TE Vwgh Erkenntnis 1994/9/27 92/07/0083

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Veröffentlicht am 27.09.1994
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

ABGB §6;
VwGG §42 Abs2 lita;
WRG 1959 §100;
WRG 1959 §122 Abs1;
WRG 1959 §99;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bachler, über die Beschwerde

1.

der WG A.-Bach, vertreten durch den Obmann Dr. F in A, und

2.

des K, beide vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des BM für Land- und Forstwirtschaft vom 30. Jänner 1992, Zl. 411.095/01-I 4/88, betreffend einstweilige Verfügung in einer Wasserrechtsangelegenheit (mP: Stadtgemeinde H; kurz mP), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Eingabe vom 2. November 1987 beantragten die Beschwerdeführer beim Landeshauptmann von Tirol die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, daß den Stadtwerken H. als Eigentümern der Kraftwerksanlage H.-Tal unverzüglich aufgetragen werden wolle, sämtliche Maßnahmen zu setzen, daß dem A.-Bach regelmäßig 690 l/sec zugeleitet werden, wann immer die in der Kraftwerksanlage H.-Tal abgearbeitete Wassermenge bezüglich des dem M.-Bach zugeleiteten Wassers dies erlaube, und weiters sämtliche Maßnahmen zu unterlassen, die die regelmäßige Zuleitung von 690 l/sec zum A.-Bach hintanhalten, wobei beantragt wurde, behördlich zu überprüfen, weshalb es im Zeitpunkt der Antragstellung zu einem Ablauf von Wasser aus der unteren Ausleitung der Kraftwerksanlage H.-Tal (Trinkwasserüberlauf) der Stadtwerke H. in den W.-Bach komme.

Am 9. März 1988 hat der Landeshauptmann von Tirol eine Verhandlung an Ort und Stelle durchgeführt, worauf er dann mit Bescheid vom 16. August 1988 dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung mangels erforderlicher Voraussetzungen keine Folge gegeben hat.

Gegen diesen Bescheid haben die Beschwerdeführer berufen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 30. Jänner 1992 gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführer keine Folge. Begründend führte sie nach Darstellung des bisherigen Verfahrensverlaufes aus, es sei in der gegenständlichen Angelegenheit unbestritten und zuletzt im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Dezember 1990, Zlen. 89/07/0185 und 90/07/0045, ausgesprochen, daß das unter WBPZ 865 eingetragene Wasserrecht der Österreichischen Saline durch deren Verzicht am 24. März 1967 erloschen sei und an dessen Stelle weder der WG A.-Bach noch ihren Mitgliedern ausdrücklich ein Wasserrecht dahingehend eingeräumt worden sei, das künstliche Gerinne A-Bach mit einer bescheidmäßig festgesetzten Wassermenge zu beschicken. Laut diesem Erkenntnis folge das Bestehen eines Wasserbenutzungsrechtes nicht auch unmittelbar daraus, daß der Österreichischen Saline mit Bescheid des Landeshauptmannes vom 28. Mai 1979 gemäß § 29 Abs. 3 WRG 1959 die Übergabe bestimmter noch vorhandener Anlagenteile aufgetragen worden sei. Eine wasserrechtliche Bewilligung sei mit Überlassung von Anlagen oder Anlageteilen ex lege nicht verknüpft. Eine diesbezügliche wasserrechtliche Bewilligung fehle bisher sowohl der Erstbeschwerdeführerin als auch ihren Mitgliedern, denen laut zitiertem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes lediglich Rechte zur Benutzung des im A.-Bach fließenden Wassers, nicht aber Rechte zur Ausleitung von Wasser aus dem S.-Bach zustünden. Ohne eine bescheidmäßige Zuerkennung eines diesbezüglichen Wasserbenutzungsrechtes komme jedoch eine amtswegige Berichtigung des Wasserbuches nicht in Betracht. Eine einstweilige Verfügung, mit der eine nicht vorhandene wasserrechtliche Bewilligung verliehen würde, wäre unzulässig.

