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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §1002;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde der M in P, vertreten durch Dr. A u.a., Rechtsanwälte in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 10. April 1991, Zl. 121.117/1-7/91, betreffend Pflichtversicherung nach dem BSVG (mitbeteiligte Partei:
Sozialversicherungsanstalt der Bauern, Ghegastraße 1, 1031 Wien), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid sprach die belangte Behörde - in Bestätigung der Entscheidungen der Unterinstanzen - u.a. aus, daß die Beschwerdeführerin in der Zeit vom 1. Februar bis 30. Juni 1990 als Betriebsführerin gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 bzw. § 3 Abs. 1 Z. 1 des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes (BSVG) der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pensions- und Unfallversicherung unterliege. Nach der Begründung habe die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt in ihrem Bescheid vom 30. März 1990 im wesentlichen die Auffassung vertreten, daß die Beschwerdeführerin zwar die Führung des ihr und ihrem Ehegatten gehörenden land(forst)wirtschaftlichen Betriebes mit einer Vereinbarung vom 9. Jänner 1990 bereits für diese Zeit an ihren Sohn abgetreten habe, die Bewirtschaftung sei in dieser Zeit aber nach wie vor auf Rechnung und Gefahr der Beschwerdeführerin erfolgt. In ihrem dagegen erhobenen Einspruch habe die Beschwerdeführerin vorgebracht, daß es bereits in der gegenständlichen Zeit ihrem Sohn allein überlassen geblieben sei, die Art, den Umfang und das Ausmaß der Felderbestellung bzw. den Einkauf und den Verkauf von Betriebsmitteln zu bestimmen. Der Landeshauptmann von Oberösterreich habe dem Einspruch mit Bescheid vom 19. November 1990 keine Folge gegeben, weil der Vereinbarung vom 9. Jänner 1990 zu entnehmen sei, daß "Last und Vorteil aus der Betriebsführung" der Beschwerdeführerin zugeflossen seien, und der Betrieb daher auf ihre Rechnung und Gefahr geführt worden sei. Die dagegen erhobene Berufung habe die Beschwerdeführerin im wesentlichen auf die selben Argumente wie im Einspruch gestützt.
Nach Auffassung der belangten Behörde sei es unbestritten, daß die Beschwerdeführerin und ihr Ehegatte, die gemeinsam Eigentümer eines land(forst)wirtschaftlichen Betriebes mit einem S 33.000,-- übersteigenden Einheitswert seien, mit Vertrag vom 9. Jänner 1990 mit ihrem Sohn für die Zeit vom 1. Februar bis zum 30. Juni 1990 vereinbart hätten, daß der Sohn den Betrieb in seinem Namen führen solle, wofür er monatlich einen Betrag in der Höhe von S 10.000,-- erhalte. Die Beschwerdeführerin hätte aber für den gesamten Betriebsaufwand aufzukommen und erhalte den allenfalls verbleibenden Gewinn. Nach den Angaben des Ehegatten der Beschwerdeführerin vom 23. März 1990 sei die Vereinbarung auch eingehalten worden. Daraus ergebe sich, daß die Bestimmung des Punktes III der Vereinbarung, wonach "Gefahr, Nutzen, Verlust und Zufall hinsichtlich der Betriebsführung" bereits am 1. Februar 1990 auf den Sohn der Beschwerdeführer übergingen, in Wahrheit nicht als vereinbart anzusehen sei, da sie insofern der festgestellten Vereinbarung widerspreche. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes werde ein land(forst)wirtschaftlicher Betrieb ab jenem Zeitpunkt auf Rechnung und Gefahr einer Person geführt, ab dem sie aufgrund ihrer dinglichen oder obligatorischen Rechtsstellung aus den getätigten Geschäften (im Rahmen der Betriebsführung) im Außenverhältnis berechtigt und verpflichtet werde. Diese Rechtsprechung gehe offenbar vom Normalfall aus, daß derjenige, in dessen Name ein land(forst)wirtschaftlicher Betrieb geführt werde und der daher aus den Geschäften der Betriebsführung im Außenverhältnis berechtigt und verpflichtet werde, auch derjenige sei, auf dessen Rechnung und Gefahr der Betrieb geführt werde. Im Beschwerdefall werde der Betrieb aber nach dem oben festgestellten Sachverhalt vom Sohn der Beschwerdeführerin in seinem Namen, aber auf Rechnung und Gefahr der Beschwerdeführerin geführt. Würde man die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf den Beschwerdefall anwenden, ohne seine Besonderheit zu berücksichtigen, würde das Ergebnis dem Wortlaut des Gesetzes widersprechen. Denn danach sei die Person, auf deren Rechnung und Gefahr der Betrieb geführt werde, also die Beschwerdeführerin, versichert.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof.
