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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art144;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des N in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 15. November 1993, Zl. SD 596/93, betreffend Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 15. November 1993 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines jugoslawischen Staatsangehörigen, auf Aufhebung des gegen ihn erlassenen (bis 1999 befristeten) Aufenthaltsverbotes gemäß § 26 FrG abgewiesen.
Begründend wurde ausgeführt, daß sich das gegen den Beschwerdeführer im Februar 1989 erlassene Aufenthaltsverbot im wesentlichen darauf gegründet habe, daß er am 5. Dezember 1985 wegen Körperverletzung und Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe und am 21. Februar 1989 wegen Erpressung, gefährlicher Drohung, Nötigung und Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten, davon sechs Monate bedingt, rechtskräftig verurteilt worden war. Den Antrag auf Aufhebung dieser Maßnahme habe der Beschwerdeführer damit begründet, daß er in Österreich mit seiner Gattin, die mittlerweile österreichische Staatsbürgerin sei und seinem im März 1993 in Wien geborenen Sohn leben möchte. Der Beschwerdeführer habe nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes das Bundesgebiet verlassen. 1991 sei ihm die Wiedereinreise bewilligt worden, um in Österreich seine nunmehrige Gattin heiraten zu können. In der Folge seien ihm Vollstreckungsaufschübe gewährt worden. Während dieses Zeitraumes sei der Beschwerdeführer neuerlich, und zwar am 17. Dezember 1991, wegen Körperverletzung rechtskräftig verurteilt worden. Wenngleich die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes einen bedeutsamen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers darstelle, sei diese Maßnahme zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Zielen - hier zum Schutze der Rechte und Freiheiten Dritter und zur Verhinderung strafbarer Handlungen - dringend geboten. Angesichts der Tatsache, daß den Beschwerdeführer selbst das bestehende Aufenthaltsverbot nicht davor habe abhalten können, neuerlich straffällig zu werden, könne eine Zukunftsprognose nicht positiv ausfallen. Der Beschwerdeführer sei bisher dreimal wegen Gewaltdelikten rechtskräftig verurteilt worden, sodaß den öffentlichen Interessen, die an der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes bestünden, der Vorrang gegenüber den, wenn auch beträchtlichen Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie, einzuräumen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 26 FrG ist das Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind.
Nach dieser Bestimmung, die ihren Inhalt nur aus dem Zusammenhalt mit den §§ 18 bis 20 FrG gewinnt, hat sich die Behörde mit der Frage auseinanderzusetzen, ob ein relevanter Eingriff im Sinne des § 19 FrG vorliegt und - gegebenenfalls - die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten ist - und bejahendenfalls - ferner, ob sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes jene Umstände, die zur Beurteilung der öffentlichen Interessen einerseits und der privaten und familiären Interessen andererseits maßgebend sind, zugunsten des Fremden geändert haben, und daran anschließend diese Interessen gegeneinander abzuwägen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. Februar 1994, Zl. 94/18/0004).
Entscheidend ist, ob sich seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes die dafür maßgebenden Umstände zugunsten des Fremden geändert haben. Bei einer Entscheidung nach § 26 FrG ist auch auf die nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 10. Februar 1994, Zl. 94/18/0004); das ist im Beschwerdefall die rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers vom 17. Dezember 1991 wegen des Vergehens der vorsätzlichen Körperverletzung. Die für die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes sprechenden öffentlichen Interessen haben solcherart eine Verstärkung erfahren.
Wenngleich die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingreift, ist diese Maßnahme doch im Sinne des § 19 FrG zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Zielen, nämlich zum Schutz der Rechte und Freiheiten Dritter und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, dringend geboten.
Die Zulässigkeit der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes ist auch im Grunde des § 20 Abs. 1 FrG zu bejahen. Die private und familiäre Interessenlage des Beschwerdeführers hat sich zwar insoweit zu seinen Gunsten geändert, als der Beschwerdeführer seine - in Wien geborene und lebende - Freundin geheiratet hat und der Ehe ein Kind entstammt. Die Beurteilung durch die belangte Behörde, daß die privaten und familären Interessen des Beschwerdeführers an der Aufhebung des Aufenthaltsverbotes nicht schwerer wögen als die dagegen sprechenden öffentlichen Interessen, begegnet aber keinen Bedenken. Durch die gerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes hat sich nämlich auch die Lage der maßgeblichen öffentlichen Interessen wesentlich zuungunsten des Beschwerdeführers geändert. Die Auffassung der belangten Behörde, daß die dadurch berührten öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen einer Aufhebung des Aufenthaltsverbotes höher zu werten seien als die Auswirkungen der Aufrechterhaltung des Verbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie, ist nicht rechtswidrig.
Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, er habe keinerlei Möglichkeit, nach Bosnien zurückzukehren, ist er darauf zu verweisen, daß durch die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes lediglich das Verbot bestehen bleibt, sich in Österreich aufzuhalten.
Die behauptete Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe es unterlassen, den Beschwerdeführer vom Ergebnis des Beweisverfahrens zu verständigen, geht insofern ins Leere, als von der belangten Behörde keinerlei Beweise aufgenommen wurden.
Schließlich ist auch der in der Beschwerde erhobene Vorwurf, die belangte Behörde habe es unterlassen, den Beschwerdeführer als Bosnier einer bevorzugten Behandlung zu unterziehen, unberechtigt, weil in bezug auf die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes eine gesetzliche Grundlage für eine "bevorzugte Behandlung" der Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina fehlt.
Dem Antrag des Beschwerdeführers, seine Beschwerde dem Verfassungsgerichtshof zur Prüfung vorzulegen, ob durch seine Abschiebung auch Menschenrechte und Grundfreiheiten verletzt werden, kann mangels gesetzlicher Grundlage nicht entsprochen werden.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993180597.X00Im RIS seit
20.11.2000