TE Vwgh Erkenntnis 1994/9/29 94/18/0584

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Veröffentlicht am 29.09.1994
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §71 Abs1 lita;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde des B, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 20. Juli 1994, Zl. St 212/94, betreffend 1. Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 18. Mai 1994 betreffend Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und

2. Zurückweisung der Berufung gegen den vorbezeichneten Bescheid, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 20. Juli 1994 wurde der obbezeichnete Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG abgewiesen (Spruchpunkt I) und die Berufung gegen den obgenannten Aufenthaltsverbots-Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 iVm § 63 Abs. 5 AVG als verspätet zurückgewiesen (Spruchpunkt II).

Der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 18. Mai 1994, mit dem gegen den Beschwerdeführer ein mit fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden sei, sei diesem (z.H. seines Rechtsvertreters) am 19. Mai 1994 zugestellt worden. Die Rechtsmittelfrist habe demnach mit Ablauf des 3. Juni 1994 geendet. Die Versäumung dieser Frist werde vom Beschwerdeführer darauf zurückgeführt, daß sein Rechtsvertreter, der die Fristvormerkung persönlich vorgenommen habe, aufgrund Arbeitsüberlastung und des Umstandes, daß er bei der Terminvormerkung durch ein wichtiges Telefonat gestört worden sei, die Frist versehentlich unrichtig nicht mit 3. Juni 1994, sondern mit 6. Juni 1994 im Terminkalender vermerkt habe. Auf die dadurch eingetretene Fristversäumnis sei der Rechtsvertreter erst am 6. Juni 1994 aufmerksam geworden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes treffe ein Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei. Legt man den an berufliche rechtskundige Parteienvertreter anzulegenden strengeren Maßstab zugrunde und bedenke man die Wichtigkeit, die Fristen im Rechtsleben und gerade im Anwaltsberuf zukomme, so könne in der versehentlich erfolgten Eintragung eines die tatsächlich gegebene Berufungsfrist bereits übersteigenden Endtermines nicht mehr ein minderer Grad des Versehens (leichte Fahrlässigkeit i.S. des § 1332 ABGB) gesehen werden. Dies selbst dann nicht, wenn der Rechtsvertreter schon seit 1981 im Anwaltsberuf tätig sei und ihm bisher noch nie ein derartiger Fehler unterlaufen sei.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung sei daher abzuweisen gewesen.

Daß, objektiv gesehen, die Berufung verspätet eingebracht worden sei, werde auch vom Beschwerdeführer nicht bestritten. Da die Versäumung der Berufungsfrist mangels Vorliegens eines tauglichen Wiedereinsetzungsgrundes nicht saniert werden könne, sei die gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag eingebrachte Berufung nach der zwingenden Bestimmung des § 66 Abs. 4 AVG als verspätet zurückzuweisen gewesen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist (u.a.) gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

2. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei. Der Begriff des minderen Grades des Versehens wird als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber bzw. sein Vertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht gelassen haben. Dabei ist an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige oder bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (vgl. etwa den Beschluß vom 21. Juli 1994, Zlen. 94/18/0359, 0360, mwN).

3. Auf dem Boden dieser Rechtslage ist das im angefochtenen Bescheid wiedergegebene Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag (siehe oben I.1.) nicht geeignet, einen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund darzutun. Zur Begründung wird dazu gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf den bereits erwähnten, einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde nicht stattgebenden hg. Beschluß vom 21. Juli 1994 verwiesen. Dieser Entscheidung lag ein - bis hin zu den Datums-Angaben - völlig identischer Sachverhalt zugrunde; die dort zu lösende Rechtsfrage gleicht der hier zu klärenden in allen wesentlichen Punkten (§ 46 Abs. 1 VwGG stimmt mit § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG inhaltlich überein).

4. Mangels Erfüllung einer wesentlichen Voraussetzung des § 71 Abs. 1 Z.1 AVG, nämlich eines bloß minderen Grades des Versehens, steht die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages mit dem Gesetz in Einklang.

5. Da die Berufung gegen den Bescheid vom 18. Mai 1994 unbestrittenermaßen nach Ablauf der hiefür nach § 63 Abs. 5 AVG maßgebenden Frist erhoben wurde, erweist sich ihre Zurückweisung durch die belangte Behörde als zutreffend.

6. Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994180584.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

25.11.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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