Die belangte Behörde, die von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand nahm, hat die Verwaltungsakten vorgelegt.
Die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt hat ebenfalls keine Gegenschrift erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist unbestritten, daß die Beschwerdeführerin und ihr Ehegatte je zur Hälfte Eigentümer eines land(forst)wirtschaftlichen Betriebes mit einem S 33.000,-- übersteigenden Einheitswert sind. Nach der Pensionierung ihres Ehegatten hat zunächst die Beschwerdeführerin die gesamte Betriebsführung vertraglich übernommen. Nachdem sie im Jänner 1990 das 60. Lebensjahr erreichte, vereinbarte sie mit ihrem Ehegatten, daß der Sohn Josef L. mit 1. Februar 1990 den gesamten land(forst)wirtschaftlichen Betrieb übernehmen solle. Eine Eigentumsübertragung fand nicht statt, da der zweite Sohn seine Ausbildung noch nicht abgeschlossen hatte.
Am 9. Jänner 1990 wurde deshalb zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Ehegatten und dem Sohn Josef L. eine Vereinbarung über die Bewirtschaftung des gegenständlichen Betriebes abgeschlossen. Dabei wird der Sohn der Beschwerdeführerin gemäß Punkt II. der Vereinbarung mit 1. Februar 1990 "in die bestehende Landwirtschaftsgemeinschaft als Arbeitsgesellschafter" aufgenommen. Die Beschwerdeführerin zieht sich nach diesem Punkt der Vereinbarung aus der Betriebsführung mit 1. Februar 1990 vorzeitig zurück. Die Beschwerdeführerin und ihr Ehegatte erklären übereinstimmend, daß sie ab 1. Februar 1990 die Betriebsführung ihrem Sohn übertragen, wobei ausdrücklich festgestellt wurde, daß die Landwirtschaftsgemeinschaft bestehen bleibt.
Gefahr, Nutzen, Verlust und Zufall hinsichtlich der Betriebsführung gehen nach Punkt III. der Vereinbarung ab 1. Februar 1990 zu Lasten des "Bewirtschaftungsberechtigten", also des Sohnes der Beschwerdeführerin.
Nach Punkt V. der Vereinbarung wird dem Sohn der Beschwerdeführerin für die Übernahme der Betriebsführung bis 30. Juni 1990 ein monatliches Pauschale in der Höhe von S 10.000,-- eingeräumt. Die Beschwerdeführerin verpflichtet sich für den restlichen Zeitraum des Wirtschaftsjahres bis 30. Juni 1990, den laufenden Betriebsaufwand zu finanzieren, zumal bis zu diesem Zeitpunkt keine Einnahmen aus dem Betrieb zu erwarten sind. Für das Wirtschaftsjahr 1989/1990 (1.7. bis 30. 6.) ergibt sich folgende Aufteilung des Betriebsgewinnes:
der Ehegatte der Beschwerdeführerin erhält einen fixen Gewinnanteil in der Höhe von S 12.000,--. Der Sohn der Beschwerdeführerin erhält für die Betriebsführung ein monatliches Pauschale in der Höhe von S 10.000,--
(5 x S 10.000,-- = S 50.000,--). Das restliche Ergebnis geht zugunsten der Beschwerdeführerin.
