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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
LMG 1975 §26 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Mizner und Dr. Bumberger, im Beisein der Schriftführerin Mag. Werner, über die Beschwerde des P in H, vertreten durch Dr. Z, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Salzburg vom 11. September 1992, Zl. UVS-18/18/2-1992, betreffend Übertretung des Lebensmittelgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als gemäß § 9 VStG für das Inverkehrbringen von Kosmetika für die Firma J mit Sitz in H verantwortliche Person (handelsrechtlicher Geschäftsführer) zu verantworten, daß am 8. September 1991 vom Firmensitz in H aus zwei Packungen zu je 57 ml "Bebe-Gesichtspflege Feuchtigkeitscreme" mit Bodenprägung "PP 029390058" mit der verbotenen gesundheitsbezogenen Angabe "dermatologisch getestet" falsch bezeichnet an die Firma Y geliefert und damit in Verkehr gesetzt wurden, obwohl es verboten ist, kosmetische Mittel in Verkehr zu bringen, die falsch bezeichnet sind. Es wurde eine Geldstrafe verhängt.
Mit der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht, nicht nach § 74 i. V.m. dem §§ 7 Abs. 1, 8 lit f, 9 und 26 LMG bestraft zu werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 26 Abs. 1 lit. d LMG ist es verboten, kosmetische Mittel in Verkehr zu bringen, die falsch bezeichnet sind.
Nach § 26 Abs. 2 leg. cit. gelten § 8 lit. a, b und f sinngemäß, § 9 gilt mit der Maßgabe, daß nicht irreführende Hinweise auf physiologische oder pharmakalogische Wirkungen sowie bildliche Darstellungen zur Erläuterung des Anwendungsbereiches zulässig sind. Werden solche Wirkungen behauptet, sind der Behörde auf Verlangen die wirksamen Komponenten bekanntzugeben.
§ 8 lit. f LMG bestimmt, daß Lebensmittel, Verzehrprodukte und Zusatzstoffe falsch bezeichnet sind, wenn sie mit zur Irreführung geeigneten Angaben über Umstände, die nach der Verkehrsauffassung, insbesondere nach der Verbrauchererwartung, wesentlich sind, wie über Art, Herkunft, Verwendbarkeit, Haltbarkeit, Zeitpunkt der Herstellung, Beschaffenheit, Gehalt an wertbestimmenden Bestandteilen, Menge, Maß, Zahl oder Gewicht oder in solcher Form oder Aufmachung oder mit verbotenen gesundheitsbezogenen Angaben (§ 9) in Verkehr gebracht werden.
Nach § 9 Abs. 1 LMG ist es verboten, beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln, Verzehrprodukten oder Zusatzstoffen
a) sich auf die Verhütung, Linderung oder Heilung von Krankheiten oder Krankheitssymptomen oder auf physiologische oder pharmakalogische, insbesondere jungerhaltende, Alterserscheinungen hemmende, schlankmachende oder gesunderhaltende Wirkungen zu beziehen oder den Eindruck einer derartigen Wirkung zu
erwecken;
b) auf Krankengeschichten, ärztliche Empfehlungen oder auf Gutachten hinzuweisen;
c) gesundheitsbezogene, bildliche oder stilisierte Darstellungen von Organen des menschlichen Körpers, Abbildungen von Angehörigen der Heilberufe oder von Kuranstalten oder sonstige auf Heiltätigkeiten hinweisende Abbildungen zu verwenden.
Zwischen den Parteien des Beschwerdeverfahrens ist ausschließlich strittig, ob es sich bei der einem kosmetischen Mittel ("Gesichtspflege Feuchtigkeitscreme") beigegebenen Bezeichnung "dermatologisch getestet" um eine nach dem § 9 Abs. 1 lit. b LMG verbotene, im Beschwerdefall nicht nach Abs. 3 dieser Gesetzesstelle zugelassene gesundheitsbezogene Angabe handelt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Rahmen seiner dadurch bestimmten Prüfungskompetenz daher nicht zu prüfen, ob die strittige Bezeichnung - unabhängig von einem Verstoß gegen § 9 Abs. 1 lit. b LMG etwa schon im Hinblick auf fehlende Bestimmtheit, die bei den angesprochenen Verbraucherkreisen unterschiedliche - teilweise falsche - Vorstellungen über die Eigenschaften des Produktes hervorrufen könnte (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. November 1988, Zl. 88/10/0104) gegen das allgemeine, von § 26 Abs. 2 LMG nicht berührte Irreführungsverbot des § 8 lit. f LMG verstößt (vgl. hiezu Brustbauer, Zulässige gesundheitsbezogene Angaben für kosmetische Mittel, Ern. 1991, 617). Ebensowenig war zu prüfen, ob die Bestrafung des Beschwerdeführers schon allein auf § 9 Abs. 1 lit. a (i.V.m. den §§ 8 lit. f, 74 Abs. 1) LMG hätte gestützt werden können.
