Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §40 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bachler, über die Beschwerde des W in S, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 3. Dezember 1993, Zl. 411.216/02-I4/92, betreffend Abweisung einer Berufung gegen einen wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid (mitbeteiligte Partei: Firma E-GmbH), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die mitbeteiligte Partei beantragte beim Landeshauptmann von Steiermark die Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung für ein Wasserkraftwerk in der Gemeinde S. Der Landeshauptmann führte mündliche Verhandlungen durch, die (auch) durch Anschlag an der Amtstafel der Gemeinde S kundgemacht wurden. Der Beschwerdeführer nahm an diesen Verhandlungen nicht teil und erhob auch keine schriftlichen Einwendungen.
Mit Bescheid vom 12. Dezember 1991 erteilte der Landeshauptmann von Steiermark der mitbeteiligten Partei die beantragte wasserrechtliche Bewilligung.
Gegen diesen Bescheid wurde von Betroffenen Berufung erhoben.
Am 29. Jänner 1992 fand beim Gemeindeamt S eine Bürgerbesprechung mit Vertretern der für Wasserrechtsangelegenheiten zuständigen Abteilung des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung statt, bei der Kritik daran geübt wurde, daß Hausbrunnenbesitzer nicht zur wasserrechtlichen Bewilligungsverhandlung geladen worden seien.
Am 11. Februar 1992 führte das Amt der Steiermärkischen Landesregierung am Gemeindeamt S eine "Verhandlung" durch, deren Gegenstand in der "Verhandlungsschrift" wie folgt bezeichnet ist: "KW M, KW A; Information für nicht geladene Wasserbenutzungsberechtigte mit eingetragenen Wasserrechten". In der "Verhandlungsschrift" heißt es weiter, auf Grund der Bürgerbesprechung am 29. Jänner 1992 bzw. einer Unterredung mit dem Bürgermeister der Gemeinde S sei zur Information der im Wasserbuch eingetragenen Wasserbenutzungsberechtigten, die zur mündlichen Wasserrechtsverhandlung nicht persönlich geladen worden seien, der Besprechungstermin anberaumt worden. Es folgt eine Liste dieser Wasserbenutzungsberechtigten; der - bei dieser Besprechung Anwesende und in der "Verhandlungsschrift" angeführte - Beschwerdeführer ist nicht darunter. Daran schließen Ausführungen eines Amtssachverständigen zur Frage der Beeinträchtigung der Wasserbenutzungsrechte durch das Wasserkraftwerk der mitbeteiligten Partei an. Schließlich finden sich in dieser "Verhandlungsschrift" noch folgende Absätze:
"Am heutigen Tage wurde im Sinne des § 107 Abs. 2 WRG ein Schreiben der Hausbrunnenbesitzer von S vom 10. 2. 1992 und ein Schreiben der Wasserberechtigten, die zur mündlichen Verhandlung trotz Eintragung im Wasserbuch nicht persönlich geladen wurden, vom 11. 2. 1992, der Wasserrechtsbehörde übergeben.
Über Anfrage wird vom Verhandlungsleiter festgehalten, daß die o.a. eingetragenen Wasserberechtigten sicherlich im Wasserrechtsverfahren betreffend KW A und KW M Parteistellung im Sinne des § 102 WRG besitzen."
