TE Vwgh Erkenntnis 1994/9/27 94/07/0025

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Veröffentlicht am 27.09.1994
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Index

L66503 Flurverfassung Zusammenlegung landw Grundstücke
Flurbereinigung Niederösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;
80/06 Bodenreform;

Norm

AVG §13 Abs3;
AVG §37;
AVG §7 Abs1 Z5;
AVG §7 Abs1;
AVG §71 Abs2;
FlVfGG §3;
FlVfLG NÖ 1975 §10;
FlVfLG NÖ 1975 §11;
FlVfLG NÖ 1975 §12;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde 1) des JM,

2) der MM, beide in K, beide vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in H, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung vom 30. November 1993, Zl. VI/3-F-64/12, betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Zurückweisung eines Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens in einer Bodenreformsache, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Niederösterreich insgesamt Aufwendungen in Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 7. Jänner 1987 leitete die Niederösterreichische Agrarbezirksbehörde (AB) das Flurbereinigungsverfahren N. ein, in welches fünf Grundstücke der Beschwerdeführer einbezogen worden sind. Mit Bescheid vom 31. Oktober 1989 bezog die AB ein weiteres Grundstück der Beschwerdeführer in das Flurbereinigungsverfahren ein, mit Bescheid vom 7. November 1989 erließ sie den Plan der gemeinsamen Maßnahmen und Anlagen (erster Teilplan). Einer gegen die nachträgliche Einbeziehung ihres weiteren Grundstückes in das Flurbereinigungsverfahren von den Beschwerdeführern erhobenen Berufung blieb ein Erfolg versagt.

Mit Bescheid vom 3. Juli 1990 erließ die BH Besitzstandsausweis und Bewertungsplan, welcher in Rechtskraft erwachsen ist.

Im Zuge des Verfahrens zur Anordnung der vorläufigen Übernahme der Grundabfindungen wurde in einer Niederschrift über eine am 2. Oktober 1990 von der AB durchgeführte Verhandlung festgehalten, die Beschwerdeführer hätten vorgebracht, daß eines ihrer Grundstücke nicht der Katasterfläche entspreche. Dieser Sachverhalt sei bei der Besitzstandserhebung nicht vorgebracht worden, "sodaß Besitzstandsausweis und Bewertungsplan mit der Katasterfläche rechtskräftig geworden seien". Eine am heutigen Tage durchgeführte Nachmessung ergebe tatsächlich eine Differenz zwischen Katasterfläche und Naturfläche des betroffenen Grundstücks der Beschwerdeführer im Umfang von 1.006 m2. Am Ende dieser Niederschrift ist folgendes beurkundet:

"Die Partei (Beschwerdeführer) wurde auf den üblichen "Rechtswege" verwiesen, nämlich anläßlich der Planauflage eine Berufung einzubringen. Eine Änderung der Absteckung der Abfindungsgrundstücke erfolgt daher zu "diesen" Zeitpunkt nicht."

Mit Bescheid vom 15. Oktober 1990 ordnete die AB die vorläufige Übernahme der Grundabfindungen an.

Mit einer am 3. März 1993 bei der Agrarbezirksbehörde eingelangten Eingabe ihres nunmehrigen Rechtsvertreters begehrten die Beschwerdeführer die Wiederaufnahme des die Erlassung des Besitzstandsausweises betreffenden, abgeschlossenen Verfahrens mit dem Vorbringen, daß nach Erlassung des Bescheides über Besitzstandsausweis und Bewertungsplan vorgenommene Nachmessungen durch ein von ihnen beauftragtes Vermessungsbüro ergeben hätten, daß ihre Altgrundstücke entgegen den Katasterflächen von 12.760 m2 in der Natur ein Flächenausmaß von 14.725 m2 aufwiesen. Daß diese enormen Flächenabweichungen erst nach Erlassung des Bescheides über den Besitzstandausweis bekannt geworden seien und unter anderem auch von der AB selbst in der Niederschrift vom 2. Oktober 1990 teilweise festgestellt worden seien, begründe eine neue Tatsache im Sinne des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG, welche einen anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Es hätten die Beschwerdeführer auf diese Differenz schon mehrfach schriftlich oder mündlich hingewiesen, insbesondere in der Niederschrift vom 2. Oktober 1990 seien die Beschwerdeführer allerdings unrichtigerweise dahin belehrt worden, daß die Rechtskraft des Besitzstandsausweises unabänderlich sei und daß sie anläßlich der Planauflage eine Berufung einbringen könnten. Durch diese unrichtige Rechtsbelehrung hätten die Beschwerdeführer die Frist für die Stellung des Wiederaufnahmeantrages in der Meinung versäumt, daß tatsächlich keine Möglichkeit bestünde, die Rechtskraft des Besitzstandsausweises zu beseitigen. Ohne ihr Verschulden seien die Beschwerdeführer damit durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis im Sinne des § 71 AVG an der rechtzeitigen Stellung des Wiederaufnahmeantrages gehindert gewesen, weshalb sie gleichzeitig beantragten, ihnen gegen die Versäumung der Frist zur Stellung eines Wiederaufnahmeantrages die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Mit Bescheid vom 16. März 1993 wies die AB den Wiedereinsetzungsantrag der Beschwerdeführer ab und ihren Wiederaufnahmeantrag als verspätet zurück. Der Irrtum der Beschwerdeführer, so führte die AB begründend aus, über die Möglichkeit der Stellung eines Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens sei kein tauglicher Wiedereinsetzungsgrund, der Wiederaufnahmeantrag unter Berufung auf Vermessungsergebnisse vom 11. Dezember 1990 sei verspätet.

Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführer wies die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Sie trat in der Begründung ihrer Entscheidung der von der AB vertretenen Auffassung bei, daß Rechtsunkenntnis über die Möglichkeit der Stellung eines Wiederaufnahmeantrages nicht als unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis anzusehen sei. Sache der Beschwerdeführer wäre es gewesen, sich vorsorglich bei rechtskundigen Personen zu informieren; eine Verpflichtung der Behörde zur Erteilung vorsorglicher Rechtsbelehrungen über die Möglichkeit einer Wiederaufnahme rechtskräftig abgeschlossener Verfahren sei auch aus § 13a AVG nicht abzuleiten. Auch die Zurückweisung des Wiederaufnahmeantrages erweise sich aus dem Grunde des § 69 Abs. 2 AVG demgemäß als zutreffend. Gegen die Wirksamkeit der Zustellung des Besitzstandsausweises den Beschwerdeführern gegenüber bestünden keine Bedenken, der Besitzstandsausweis sei demnach in Rechtskraft erwachsen. Der erst im Jahre 1993 gestellte Wiederaufnahmeantrag sei von der AB mit Recht als verspätet beurteilt worden, wenn man davon ausgehe, daß die Beschwerdeführer am 11. Dezember 1990 Kenntnis davon erlangt hätten, daß die Flächenausmaße ihrer Grundstücke in der Natur mit den im Besitzstandsausweis enthaltenen Angaben nicht übereinstimmten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher die Beschwerdeführer seine Aufhebung aus dem Grunde der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder jener infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehren; die Beschwerdeführer erachten sich in ihrem Recht auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Vorliegen der dafür erforderlichen Voraussetzungen als verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführer wenden sich verfahrensrechtlich richtigerweise nicht gegen die im angefochtenen Bescheid auch bestätigte Zurückweisung ihres Wiederaufnahmeantrages als verspätet, sondern bekämpfen ausschließlich die Abweisung ihres Wiedereinsetzungsantrages gegen die ohnehin zugestandene Versäumung der vom Gesetz für die Stellung eines Wiederaufnahmeantrages eingeräumten Frist.

Die im angefochtenen Bescheid bestätigte Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages der Beschwerdeführer hat sie in ihren Rechten im Beschwerdefall aber schon deswegen nicht verletzt, weil dieser Wiedereinsetzungsantrag richtigerweise von der Erstbehörde zurückgewiesen hätte werden müssen.

Gemäß § 71 Abs. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen, und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder die Partei die Berufungsfrist versäumt hat, weil der Bescheid fälschlich die Angabe enthält, daß keine Berufung zulässig sei. Nach dem zweiten Absatz dieses Paragraphen ist der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt zu stellen, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung zu der der Bestimmung des § 71 Abs. 2 AVG gleich gestalteten Norm des § 46 Abs. 3 VwGG die Auffassung, daß einem Wiedereinsetzungsbegehren, in welchem keine Angaben über dessen Rechtzeitigkeit enthalten sind, der Charakter eines dem Gesetz entsprechenden Wiedereinsetzungsantrages fehlt, und daß das Fehlen solcher Angaben im Wiedereinsetzungsantrag einen nicht verbesserungsfähigen Inhaltsmangel begründet, der zur Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages führen muß (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 672,