Gemäß § 26 Abs. 2 LMG gilt § 9 dieses Gesetzes - nach dessen Abs. 1 lit. b es beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln, Verzehrprodukten und Zusatzstoffen (u.a.) verboten ist, auf Krankengeschichten, ärztliche Empfehlungen oder auf Gutachten hinzuweisen - für das Inverkehrbringen kosmetischer Mittel (§ 5 LMG) nur "mit der Maßgabe, daß nicht irreführende Hinweise auf physiologische oder pharmakalogische Wirkungen ... zulässig sind".
Im Hinblick auf den Zweck der Vorschrift und den Regelungszusammenhang (vgl. z.B. lit. d der Vorschrift) ist der Begriff der "Gutachten" dahin zu ergänzen, daß dem Verbot solche "Gutachten" unterliegen, die nach dem Erscheinungsbild des Hinweises nach der Verkehrsauffassung mit Angehörigen der Heilberufe in Zusammenhang zu bringen sind.
Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes und der herrschenden Lehre sind Hinweise auf ärztliche Empfehlungen, Gutachten, Abbildungen von Angehörigen der Heilberufe absolut (ohne Einschränkung) verboten (vgl. OGH ÖBl 1990, 23; Barfuss u.a. LMR2 Komm. zu § 9, 8); dies auch beim Inverkehrbringen kosmetischer Mittel (vgl. ebenfalls ÖBl. 1990, 23). Der vereinzelt (Gladt, Zulässige "gesundheitsbezogene" Angaben für kosmetische Mittel, ÖJZ 1991, 51, 54) vertretenen Auffassung, daß § 9 Abs. 1 lit. b lediglich zum Tragen käme, wenn der Hinweis auf ärztliche Empfehlungen, Gutachten, udgl. den Eindruck einer Wirkung erwecke, auf die hinzuweisen schon nach der lit. a verboten sei, kann nicht geteilt werden. Wäre dem so, so hätte die Vorschrift der lit. b keinen eigenständigen Anwendungsbereich, denn derartige Hinweise wären in jedem Fall schon wegen ihres gegen die lit. a verstoßenden Inhaltes unzulässig. Es kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, mit § 9 Abs. 1 lit. b LMG eine letztlich inhaltsleere, weil in der lit. a dieser Vorschrift aufgehende Regelung geschaffen zu haben. Vielmehr ist davon auszugehen, daß das Gesetz bestimmte Formen von Hinweisen (Krankengeschichten, ärztliche Empfehlungen und Gutachten) ungeachtet ihrer inhaltlichen Aussage schon wegen der Erscheinungsform, die beim Verbraucher wenigstens unterschwellig die (unbestimmte) Vorstellung gesundheitlicher Wirkungen suggeriert (vgl. hiezu Brustbauer/Jesionek/Petuely/Wrabetz, LMG 1975, 51), nicht zugelassen hat. Dies ergibt sich auch aus dem Regelungszusammenhang. So wird etwa durch § 9 Abs. 1 lit. c LMG u. a. die Verwendung von "Abbildungen von Angehörigen der Heilberufe oder von Kuranstalten oder sonstige auf Heiltätigkeiten hinweisende Abbildungen" verboten, in welchem Fall eine Verbindung mit inhaltlichen Aussagen nach der typischen Erscheinungsform solcher Abbildungen nicht in Betracht kommt.
Das Verbot des § 9 Abs. 1 lit. b LMG ist daher unabhängig davon zu beachten, ob der betreffende Hinweis mit einer nach der lit. a zu qualifizierenden Aussage verbunden ist.
Ob eine Anpreisung eine "gesundheitsbezogene Angabe" im Sinne des § 9 LMG darstellt, ist ausgehend von der Verkehrsauffassung zu beurteilen, also von dem Eindruck, der sich beim flüchtigen Lesen für einen nicht unbeträchtlichen Teil der Konsumenten ergibt, wobei auf den Gesamteindruck der Mitteilung Bedacht zu nehmen ist. Dabei können auch "generalisierende" Bezeichnungen gesundheitsbezogen im Sinne des § 9 sein (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Oktober 1993, Zl. 93/10/0143 bis 0151 und die dort zitierte Vorjudikatur).
Bei der nach diesem Maßstab vorzunehmenden Beurteilung ist somit auch die Frage, ob ein Hinweis auf ein "Gutachten" vorliegt, anhand der Verkehrsauffassung vorzunehmen; dabei ist zu beachten, daß der dem durchschnittlichen Verbraucher vorschwebende Begriff des "Gutachtens" weit weniger bestimmt ist als dies in der Rechtssprache der Fall ist. Auf dieser Grundlage müssen jedenfalls solche Anpreisungen als Hinweise auf "Gutachten" aufgefaßt werden, die beim Verbraucher den Eindruck entstehen lassen, eine fachkundige (insbesondere wissenschaftlich ausgebildete) Person habe zu einem bestimmten Gegenstand eine die Ergebnisse einer Untersuchung zusammenfassende und bewertende Äußerung abgegeben. Davon ausgehend wird der strittige Hinweis wenigstens von einem erheblichen Teil der Verbraucher als Hinweis auf ein fachärztliches oder klinisches Gutachten aufgefaßt werden, weil als allgemein bekannt vorausgesetzt werden kann, daß die Ergebnisse eines nach den Regeln der Wissenschaft durchgeführten "Tests" eines am menschlichen Körper angewendeten Produktes in Form eines "Gutachtens" zusammengefaßt werden. Dem strittigen Hinweis kann auch nur dann die vom Werbenden angestrebte Werbewirkung zukommen, wenn er beim Verbraucher den Eindruck erweckt, daß durch den "Test" irgendwelche positiven Eigenschaften des Produktes festgestellt wurden. Eine solche - somit von der Aussage vorausgesetzte - Bewertung der Ergebnisse des Tests ist nach der Verkehrsauffassung als "Gutachten" aufzufassen.
