Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des O, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 12. April 1994, Zl. III 200/93, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 12. April 1994 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen der Bundesrepublik Deutschland, gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 sowie den §§ 19, 20, 21 und 31 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein mit zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen, wobei dem Beschwerdeführer gemäß § 31 Abs. 3 leg. cit. von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat - "gerechnet ab Rechtskraft des Aufenthaltsverbotes, d.h. ab Zustellung dieses Berufungsbescheides" - erteilt wurde.
In der Begründung ihres Bescheides nahm die belangte Behörde als erwiesen an, daß der Beschwerdeführer, der sich seit dem Jahr 1990 in Österreich aufhalte, in Deutschland wegen Betruges in zehn Fällen, Beihilfe zum Bankrott zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr mit einer Bewährungszeit von vier Jahren rechtskräftig gerichtlich verurteilt worden sei (Urteil des Amtsgerichtes Hechingen vom 20. September 1989). Das daraus ersichtliche Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers sei eine bestimmte Tatsache i.S. des § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG, welche die Annahme rechtfertige, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit gefährde. Selbst wenn der Beschwerdeführer aufgrund der gegen ihn erstatteten Gendarmerieanzeige vom 14. September 1992 (wegen Verdachtes der Vernachlässigung eines Wehrlosen, der Freiheitsentziehung, der Veruntreuung und der Verleumdung) nicht verurteilt werden sollte, würde dies nichts Wesentliches an seinem Gesamtfehlverhalten in der Vergangenheit ändern.
Mit dem Aufenthaltsverbot sei ein Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers verbunden. Dieser Eingriff sei jedoch im Hinblick auf die Vielzahl und insgesamt gesehen Schwere der der rechtskräftigen Verurteilung in Deutschland zugrundeliegenden Straftaten zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Zielen (konkret: zum Schutz der öffentlichen Ruhe und Ordnung, zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen) dringend geboten.
Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 20 Abs. 1 FrG ging die belangte Behörde von einem dem vierjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet entsprechenden Integrationsgrad und sonstigen Bindungen aus. Dasselbe gelte im wesentlichen auch für seinen Stiefvater und dessen Mutter. Die Bindung des Beschwerdeführers zu seinem Stiefvater sei zweifellos intensiv, ebenso die Bindung zu seiner Freundin, einer österreichischen Staatsbürgerin, bei der er seit Oktober 1993 wohne. Die mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Beeinträchtigung dieser Bindungen, wie des Lebens des Beschwerdeführers und seiner Angehörigen überhaupt, würden allerdings in den Hintergrund treten, wenn man sich einerseits die vom Beschwerdeführer ausgehende, aus seinem Vorleben in Deutschland erschließbare große Gefahr für die öffentliche Sicherheit und andererseits den Umstand vor Augen halte, daß der Beschwerdeführer seinen Stiefvater (und dessen Mutter) im Bundesgebiet ohnehin schon freiwillig verlassen habe. Im übrigen sei zu berücksichtigen, daß der Beschwerdeführer erst seit relativ kurzer Zeit arbeite, ebenso erst seit kurzem mit der besagten österreichischen Staatsbürgerin befreundet sei und mit ihr zusammen wohne, und daß sich sein Lebensmittelpunkt vor seiner Einreise nach Österreich ja auch schon in Deutschland befunden habe. Die dennoch gegebenen negativen Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Angehörigen müßten im Hinblick auf das große Gewicht des maßgeblichen öffentlichen Interesses am Nicht-Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet in Kauf genommen werden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Vorweg ist festzuhalten, daß der Beschwerdeführer als Staatsangehöriger der Bundesrepublik Deutschland EWR-Bürger im Sinne des § 28 Abs. 1 FrG ist.
Gemäß § 31 Abs. 1 FrG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen einen EWR-Bürger nur zulässig, wenn aufgrund seines Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist.
2. Die belangte Behörde stützte ihre Auffassung, daß im Beschwerdefall die im § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG umschriebene Annahme in Ansehung der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt (und damit auch die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 31 Abs. 1 leg. cit. gegeben) sei, sachverhaltsmäßig auf das durch die der - unbestritten gebliebenen - rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilung vom 20. September 1989 zugrundeliegenden Straftaten konstituierte Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers. Diese Ansicht der belangten Behörde ist nicht als rechtswidrig zu erkennen, ist doch in den zahlreichen Angriffen auf fremdes Vermögen ein Verhalten zu erblicken, das in seiner Gesamtheit eine Gefährdung nicht nur der öffentlichen Ordnung, sondern auch der öffentlichen Sicherheit darstellt.
