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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Mizner, im Beisein der Schriftführerin Mag. Mayer, in der Beschwerdesache des Dr. J, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Landesschulrat für Niederösterreich wegen Verletzung der Entscheidungspflicht, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer macht in seiner auf Art. 132 B-VG und § 27 VwGG gestützten Säumnisbeschwerde geltend, er habe am 25. Jänner 1994 gegen den Bescheid der Bundesakademie für Sozialarbeit St. Pölten vom 21. Dezember 1993, wonach er die Eignungsprüfung nicht bestanden habe, Berufung erhoben. Die belangte Behörde habe über diese Berufung bis heute nicht entschieden.
Die Beschwerde ist mangels Ausschöpfung des Devolutionsrechtszuges im Sinne der §§ 27 VwGG, 73 AVG unzulässig.
Gemäß § 27 VwGG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) nach Art. 132 B-VG erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Weg eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, bzw. der Unabhängige Verwaltungssenat, der nach Erschöpfung des Instanzenzuges, sei es durch Berufung oder im Weg eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat.
Bei der Akademie für Sozialarbeit ("Bundesakademie für Sozialarbeit"; vgl. § 85 SchOrgG) handelt es sich um eine durch die §§ 79 ff SchOrgG eingerichtete berufsbildende höhere Schule. Nach § 82 Abs. 1 leg. cit. setzt die Aufnahme in eine Akademie für Sozialarbeit die erfolgreiche Ablegung der Reifeprüfung einer höheren Schule und einer Eignungsprüfung voraus. Nach Abs. 4 leg. cit. werden die näheren Vorschriften über die Eignungsprüfung (Abs. 1) durch ein gesondertes Bundesgesetz geregelt. Ein solches Gesetz wurde bisher nicht erlassen. Das Schulunterrichtsgesetz gilt für die Akademien (u.a.) im Sinne der §§ 79 ff SchOrgG nicht (vgl. § 1 SchuG).
§ 71 SchuG bietet somit keine Grundlage für das Verfahren über eine Berufung gegen die Entscheidung über die Eignungsprüfung. Nach welchen Grundsätzen im vorliegenden Fall ein Verfahren durch die Schule abzuwickeln war, kann hier jedoch auf sich beruhen:
Die angerufene Schulbehörde hatte die bei ihr erhobene Berufung jedenfalls einem Verfahren nach den Vorschriften des AVG zu unterziehen; dies ergibt sich aus Art. II Abs. 2 lit. A Z. 8 EGVG (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Februar 1980, Zl. 1272/78). Das allenfalls sodann als Oberbehörde oder im Instanzenzug angerufene Bundesministerium hatte ebenfalls nach dem AVG vorzugehen (vgl. Art. II Abs. 4 AVG).
Gemäß § 73 Abs. 1 AVG sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen. Nach der seit dem Beschluß eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, Slg. Nr. 9458/A, ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht ein Anspruch auf Erlassung eines Bescheides auch dann, wenn der Antrag oder das Rechtsmittel zurückzuweisen ist.
Wird der Bescheid der Partei nicht innerhalb dieser Frist zugestellt, so geht gemäß § 73 Abs. 2 AVG auf ihren schriftlichen Antrag die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, wenn aber gegen die ausständige Entscheidung die Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat vorgesehen ist, auf diesen über.
Selbst eine allfällige Beschränkung des Instanzenzuges hindert nicht den Übergang der Zuständigkeit im Devolutionsweg gemäß § 73 AVG. Sachlich in Betracht kommende Oberbehörde im Sinne des § 73 AVG ist in jedem Fall die Berufungsbehörde, darüber hinaus aber auch jede sonstige Behörde, die - bei Ausschluß eines ordentlichen Rechtsmittels - durch Ausübung des Weisungs- oder Aufsichtsrechtes den Inhalt der unterbliebenen Entscheidung hätte bestimmen können (vgl. z.B. den Beschluß vom 3. Juli 1990, Zl. 90/08/0104 und die dort zitierte Vorjudikatur).
Im Beschwerdefall handelt es sich um eine Angelegenheit des Schulwesens (Art. 14 Abs. 1 B-VG), die gemäß Art. 81a B-VG in der unmittelbaren Bundesverwaltung geführt wird. Sachlich in Betracht kommende Oberbehörde im Sinne des § 73 Abs. 2 AVG ist im Beschwerdefall somit der Bundesminister für Unterricht, Kunst und Sport (vgl. Jonak-Kövesi, das österreichische Schulrecht5, Anm. 2 zu Art. 103 B-VG).
Die gegen den Landesschulrat für Niederösterreich gerichtete Säumnisbeschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Schlagworte
Anrufung der obersten Behördesachliche Zuständigkeit in einzelnen AngelegenheitenInstanzenzugVerletzung der Entscheidungspflicht Diverses Zurückweisung - EinstellungOffenbare Unzuständigkeit des VwGH Nichterschöpfung des Instanzenzuges Allgemein Allgemeine VerwaltungsverfahrensgesetzeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994100110.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
01.06.2010