselben noch einem

Rechtszuge unterliegen, ... binnen einer Frist von vierzehn

Tagen bzw. vier Wochen ... einzubringen. Vor diesem Hintergrund

kann dem Begriff "Verfügungen" im § 45 ApG - was die Zulässigkeit von Rechtsmitteln betrifft - nicht der Inhalt unterstellt werden, daß damit - abweichend von § 63 Abs. 2 AVG - ein Rechtszug in Ansehung bloß verfahrensleitender, die Rechtsverhältnisse der Parteien weder gestaltender noch feststellender Anordnungen eingeräumt wäre.

Schon aus den dargelegten Gründen hat die belangte Behörde die gegen die bloß verfahrensleitende Anordnung erhobene Berufung mit Recht als unzulässig zurückgewiesen; eine Auseinandersetzung mit der Frage der Parteistellung der Beschwerdeführerin erübrigt sich daher.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter Bescheidbegriff AllgemeinBescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter VerfahrensanordnungenParteiengehörInstanzenzug Zuständigkeit Besondere Rechtsgebiete Verfahrensrechtliche Bescheide Zurückweisung Kostenbescheide Ordnungs- und MutwillensstrafenVoraussetzungen des Berufungsrechtes Bescheidcharakter der bekämpften Erledigung Vorhandensein eines bekämpfbaren Bescheides

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994100093.X00

Im RIS seit

25.09.2001

Zuletzt aktualisiert am

01.06.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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