Die Beschwerde enthält dazu keine Ausführungen, was offensichtlich auf ihre Fehlmeinung zurückzuführen ist, die belangte Behörde habe nicht die den Gegenstand der mehrfach genannten gerichtlichen Verurteilung bildenden Straftaten des Beschwerdeführers, sondern die gegen ihn erstattete Anzeige vom 14. September 1992 als maßgeblichen Sachverhalt ihrer rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt. Das auf diese Anzeige bezughabende Beschwerdevorbringen geht demnach ins Leere.
3.1. Soweit die Beschwerde das Ergebnis der nach § 20 Abs. 1 FrG vorgenommenen Interessenabwägung bekämpft und dazu ausführt, es sei nicht bloß die Dauer des Aufenthaltes, sondern auch das Ausmaß der Integration zu prüfen, das bei deutschen Staatsbürgern aufgrund der Sprache viel größer sei als bei nicht deutschsprachigen Ausländern, die sich vier Jahre in Österreich aufhielten, ist dem Beschwerdeführer einzuräumen, daß in Ansehung des Kriteriums "Ausmaß der Integration des Fremden" (§ 20 Abs. 1 Z. 1 FrG) nicht allein auf die Dauer des Aufenthaltes abzustellen ist, vielmehr auch andere Gesichtspunkte, wie etwa der Kulturkreis, aus dem der Fremde stammt, oder die Sprachkenntnisse des Fremden relevant sind. Gerade deshalb kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Ansicht vertrat, daß (allein) ein ca. vierjähriger Aufenthalt in Österreich noch keinen hohen Integrationsgrad bewirke, d.h., daraus grundsätzlich nicht ein solches Ausmaß an Integration abgeleitet werden könne, das bei der Abwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG entscheidend zugunsten des Fremden bzw. seines Interesses am Verbleib im Bundesgebiet zum Tragen komme. Dies gilt auch für den Beschwerdeführer. Wenngleich es zutreffen mag, daß die - in der Beschwerde betonte - Kenntnis der Sprache zu einer leichteren und schnelleren Integration führt und aufgrund dessen das Ausmaß der Integration des Beschwerdeführers höher zu veranschlagen wäre als das eines nicht der deutschen Sprache mächtigen Fremden nach einem etwa vierjährigen Aufenthalt in Österreich, besitzt dieser Umstand im vorliegenden Fall doch keineswegs das Gewicht, um den Grad der Integration als einen besonders hohen auszuweisen. Der Annahme eines über dem Durchschnitt liegenden Integrationsausmaßes steht nämlich die im angefochtenen Bescheid enthaltene unbestrittene Feststellung entgegen, daß der Beschwerdeführer erst seit kurzer Zeit einer Beschäftigung nachgehe - eine Tatsache, die unter dem Blickwinkel der einer Integration innewohnenden sozialen Komponente durchaus gegen eine (insgesamt betrachtet) starke Integration des Beschwerdeführers spricht.
3.2. Die im übrigen unbekämpft gebliebene Gewichtung der privaten und familiären Interessen einerseits und der maßgeblichen öffentlichen Interessen andererseits stößt beim Gerichtshof auf keine Bedenken, sodaß - zusammengefaßt - das aus der Gegenüberstellung dieser Interessen gewonnene Ergebnis eines Überwiegens der für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sprechenden öffentlichen Interessen nicht als rechtswidrig zu erkennen ist.
4.1. Eine weitere Rechtswidrigkeit erblickt die Beschwerde darin, daß der Bescheid der Erstbehörde vom 17. August 1993 in seinem Spruchpunkt III. gemäß § 22 Abs. 1 FrG den Eintritt der Durchsetzbarkeit des Aufenthaltsverbotes auf drei Monate hinausgeschoben habe, wogegen die belangte Behörde - obwohl gegen diesen Ausspruch nicht berufen worden sei - lediglich einen Durchsetzungsaufschub von einem Monat gewährt habe, wobei dieser auf § 31 Abs. 3 FrG gestützt worden sei.
4.2. Der Beschwerdeführer vermag mit diesem Vorbringen keine Rechtsverletzung aufzuzeigen, geht er doch von der unzutreffenden Annahme aus, die belangte Behörde habe den von der Erstbehörde mit drei Monaten bemessenen Durchsetzungsaufschub durch einen einmonatigen Durchsetzungsaufschub ersetzt. Tatsächlich blieb der besagte erstbehördliche Ausspruch - da von der Berufung des Beschwerdeführers nicht erfaßt (dies wurde in der Beschwerde richtig erkannt) - durch den angefochtenen Bescheid unberührt, sodaß der von der belangten Behörde erteilte, auf § 31 Abs. 3 FrG gestützte Durchsetzungsaufschub von einem Monat in den in Rechtskraft erwachsenen Ausspruch der Erstbehörde über die Einräumung eines Durchsetzungsaufschubes in der Dauer von drei Monaten nicht eingreift.
5. Da sich nach dem Gesagten die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 VwGG iVm der Verordnung
Schlagworte
Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der BehördeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994180249.X00Im RIS seit
20.11.2000