2. und 3. Absatz, wiedergegebene hg. Judikatur). Der in den Wiederaufnahmeantrag der Beschwerdeführer aufgenommene Wiedereinsetzungsantrag enthält als Wiedereinsetzungsgrund die Behauptung, daß die Beschwerdeführer durch die unrichtige Rechtsbelehrung vom 2. Oktober 1990 über die Möglichkeit der Beseitigung der Rechtskraft des Besitzstandsausweises durch die Stellung eines Wiederaufnahmeantrages in einen Irrtum geführt worden seien, welcher das unvorhergesehene und unabwendbare Ereignis gebildet habe, das sie an der rechtzeitigen Stellung des Wiederaufnahmeantrages gehindert habe. Die Beschwerdeführer haben es jedoch verabsäumt, in ihren Antrag jenen im Sinne des § 71 Abs. 2 AVG rechtserheblichen Zeitpunkt anzugeben, mit welchem das behauptete Hindernis ihres Irrtums weggefallen wäre und von welchem an demnach die Rechtzeitigkeit ihres Wiedereinsetzungsantrages zu beurteilen gewesen wäre. Dies hatte nach der dargestellten hg. Judikatur zur Zurückweisung ihres Wiedereinsetzungsantrages zu führen; daß die belangte Behörde statt dessen die meritorische Abweisung dieses Antrages durch die AB bestätigt hat, begründet bei der gegebenen Verfahrensrechtslage eine Rechtsverletzung der Beschwerdeführer nicht.

Auf das Beschwerdevorbringen über die Berechtigung des Wiedereinsetzungsvorbringens war demnach nicht mehr einzugehen. Insoweit die Beschwerdeführer die ihnen am 2. Oktober 1990 erteilte Rechtsbelehrung als unrichtige Rechtsmittelbelehrung in bezug auf einen in dieser Verhandlung als mündlich erlassen anzusehenden Bescheid zu deuten versuchen, wäre für sie aus einer solchen Interpretation im übrigen deswegen nichts zu gewinnen gewesen, weil sie ein solches Verständnis der erhaltenen Information nur zu einem Wiedereinsetzungsantrag gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Berufung gegen einen solchen Bescheid berechtigen hätte können; ein darauf abzielendes Begehren haben sie indessen nicht erhoben. Die von ihnen in der Beschwerde gleichfalls gerügte Mitwirkung jenes Organwalters, welcher den Bescheid über den Besitzstandsausweis und den Bewertungsplan vom 3. Juli 1990 für die AB gezeichnet hatte, an der Beschlußfassung über den nunmehr angefochtenen Bescheid konnte den von den Beschwerdeführern gesehenen Befangenheitsgrund des § 7 Abs. 1 Z. 5 AVG schon deswegen nicht verwirklichen, weil es sich beim Bescheid über Besitzstandsausweis und Bewertungsplan nicht um den Bescheid gehandelt hat, der im vorliegenden Berufungsverfahren der belangten Behörde angefochten war.

Mit Rücksicht auf das Beschwerdevorbringen, wonach die Beschwerdeführer schon vor Erlassung des Besitzstandsausweises bezüglich einer Übereinstimmung der Katasterflächen mit den Naturflächen ihrer Grundstücke Bedenken gehabt hätten, sieht sich der Verwaltungsgerichtshof zur Feststellung veranlaßt, daß auch ein Erfolg des dem Beschwerdefall zugrundeliegenden Wiedereinsetzungsantrages keine Aussicht geboten hätte, dem beklagten Übelstand abzuhelfen. War doch das Wiederaufnahmebegehren der Beschwerdeführer deswegen als aussichtslos zu beurteilen, weil es ihnen zum Verschulden zuzurechnen gewesen wäre, daß sie es unterlassen haben, ihre schon vor Erlassung des Besitzstandsausweises gehegten Bedenken in tauglicher Weise zu artikulieren und diesen Bescheid mit Berufung zu bekämpfen. Die Beschwerdeführer haben sich das Ergebnis des rechtskräftig unrichtigen Besitzstandsausweises durch ihre Säumigkeit demnach selbst zuzuschreiben; im Jahre 1993 war die Lage nicht mehr zu retten.

Die Beschwerde war somit § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen; von der Durchführung der von den Beschwerdeführern beantragten Verhandlung hat der Verwaltungsgerichtshof aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzler BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Einfluß auf die Sachentscheidung Verbesserungsauftrag Ausschluß Wiedereinsetzungsantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994070025.X00

Im RIS seit

25.01.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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