TE Vwgh Erkenntnis 1994/9/29 93/18/0580

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Veröffentlicht am 29.09.1994
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der K in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 1. Oktober 1993, Zl. SD 440/93, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 1. Oktober 1993 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine nigerianische Staatsangehörige, gemäß § 18 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Z. 6 FrG ein mit 5 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe im September 1991 in Nigeria einen nigerianischen Staatsangehörigen geheiratet. Im Dezember 1991 sei sie mit einem auf ihren Mädchennamen lautenden nigerianischen Reisepaß und einem Sichtvermerk der österreichischen Botschaft, gültig für 6 Monate, nach Österreich eingereist. Diesen Reisepaß habe sie später verloren. Erst ein Jahr nach ihrer Einreise und Erhalt eines neuen Passes habe sie im Dezember 1992 die Erteilung eines Sichtvermerkes beantragt. Der Gatte der Beschwerdeführerin arbeite im Bundesgebiet als Abwäscher. Der Ehe entstamme ein im Oktober 1992 geborenes Kind.

Eine Überprüfung habe ergeben, daß von der österreichischen Botschaft in Nigeria der Beschwerdeführerin kein Sichtvermerk ausgestellt worden sei, dieser also gefälscht sei. Die Beschwerdeführerin habe daraufhin behauptet, sie habe einen Bekannten in Nigeria ersucht, ihr einen Sichtvermerk zu besorgen, weil sie nicht rechtskundig sei. Sie habe diesem auch für die Bemühungen Geld gegeben, habe aber nicht gewußt, daß es sich um keinen echten (von der Botschaft ausgestellten) Sichtvermerk gehandelt habe. Es sei als erwiesen anzunehmen, daß die Organe der österreichischen Grenzkontrolle über die Echtheit des Sichtvermerks getäuscht worden seien. Es sei der Beschwerdeführerin nicht gelungen, auch nur einigermaßen glaubhaft zu machen, daß der Bekannte ohne ihr Wissen die Fälschung des Sichtvermerkes bewirkt habe.

Der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG sei gegeben; die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 leg. cit. lägen vor.

In bezug auf die §§ 19 und 20 FrG führte die belangte Behörde aus, daß die Einreise der Beschwerdeführerin nach Österreich illegal gewesen sei und sie daher eine Aufenthaltsberechtigung in Österreich nicht erlangt habe. Soweit man bei dieser Sachlage vom Entzug einer Aufenthaltsberechtigung und einem damit verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin sprechen könne, sei ein solcher jedenfalls zur Aufrechterhaltung der Ordnung des Fremdenwesens dringend geboten. In Anbetracht der auf diese Weise bewirkten Einreise bzw. des Aufenthaltes in Österreich wögen die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes schwerer als die Auswirkungen auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin, die von vornherein nicht damit habe rechnen dürfen, gemeinsam mit ihrem Ehegatten in Österreich Aufenthalt zu nehmen, ohne die dafür erforderlichen legalen Schritte unternommen zu haben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin bringt vor, daß ihre Einreise nicht illegal gewesen sei, sie habe sich eines Helfers in Nigeria bedient, um sich die Formalitäten zur Erlangung eines österreichischen Sichtvermerkes zu erleichtern. Sie habe in gutem Glauben gehandelt, zumal sie für die Besorgung dieser Hilfsperson auch einen erheblichen Geldbetrag habe leisten müssen.

Mit diesem Vorbringen bekämpft die Beschwerdeführerin die Beweiswürdigung der belangten Behörde. Diese hält aber der Überprüfung im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) stand:

Bei ihrer Einvernahme am 5. Jänner 1993 gab die Beschwerdeführerin an, daß sie bei ihrer Einreise im Besitz eines gültigen Reisepasses, lautend auf ihren Mädchennamen und eines gültigen Sichtvermerkes, ausgestellt von der österreichischen Botschaft in Lagos, gewesen sei. Den Reisepaß habe sie in Österreich verloren. Daraufhin wurde ihr mitgeteilt, daß diese Angaben überprüft würden und in Aussicht gestellt, daß, sollten diese Angaben falsch sein, gegen sie ein Aufenthaltsverbot erlassen werden würde. Die Beschwerdeführerin nahm dies zur Kenntnis und bekräftigte, die Wahrheit gesagt zu haben.

Gegen den erstinstanzlichen Bescheid brachte die Beschwerdeführerin zwei Schriftsätze vom 13. August 1993, bezeichnet als Berufung, ein. In der einen Eingabe führte sie in diesem Zusammenhang aus, daß ein Bekannter für sie bei der österreichischen Botschaft in Lagos den Sichtvermerk habe besorgen sollen, weil sie nicht rechtskundig sei. Für diese Mühen habe sie ihm auch Geld gegeben. Sie habe jedoch nicht gewußt, daß die Botschaft keinen Sichtvermerk erteilt habe.

Wenn die belangte Behörde diesen Angaben die Glaubwürdigkeit versagte und von einem positiven Wissen der Beschwerdeführerin über die Fälschung des Sichtvermerkes ausging, ist dies nicht als unschlüssig anzusehen. Es steht nämlich mit der Lebenserfahrung durchaus in Einklang, daß bei jemandem, der sich zur Beschaffung eines Sichtvermerkes der entgeltlichen Hilfe eines nicht berufsmäßigen Vertreters bedient, das Wissen um das nicht rechtmäßige Zustandekommen des Sichtvermerkes vorausgesetzt werden kann.

Die Beschwerdeführerin tritt der weiteren wesentlichen Sachverhaltsannahme - die Organe der österreichischen Grenzkontrolle seien über die Echtheit des Sichtvermerkes getäuscht worden - nicht entgegen. Bei dieser Sachlage stößt es auf keine Bedenken, wenn die belangte Behörde von der Verwirklichung des Tatbestandes des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG ausging (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1994, Zl. 93/18/0377). Die darauf gründende rechtliche Beurteilung durch die belangte Behörde, daß der Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich die öffentliche Ordnung gefährde (§ 18 Abs. 1 FrG), ist nicht als rechtswidrig zu erkennen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 8. Juli 1993, Zl. 93/18/0129).

Mit Rücksicht auf das gewichtige öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen kann der belangten Behörde auch nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Auffassung vertrat, das Aufenthaltsverbot sei im Grunde des § 19 FrG zur Wahrung der im Art. 8 Abs. 2 genannten Interessen (hier: zum Schutz der öffentlichen Ordnung) dringend geboten.

Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ist auch die von der belangten Behörde gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorgenommene Interessenabwägung nicht mit Rechtswidrigkeit behaftet. Die Tatsache des Aufenthaltes des Ehegatten und des Kindes der Beschwerdeführerin wurde von der belangten Behörde berücksichtigt. Bei der Interessenabwägung ist der unrechtmäßige Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich nicht zu ihren Gunsten zu berücksichtigen. Auch unter der Annahme eines erheblichen Ausmaßes der Integration der Familie der Beschwerdeführerin (Ehegatte) sowie intensiver familiärer Bindungen der Beschwerdeführerin käme diesen Umständen keineswegs das Gewicht zu, das ihnen die Beschwerde beimißt. Wenn die belangte Behörde das große, durch das Verhalten der Beschwerdeführerin in beachtlichem Ausmaß beeinträchtigte öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen und damit die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes als schwerer wiegend erachtete als die gegenläufigen Interessen der Beschwerdeführerin bzw. die nachteiligen Auswirkungen dieser Maßnahme auf ihre und ihrer Familie Lebenssituation, kann ihr nicht entgegengetreten werden.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993180580.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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