Nach Punkt VIII. der Vereinbarung verpflichtet sich der Sohn der Beschwerdeführerin, die Liegenschaft ab 1. Februar 1990 ordnungsgemäß zu bewirtschaften. Aufgrund des Punktes IX. der Vereinbarung hat er die auf die Liegenschaft entfallenden Realsteuern und öffentlichen Abgaben erst ab 1. Juli 1990 zu tragen.
Nach Punkt XVI. der Vereinbarung wird diese Vereinbarung zunächst auf bestimmte Zeit, nämlich bis 30. Juni 1992, abgeschlossen.
Nach Punkt XVIII. sind, soweit in diesem Vertrag nichts Abweichendes vereinbart wurde, die Bestimmungen des 27. Hauptstückes des ABGB (Vertrag über eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts) anzuwenden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 11. Oktober 1961, VwSlg. 5644/A, vom 27. März 1981, Zl. 08/0558/79, vom 4. Juni 1982, Zl. 81/08/0051, vom 20. Oktober 1988, Zl. 87/08/0119, vom 3. Juli 1990, Zl. 89/08/0164, vom 16. April 1991, Zl. 89/08/0234, und vom 18. Juni 1991, Zl. 90/08/0197) kommt es bei der Frage, auf wessen Rechnung und Gefahr ein Betrieb im Sinne des Sozialversicherungsrechtes der Bauern geführt wird, darauf an, ob jene Person, deren Versicherungs- und Beitragspflicht zu beurteilen ist, aus der Betriebsführung im Außenverhältnis (also im Verhältnis zu Dritten) berechtigt und verpflichtet wird. Dabei wird ein land(forst)wirtschaftlicher Betrieb ab jenem Zeitpunkt auf Rechnung und Gefahr einer Person geführt, ab dem sie aufgrund ihrer dinglichen oder obligatorischen Rechtsstellung aus den getätigten Geschäften (im Rahmen der Betriebsführung) im Außenverhältnis berechtigt und verpflichtet wird (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 11. Oktober 1961, Slg. 5644/A, vom 19. März 1969, Zl. 1516/68, vom 9. November 1979, Zlen. 751, 752/78, und vom 19. September 1980, Zl. 2207/77). Wer aus der Betriebsführung berechtigt und verpflichtet wird, ist eine Rechtsfrage, die letztlich nur aufgrund rechtlicher Gegebenheiten beantwortet werden kann. Das Eigentum bzw. Miteigentum vom Betrieb ist eine solche rechtliche Gegebenheit.
Allerdings muß nicht jede Person, die Eigentümer (Miteigentümer) eines land(forst)wirtschaftlichen Betriebes ist, allein schon aufgrund dieser Tatsache als diejenige Person angesehen werden, die diesen Betrieb auf ihre Rechnung und Gefahr führt; rechtswirksame dingliche (z.B. durch Einräumung eines Fruchtgenußrechtes) oder obligatorische Rechtsakte (z.B. durch Abschluß eines Pachtvertrages oder einer anderen, einem Pachtvertrag nahekommenden Vereinbarung zwischen Miteigentümern) mit der Wirkung, daß statt des Eigentümers (Miteigentümers) ein Nichteigentümer (bzw. einer der Miteigentümer) allein aus der Führung des Betriebes berechtigt und verpflichtet wird ("Abtretung des Rechtes auf Wirtschaftsführung"), bedeuten eine sozialversicherungsrechtlich relevante Änderung der sich aus den Eigentumsverhältnissen ergebenden Zurechnung von Rechten und Pflichten (vgl. die Erkenntnisse vom 20. Oktober 1988, Zl. 87/08/0119, vom 3. Juli 1990, Zl. 88/08/0248, und vom 16. April 1991, Zl. 89/08/0234).
Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung kann der belangten Behörde im Ergebnis nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Versicherungspflicht der Beschwerdeführerin in der Zeit vom 1. Februar bis 30. Juni 1990 bejaht hat.
