Index
94 SchiffahrtNorm
B-VG Art83 Abs2Leitsatz
Keine Bedenken gegen eine die Erwerbsausübungsfreiheit einschränkende, doch im öffentlichen Interesse gelegene Bestimmung des SchiffahrtsG 1990 betreffend die Erteilung von Schiffahrtskonzessionen; Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch zu Unrecht erfolgte Verweigerung der Sachentscheidung infolge verfehlter Annahme eines Formgebrechens (Unterlassen der Beibringung von Belegen zur Stützung eines Antrags auf Erteilung einer Schiffahrtskonzession)Spruch
Die beschwerdeführende Gesellschaft wurde durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr) ist schuldig, der beschwerdeführenden Gesellschaft zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit 15.000 S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die beschwerdeführende Gesellschaft beantragte mit Eingabe vom 31. Juli 1990 die Erteilung einer Schiffahrtskonzession zur Güterbeförderung (§78 Abs1 Z3 des Schiffahrtsgesetzes 1990, BGBl. 87/1989).
Der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr wies diesen Antrag mit Bescheid vom 26. April 1991 gemäß §13 AVG iVm §79 Abs2 Z2 SchiffahrtsG 1990 zurück. Der Bescheid wird damit begründet, daß die einschreitende Gesellschaft trotz Aufforderung durch die Behörde den in der soeben zitierten schiffahrtsrechtlichen Vorschrift vorgesehenen Nachweis der Verfügungsberechtigung über die erforderlichen Fahrzeuge (beispielsweise durch Vorlage von Kauf- oder Mietverträgen bzw. von Optionen) nicht erbracht habe.
2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte und die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes (§79 Abs2 Z2 und 5 SchiffahrtsG 1990) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
3. Der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr erstattete eine Gegenschrift, in der er die Abweisung der Beschwerde begehrt.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. §78 Abs1 SchiffahrtsG 1990 zählt auf, für welche Arten der gewerbsmäßigen Ausübung der Schiffahrt (so in Z3 die Güterbeförderung) Konzessionen erteilt werden dürfen.
§79 Abs1 leg.cit. regelt, welchen Bewerbern eine Konzession verliehen werden kann.
§79 Abs2 lautet auszugsweise:
"(2) Die Konzession darf darüber hinaus nur erteilt werden,
1. wenn der Bewerber nachweist, daß er über wirtschaftliche Mittel in einem für die Aufnahme und Fortführung des Schiffahrtsbetriebes hinreichenden Ausmaß wird verfügen können und diese Mittel zu mehr als 75 vH von österreichischen Staatsbürgern stammen;
2. wenn der Bewerber nachweist, daß er über die erforderlichen Fahrzeuge oder Schwimmkörper wird verfügen können;
3. - 4. . . .
5. wenn hiefür ein volkswirtschaftliches Interesse besteht; ein solches Interesse liegt insbesondere dann nicht vor, wenn eine zu erteilende Konzession gemäß §78 Abs1 Z1, 2 oder 5 die Ausübung einer bestehenden Konzession zur Beförderung von Fahrgästen im Linienverkehr oder eine zu erteilende Konzession gemäß §78 Abs1 Z3 oder 4 die Ausübung einer bestehenden Konzession zur Güterbeförderung jeweils im betreffenden Gebiet wirtschaftlich erheblich beeinträchtigen würde."
2. Die beschwerdeführende Gesellschaft macht einerseits die Verfassungswidrigkeit der Z5 des §79 Abs2 SchiffahrtsG 1990 geltend.
Auf dieses Vorbringen ist nicht weiter einzugehen, weil der angefochtene Bescheid nicht auf diese Bestimmung, sondern ausschließlich auf die vorangehende Z2 gestützt wird. Auch der Verfassungsgerichtshof hat bei Entscheidung über die vorliegende Beschwerde die Z5 nicht anzuwenden; sie ist sohin nicht präjudiziell.
3.a) Die beschwerdeführende Gesellschaft bringt aber auch gegen die hier präjudizielle Z2 des §79 Abs2 SchiffahrtsG 1990 verfassungsrechtliche Bedenken vor; diese Vorschrift widerspreche dem durch Art6 StGG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Erwerbsfreiheit.
b) §79 Abs2 Z2 leg.cit. sieht als eine der Voraussetzungen für die Zulassung zum Gewerbe vor, daß es - falls die Konzession erteilt wird - dem Konzessionswerber möglich sein wird, über die erforderlichen Fahrzeuge oder Schwimmkörper zu verfügen. Das Gesetz überträgt dem Antragsteller die Last, dies im Zeitpunkt der Antragstellung glaubhaft zu machen; ein endgültiger Nachweis hierüber ist erst nach der Klärung der entscheidenden Konzessionsvoraussetzung des Bestehens eines volkswirtschaftlichen Interesses notwendig (vgl. die EB zu der das SchiffahrtsG 1990 betreffenden RV, 705 BlgNR, 17. GP, S 57).