Der strittige Hinweis ist daher eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne des § 9 Abs. 1 lit. b LMG.
Im vorliegenden Fall ist für den Beschwerdeführer auch aus der Aussage des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. März 1992, Zl. 91/10/0005, nichts zu gewinnen. Im genannten Erkenntnis wurde die Auffassung vertreten, es wäre ein unauflöslicher Wertungswiderspruch, wollte man annehmen, ein nach § 26 Abs. 2 (zu ergänzen: in Verbindung mit § 9 Abs. 1 lit. a) LMG zulässiger Hinweis würde allein deswegen strafbar, weil er die Grundlage, auf die er sich stützt, nämlich ein Gutachten, offenlege. Die im zitierten Erkenntnis vertretene Rechtsauffassung folgt - wegen des angenommenen Wertungswiderspruches - der Methode der teleologischen Reduktion von § 9 Abs. 1 lit. b LMG. Sie gelangt damit zum Ergebnis, daß an sich dem § 9 Abs. 1 lit. b LMG zu unterstellende Hinweise dann zulässig sind, wenn sie sich ausschließlich auf die Beschreibung einer physiologischen oder pharmakalogischen Wirkung im Sinne des § 26 Abs. 2 LMG beziehen; (nur) solche Hinweise sind nämlich nach § 26 Abs. 2 LMG zulässig. Hingegen liegt dem letztzitierten Erkenntnis nicht die Auffassung zu Grunde, ein an sich dem § 9 Abs. 1 lit. b zu unterstellender Hinweis sei auch ohne eindeutige Bezugnahme auf eine einzelne physiologische oder pharmakologische Wirkung - wie es hier der Fall ist - zulässig. In der Frage der Abgrenzung der bei kosmetischen Mitteln zulässigen Hinweise auf einzelne physiologische oder pharmakalogische Wirkungen von den nach § 9 Abs. 1 LMG verbotenen Hinweisen schließt sich der Verwaltungsgerichtshof der Rechtsprechung des OGH (vgl. z.B. SZ 55/15, SZ 56/131, ÖBl 1986, 155) und der herrschenden Lehre (vgl. Barfuss aaO Komm. zu § 26, 9; Brustbauer u.a. aaO 123; Brustbauer aaO) an. Danach wird § 26 Abs. 2 LMG vor dem Hintergrund der durch § 9 Abs. 1 LMG normierten Verbote dahingehend ausgelegt, daß der Hinweis auf die einzelne physiologische oder pharmakalogische Wirkung eines kosmetischen Mittels - losgelöst von den Folgen, die sich daraus für den Gesundheitszustand eines Menschen ergeben - erlaubt ist, daß aber darüber hinaus eine Bezugnahme auf die Verhütung, Linderung oder Heilung von Krankheiten auch bei kosmetischen Produkten nicht gestattet ist (zum Teil a.M. Hauer, zu den "Karies"-Entscheidungen des OGH, ÖBl 1986, 57, und Gladt aaO). Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich der soeben dargelegten Auffassung ausgehend vom klaren Wortlaut des § 26 Abs. 2 LMG, der vom allgemeinen Verbot des § 9 Abs. 1 eben nur bestimmte, deutlich bezeichnete Hinweise ausnimmt, und von der Überlegung an, daß andernfalls - hätte § 26 Abs. 2 zur Folge, daß wahrheitsgemäße gesundheitsbezogene Angaben für kosmetische Mittel allgemein zulässig wären - sowohl § 9 Abs. 1 als auch § 9 Abs. 3 LMG in Beziehung auf kosmetische Mittel keinen Anwendungsbereich hätten; dies kann dem Gesetz nicht entnommen werden.
Davon, daß die nach dem Gesagten auf ein "Gutachten" im Sinne des § 9 Abs. 1 lit. b LMG hinweisende Aussage lediglich auf eine bestimmte physiologische oder pharmakalogische Wirkung des kosmetischen Mittels bezogen werde, kann mangels irgendeiner Konkretisierung in dieser Richtung nicht die Rede sein. Schon deshalb liegt kein Anwendungsfall der Ausnahmevorschrift des § 26 Abs. 2 LMG vor.
Die von der Beschwerde behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides liegt daher nicht vor.
Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1992100468.X00Im RIS seit
20.11.2000