Der Zweitbeschwerdeführer sei hinsichtlich des unter WBPZ 685 eingetragenen Wasserbenutzungsrechtes zum Betrieb einer Kraftwerksanlage am A.-Bach berechtigt. Die Wasserführung dieses Kraftwerkes befinde sich aufgrund der Aktenlage nach der Teilhütte am A.-Bach und sohin nicht am S.-Bach bzw. W.-Bach. Die belangte Behörde teile die Rechtsansicht der Behörde erster Instanz, daß kein rechtlicher Zusammenhang zwischen dieser wasserrechtlichen Bewilligung und dem Recht der Stadtgemeinde H. hergestellt werden könne, da das dazwischenliegende Recht, von dem diese Berechtigung abhänge, nicht (mehr) existiere.

Der Zweitbeschwerdeführer führe ferner aus, daß er gemäß WBPZ 571 zum Betrieb einer Wasserkraftanlage am A.-Bach berechtigt sei.

Hiezu sei festzuhalten, daß der Zweitbeschwerdeführer zwar rechtzeitig um die Wiederverleihung dieses Wasserbenutzungsrechtes angesucht habe, dieses aber ihm nicht rechtzeitig verliehen worden sei. Da dieses Wasserbenutzungsrecht mangels rechtzeitiger Wiederverleihung nach der damaligen Rechtslage erloschen sei und ein neues Recht (noch) nicht verliehen worden sei, sei der Zweitbeschwerdeführer nicht im Besitz eines diesbezüglichen Wasserrechtes. Im übrigen werde zu den vorstehenden Ausführungen auf das unter WBPZ 685 eingetragene Wasserbenutzungsrecht verwiesen. Hinsichtlich des Antrages der Beschwerdeführer an die Behörde erster Instanz, zu prüfen, weshalb es zum Zeitpunkt der Antragstellung zu einem Ablauf von Wasser aus der unteren Ausleitung der Kraftwerksanlage H.-Tal der Stadtwerke H. gekommen sei, sei festzuhalten, daß kein Rechtsanspruch auf eine derartige Untersuchung bestehe. Im übrigen sei die Behörde erster Instanz diesem Ansuchen nachgekommen. Die Bestreitung der diesbezüglichen Ermittlungsergebnisse der Wasserrechtsbehörde erster Instanz vermöge deren Bescheid keinesfalls mit Rechtswidrigkeit zu belasten.

Die Beschwerdeführer machen gegen diesen Bescheid Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften in ihrer Beschwerde geltend. Nach ihrem gesamten Vorbringen erachten sie sich dadurch in ihren Rechten verletzt, daß die belangte Behörde der begehrten einstweiligen Verfügung keine Folge gegeben habe, sodaß ihnen eine zu geringe Wassermenge für Zwecke der Energiegewinnung von der mP zugeleitet werde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet.

Die mitbeteiligte Partei hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie ebenfalls die Abweisung dieser Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 122 Abs. 1 WRG 1959 kann die Bezirksverwaltungsbehörde (kurz BVB) bei Gefahr im Verzuge - zur Wahrung öffentlicher Interessen von Amts wegen, zum Schutze Dritter auf deren Antrag - die erforderlichen einstweiligen Verfügungen treffen. Die nach § 99 oder 100 zuständige Wasserrechtsbehörde kann solche einstweiligen Verfügungen abändern oder selbst treffen. Diese Befugnis steht während der Anhängigkeit eines Berufungsverfahrens auch der Berufungsbehörde zu, selbst dann, wenn gegen die einstweilige Verfügung keine Berufung erhoben wurde.

Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides geht hervor, daß die belangte Behörde offenbar der Auffassung war, daß ein Anwendungsfall des § 122 Abs. 1 WRG 1959 vorliege, während im erstinstanzlichen Bescheid nur generell auf § 122 leg. cit. verwiesen wird, sich jedoch aus den zitierten Gesetzesstellen erschließen läßt, daß auch die Behörde erster Instanz nur von der Anwendung des Abs. 1 dieses Paragraphen ausgegangen ist.

Weder aus dem erstinstanzlichen noch aus dem angefochtenen Bescheid geht jedoch hervor, worauf der Landeshauptmann - abgesehen von dem bei ihm eingebrachten Antrag - seine erstinstanzliche Zuständigkeit nach § 122 Abs. 1 WRG 1959 ableitet.