Mit Schriftsatz vom 15. Februar 1992 - beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung eingelangt am 25. Februar 1992 - erhoben eine Reihe von Brunnenbesitzern, darunter auch der Beschwerdeführer, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes vom 12. Dezember 1991 Berufung.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 3. Dezember 1993 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 12. Dezember 1991 abgewiesen. In der Begründung heißt es im wesentlichen, die der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides vorangegangene mündliche Verhandlung sei durch Anschlag der Kundmachung an der Gemeindetafel in S und durch persönliche Verständigung der im § 107 Abs. 1 WRG 1959 genannten Personen anberaumt worden. Der Beschwerdeführer sei nicht persönlich zu laden gewesen, weil seine Brunnenanlage nicht im Wasserbuch eingetragen sei. Der Beschwerdeführer habe weder an der Verhandlung teilgenommen noch von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, schriftliche Einwendungen bis zur mündlichen Verhandlung vorzubringen. Für den Beschwerdeführer sei daher Präklusion eingetreten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Der Beschwerdeführer bringt vor, in der vom Amt der Steiermärkischen Landesregierung durchgeführten mündlichen Verhandlung vom 11. Februar 1992 sei den Brunnenbesitzern, darunter auch dem Beschwerdeführer, Parteistellung zuerkannt worden. Die Auffassung der belangten Behörde, dem Beschwerdeführer gegenüber sei wegen nicht rechtzeitig erhobener Einwendungen Präklusion eingetreten, sei daher unzutreffend.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 41 Abs. 1 AVG hat die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung durch persönliche Verständigung der bekannten Beteiligten zu erfolgen und wird nach Bedarf überdies noch durch Anschlag in der Gemeinde oder durch Verlautbarung in der für amtliche Kundmachungen der Behörde bestimmten Zeitung bekanntgemacht.
Für nach dem WRG 1959 durchzuführende mündliche Verhandlungen enthält § 107 Abs. 1 leg. cit. insofern gegenüber dem § 41 Abs. 1 AVG eine Abweichung, als der Kreis der persönlich zu ladenden Personen anders umschrieben ist. Nach § 107 Abs. 1 zweiter Satz WRG 1959 sind zur mündlichen Verhandlung der Antragsteller und die Eigentümer jener Grundstücke, die durch die geplanten Anlagen oder durch Zwangsrechte (§ 60) in Anspruch genommen werden sollen, persönlich zu laden; dies gilt auch für jene im Wasserbuch eingetragenen Wasserberechtigten und Fischereiberechtigten, in deren Rechte durch das Vorhaben eingegriffen werden soll. Die anderen Parteien sowie die sonstigen Beteiligten sind durch Anschlag in den Gemeinden, in denen das Vorhaben ausgeführt werden soll, zu laden.
Wurde eine mündliche Verhandlung durch Anschlag in der Gemeinde oder auch durch Verlautbarung in der für amtliche Kundmachungen der Behörde bestimmten Zeitung bekanntgemacht, so hat dies nach § 42 Abs. 1 AVG zur Folge, daß Einwendungen, die nicht spätestens am Tage vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung vorgebracht wurden, keine Berücksichtigung finden und angenommen wird, daß die Beteiligten dem Parteiantrag, dem Vorhaben oder der Maßnahme, die den Gegenstand der Verhandlung bilden, zustimmen.
Aus einer Zusammenschau der §§ 41 und 42 AVG und des § 107 Abs. 1 WRG 1959 ergibt sich, daß im Falle einer auch durch Anschlag in der Gemeinde kundgemachten mündlichen Verhandlung im Zuge eines Wasserrechtsverfahrens für Personen, die nach § 107 Abs. 1 WRG 1959 nicht persönlich zu laden waren, Präklusion eintritt, wenn sie nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen vorgebracht haben.
Die belangte Behörde hat in der Begründung ihres Bescheides ausgeführt, der Beschwerdeführer sei nicht persönlich zu der der Erlassung des Bescheides des Landeshauptmannes vom 12. Dezember 1991 vorangegegangenen mündlichen Verhandlung zu laden gewesen, weil das von ihm behauptete Wasserrecht nicht im Wasserbuch eingetragen sei. Der Beschwerdeführer ist dem ebensowenig entgegengetreten wie der Feststellung, daß er bei bzw. vor dieser Verhandlung keine Einwendungen im Sinne des § 42 Abs. 1 AVG vorgebracht habe. Damit ist aber für den Beschwerdeführer Präklusion eingetreten. Die vom Amt der Steiermärkischen Landesregierung am 11. Februar 1992 durchgeführte "Verhandlung" war keine Verhandlung im Sinne der §§ 40 bis 44 AVG. Daß diese Veranstaltung nicht zu dem Zweck durchgeführt wurde, eine neuerliche mündliche Verhandlung über das Projekt der mitbeteiligten Partei durchzuführen geht unzweideutig aus der "Verhandlungsschrift" hervor. Dieser ist zu entnehmen, daß die Veranstaltung der INFORMATION der im Wasserbuch eingetragenen Wasserbenutzungsberechtigten diente, die - zu Unrecht - zur wasserrechtlichen Verhandlung nicht geladen wurden. Der Beschwerdeführer zählt nicht zu diesem Personenkreis. Eine bloße Informationsveranstaltung ist keine mündliche Verhandlung im Sinne der §§ 40 bis 44 AVG. Die "Verhandlung" am 11. Februar 1992 eröffnete daher nicht die Möglichkeit, durch die Erhebung von Einwendungen die eingetretene Präklusion wieder rückgängig zu machen.