Der Verfassungsgerichtshof hat unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles gegen die zuletzt erwähnte Bestimmung weder das Bedenken, daß sie dem Art6 StGG (vgl. hiezu zB VfSlg. 11749/1988) widerspricht, noch daß sie sonst im Gegensatz zur Bundesverfassung steht. Diese Vorschrift liegt schon deswegen im öffentlichen Interesse, weil sie das - nicht bloß für die Schiffahrtsbehörde - aufwendige Verfahren zur Feststellung des volkswirtschaftlichen Interesses iS des §79 Abs2 Z5 SchiffahrtsG 1990 für den Fall erspart, daß der Bewerber voraussichtlich ohnehin nicht über die erforderlichen Fahrzeuge oder Schwimmkörper wird verfügen können. Sie vermag auch von vornherein zu hindern, daß gleichsam auf Vorrat Schiffahrtskonzessionen gehortet werden, deren Ausübung zumindest vorerst gar nicht beabsichtigt ist, wodurch allenfalls ernsthafte Bewerber von einem Konzessionserwerb unnötig lang ausgeschlossen würden. (Der in §83 Abs2 Z3 SchiffahrtsG 1990 normierte Widerruf der Konzession hat erst dann zu erfolgen, wenn die Konzession länger als ein Jahr nicht ausgeübt wird.) Eine Abwägung der mit der erwähnten Vorschrift für den Bewerber verbundenen Mühen mit den für die Allgemeinheit und sonstige Interessenten verbundenen Vorteilen ergibt, daß dem Bewerber mit gutem Grund zugemutet werden kann, die in Rede stehende Einschränkung der Erwerbsfreiheit in Kauf zu nehmen.
4.a) Die beschwerdeführende Gesellschaft behauptet weiters, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden zu sein.
Dieses Recht wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (zB VfSlg. 9696/1983), etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 10374/1985).
b) Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der beschwerdeführenden Gesellschaft eine Sachentscheidung über ihren Antrag auf Erteilung einer Schiffahrtskonzession dadurch verweigert, daß dieser gemäß §13 AVG zurückgewiesen wurde; dies der Sache nach mit der Begründung, daß der behördliche Auftrag, formelle Mängel zu beheben, nicht befolgt worden sei.
Formgebrechen im Sinne des §13 Abs3 AVG, deren Nichtbehebung zur Zurückweisung eines schriftlichen Anbringens führt, sind Mängel, die aus der Nichterfüllung von (gesetzlichen) Formvorschriften resultieren; keine Formgebrechen im erwähnten Sinn sind vornehmlich Mängel, die sich auf die inhaltliche Beurteilung des Anbringens auswirken; ob ein Formmangel oder ein inhaltlicher Mangel vorliegt, muß an Hand der im Einzelfall maßgebenden Verwaltungsvorschriften entschieden werden (vgl. Ringhofer, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, I. Band, Wien 1987, Anm. 11 zu §13 AVG). Nur Formgebrechen eines Parteibegehrens, nicht aber dessen Fehlerhaftigkeit in materieller Beziehung nehmen einer Behörde die Möglichkeit, eine Sachentscheidung zu treffen. Das Unterlassen der Beibringung von Belegen, die dem Nachweis einer bestimmten Befähigung zum Antritt eines Gewerbes dienen, stellt kein bloßes Formgebrechen dar. Werden einem Anbringen Belege nicht angeschlossen, so kann ein solcher Fehler nur dann ein Formgebrechen darstellen, wenn das Gesetz (ausdrücklich) vorschreibt, daß der Eingabe bestimmte Unterlagen anzuschließen sind (vgl. Ringhofer, aaO, E 18,22,23,24,25 zu §13 AVG).
c) Entgegen der dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Meinung schreibt nun §79 Abs2 Z2 SchiffahrtsG 1990 nicht vor, daß dem Konzessionsantrag bestimmte Unterlagen beizufügen sind, sondern verlangt eine behördliche Prognoseentscheidung (daß nämlich der Konzessionswerber über die erforderlichen Fahrzeuge oder Schwimmkörper wird verfügen können), zu der der Antragsteller qualifiziert beizutragen hat. Mißlingt ihm die vom Gesetz geforderte Glaubhaftmachung, so wirkt sich das (für ihn negativ) auf die inhaltliche Beurteilung des Anbringens aus.
d) Daraus folgt, daß die Behörde - ausgehend von der verfehlten Meinung, es liege ein Formgebrechen vor - der beschwerdeführenden Gesellschaft zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert hat.
Die beschwerdeführende Gesellschaft wurde durch den angefochtenen Bescheid sohin im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt. Der Bescheid war deshalb aufzuheben.
5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG.
In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von 2.500 S enthalten.
III. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung gefällt werden.
Schlagworte
Schiffahrt, Erwerbsausübungsfreiheit, Bescheidbegründung, Verwaltungsverfahren, Formgebrechen, öffentliches InteresseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1992:B672.1991Dokumentnummer
JFT_10079391_91B00672_00