Erst im Zuge der Gegenschrift führt die belangte Behörde aus, daß die Kraftwerksanlage der mP, auf die sich der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung beziehe, mehr als 150 kW Höchstleistung erbringe. Die Zuständigkeit des Landeshauptmannes in erster Instanz gründe sich daher auf § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 122 Abs. 1 zweiter Satz WRG 1959.

Nach Meinung des Verwaltungsgerichtshofes ist jedoch grundsätzlich zur Erlassung einstweiliger Verfügungen gemäß § 122 Abs. 1 WRG 1959 aufgrund des ersten Satzes dieser Bestimmung die BVB zuständig.

Die Möglichkeit, die einstweilige Verfügung auf Abs. 1 dritter Satz leg. cit. zu stützen, scheidet im Beschwerdefall aus, da es bereits am Tatbestandselement eines anhängigen Berufungsverfahrens fehlt.

Obwohl der Gesetzgeber neben der grundsätzlichen Zuständigkeit der BVB im § 122 Abs. 1 zweiter Satz leg. cit. auch eine Zuständigkeit für die "nach § 99 oder 100 zuständige Wasserrechtsbehörde" vorsieht, eine solche einstweilige Verfügung abzuändern oder selbst zu treffen, kann die erstinstanzliche Zuständigkeit des Landeshauptmannes nach Meinung des Verwaltungsgerichtshofes im Beschwerdefall nicht auf diese Bestimmung gestützt werden.

Die nach den §§ 99 oder 100 WRG 1959 "zuständige" Behörde kann nur entweder eine bereits von der BVB erlassene Verfügung abändern oder selbst eine solche treffen (arg. Gesetzeswortlaut). Aus dieser funktionalen Zuständigkeitsnorm "leuchtet" (§ 6 ABGB) der Gesetzeszweck "hervor", daß der "zuständigen" Wasserrechtsbehörde eine Korrekturmöglichkeit gegen Untätigkeit (arg. "selbst treffen") oder sachlich verfehltes Tätigwerden (arg. "abändern") der nach § 122 Abs. 1 erster Satz WRG 1959 zur Erlassung einstweiliger Verfügungen von Amts wegen oder auf Antrag grundsätzlich zuständigen BVB einzuräumen. Nicht hingegen ist aus § 122 Abs. 1 zweiter Satz leg. cit. eine Kompetenz der "zuständigen" Wasserrechtsbehörde herauszulesen, über einen Parteienantrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung dann eine meritorische Entscheidung zu treffen, wenn die genannten Voraussetzungen nicht vorliegen. Anhaltspunkte hiefür sind im Zuge des Verwaltungsverfahrens nicht hervorgekommen. Die abweisliche Entscheidung über einen Parteienantrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung steht demnach im Beschwerdefall ausschließlich der BVB zu (siehe implizit das hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 1990, Zlen. 89/07/0185, 90/07/0045).

Verfehlt ist die in der Gegenschrift vertretene Meinung der belangten Behörde, auf die Kraftwerksanlage der mP die Zuständigkeit des Landeshauptmannes in erster Instanz zu gründen, da nicht die mit der Kraftwerksanlage der mP verbundenen Rechte, sondern die von der Beschwerdeführerin behaupteten Ansprüche mit der begehrten einstweiligen Verfügung geschützt werden sollten.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich für das fortzusetzende Verfahren veranlaßt, darauf hinzuweisen, daß insbesondere noch näher zu untersuchen wäre, ob tatsächlich "Gefahr im Verzuge" gegeben ist.

Aus den dargelegten Gründen hat die belangte Behörde dadurch, daß sie die Unzuständigkeit der Erstbehörde zur Erlassung des von ihr bekämpften Bescheides nicht erkannt hat, den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Dieser war daher nach § 42 Abs. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß es eines Eingehens auf die Beschwerdegründe bedürfte.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf die §§ 48 Abs. 1 und 53 Abs. 1 leg. cit., in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

Die Stempelgebühren waren für eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides, nicht jedoch für die Vorlage weiterer Beilagen, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich waren, zuzusprechen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1992070083.X00

Im RIS seit

12.11.2001

Zuletzt aktualisiert am

06.03.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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