Die Äußerung des Verhandlungsleiters über die Parteistellung von Wasserbenutzungsberechtigten - sie bezog sich überdies nicht auf den Beschwerdeführer, sondern nur auf die Inhaber im Wasserbuch eingetragener Wasserbenutzungsrechte - hatte lediglich eine Frage der Parteistellung, nicht aber die der Präklusion zum Inhalt und wollte - und konnte - die bereits eingetretene Präklusion des Beschwerdeführers nicht rückgängig machen.
Für den Beschwerdeführer ist auch aus der - in der Beschwerde ohnehin nicht angeführten - Bestimmung des § 107 Abs. 2 WRG 1959 nichts zu gewinnen.
Nach § 107 Abs. 2 leg. cit. kann eine Partei (§ 102 Abs. 1), die eine mündliche Verhandlung ohne Verschulden versäumt hat, ihre Einwendungen auch nach Abschluß der mündlichen Verhandlung und bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Angelegenheit vorbringen. Solche Einwendungen sind binnen zwei Wochen von dem Zeitpunkt, in dem die Partei nachweislich davon Kenntnis erhalten hat, daß ihre Rechte durch das Bauvorhaben berührt werden, bei der Behörde einzubringen, die die mündliche Verhandlung anberaumt hat, und von dieser oder von der Berufungsbehörde in gleicher Weise zu berücksichtigen, als wären sie in der mündlichen Verhandlung erhoben worden.
Der Umstand allein, daß der Beschwerdeführer nicht persönlich zur Verhandlung geladen wurde, bewirkt nicht, daß er ohne sein Verschulden diese Verhandlung versäumt hat, da diese ordnungsgemäß ausgeschrieben wurde und der Beschwerdeführer nicht zu den nach § 107 Abs. 1 WRG 1959 persönlich zu ladenden Personen gehört.
Eine andere Interpretation stünde im Widerspruch zur Konzeption der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung durch Anschlag an der Gemeindeamtstafel. Dieser Konzeption, die im AVG grundgelegt ist und im WRG übernommen wurde, liegt die Annahme des Gesetzgebers zugrunde, daß es sich dabei um eine ausreichende Information der Betroffenen handelt, die es diesem ermöglicht, von der Verhandlungsanberaumung Kenntnis zu erlangen.
Auch ein Vergleich zwischen § 107 Abs. 2 WRG 1959 in der Fassung vor und nach der Novelle 1990 bestätigt die Auffassung, daß der Umstand allein, daß eine Partei, die nicht persönlich zu laden war, nur durch die öffentliche Kundmachung von der Verhandlung Kenntnis erlangen konnte, nicht zum Ausschluß der Präklusion führt.
§ 107 Abs. 2 WRG 1959 sah vor, daß eine Partei, die eine mündliche Verhandlung versäumte, weil sie nicht persönlich verständigt worden war, selbst dann, wenn die Anberaumung der mündlichen Verhandlung öffentlich bekanntgemacht worden war (§ 41 Abs. 2 AVG), ihre Einwendungen auch nach Abschluß der mündlichen Verhandlung und bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Angelegenheit vorbringen konnte. Die Entfernung dieses Passus aus dem Gesetzestext zeigt, daß der Gesetzgeber die Präklusion eintreten lassen will, wenn eine nicht persönlich zu ladende Partei ordnungsgemäß durch öffentliche Kundmachung der Verhandlung geladen wurde, aber keine Einwendungen - aus welchem Grund immer - erhoben hat.
Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994070011.X00Im RIS seit
12.11.2001