Im Beschwerdefall ist entscheidend, ob die genannte Vereinbarung eine sozialversicherungsrechtlich relevante Änderung der sich aus den Eigentumsverhältnissen ergebenden Zurechnung von Rechten und Pflichten darstellt, d.h., daß statt der Beschwerdeführerin als Miteigentümerin des genannten Betriebes ein Nichteigentümer, nämlich der Sohn der Beschwerdeführerin, allein aus der Führung des Betriebes berechtigt und verpflichtet wird. Der bloße Rückzug der Beschwerdeführerin aus der Betriebsführung mit 1. Februar 1990 und die Übertragung der Betriebsführung auf ihren Sohn ist allerdings allein noch nicht aussagekräftig.
Ob eine Person, auf deren Rechnung und Gefahr ein Betrieb geführt wird, im Betrieb persönlich mitarbeitet oder die erforderlichen Arbeiten durch Bevollmächtigte, Familienmitglieder oder Dienstnehmer verrichten läßt, ist für die Versicherungspflicht nämlich irrelevant. Die bloß tatsächliche, mit keiner rechtlichen Verpflichtung oder Berechtigung im Außenverhältnis verbundene Betriebsführung genügt demnach nicht (vgl. u.a. die bereits zitierten Erkenntnisse vom 20. Oktober 1988, Zl. 87/08/0119, und vom 16. April 1991, Zl. 89/08/0234).
Ebenso ist nicht aussagekräftig, daß - wie die Beschwerde vorbringt - aus einer Vielzahl von Belegen und Rechnungen bzw. aus geänderten Vereinbarungen mit dem Zuckerrübenabnehmer und den Getreidekäufern eindeutig zu ersehen sei, daß der Sohn der Beschwerdeführerin auch nach außen hin, "Rechnung und Gefahr präsentierte":
Auch der Abschluß eines Geschäftes einer Person läßt nämlich für sich genommen (jedenfalls nicht ohne Bedachtnahme darauf, ob Handeln im fremden Namen offengelegt wurde) erkennen, ob sie das Geschäft (auch) im fremden oder nur im eigenen Namen (auf fremde Rechnung oder ohne sie) abgeschlossen hat. Allerdings schadet es im allgemeinen nicht, wenn der tatsächliche Betriebsführer im Rahmen seiner Betriebsführung einzelne Geschäfte im eigenen Namen (aber intern auf Rechnung eines anderen) abschließt, wenn nur aufgrund der rechtlichen Gegebenheiten das Risiko des Betriebes im ganzen (auch) diesen anderen unmittelbar trifft (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 18. Juni 1991, Zl. 90/08/0197). Das faktische äußere Erscheinungsbild hat daher vor diesem Hintergrund entscheidungswesentliche Bedeutung nur für die Beurteilung der Ermittlungsergebnisse daraufhin, ob die Behauptung, es liege eine der genannten rechtlichen Gegebenheiten vor, aufgrund derer die Führung eines land(forst)wirtschaftlichen Betriebes auf Rechnung und Gefahr einer Person oder mehrerer Personen im dargestellten Sinn erfolge, als erwiesen zu erachten ist.
Da sich die Beschwerdeführerin nach Punkt V. der genannten Vereinbarung verpflichtet hat, bis 30. Juni 1990 den laufenden Betriebsaufwand zu finanzieren bzw. neben dem fixen Gewinnanteil ihres Ehegatten und dem monatlichen Pauschale in der Höhe von S 10.000,-- ihres Sohnes den restlichen Betriebsgewinn erhält, ist davon auszugehen, daß sie weiterhin aus der Führung des gegenständlichen landwirtschaftlichen Betriebes berechtigt und verpflichtet wird. Davon, daß allein der Sohn der Beschwerdeführerin ab 1. Februar 1990 Gefahr, Nutzen, Verlust und Zufall trägt, kann im Beschwerdefall daher nicht die Rede sein.
Aufgrund dieser Erwägungen hat die belangte Behörde zu Recht die Versicherungspflicht der Beschwerdeführerin in der Zeit vom 1. Februar 1990 bis 30. Juni 1990 bejaht. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
freie BeweiswürdigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1991080084.X00Im RIS seit
20.11.2000