Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art131 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell und Dr. Müller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, in der Beschwerdesache der K in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 23. Juli 1993, Zl. MD-VfR-H 31/93, betreffend Blindenbeihilfe, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 3. Mai 1991 stellte der Magistrat der Stadt Wien (Magistratsabteilung 12) gemäß § 7 Abs. 2 im Zusammenhalt mit § 4 Abs. 4 lit. a des Wiener Blindenbeihilfengesetzes 1969, LGBl. Nr. 14, fest:
"1) Der Anspruch (der Beschwerdeführerin) auf die mit Bescheid vom 12.4.1957 zuerkannte Beihilfe für Blinde ist mit 30. September 1986 erloschen. Die für die Zeit vom 1. Oktober 1986 bis Februar 1990 bezogenen Beihilfen für Blinde und die Sonderzahlungen stehen nicht mehr zu und sind daher zurückzuzahlen.
Gemäß § 64 Abs. 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991, wird die aufschiebende Wirkung einer Berufung ausgeschlossen.
2) Aufgrund des augenfachärztlichen Gutachtens vom 23.2.1990 wird (der Beschwerdeführerin) gemäß § 1 Abs. 1, § 2 lit. b, § 4 Abs. 1 und § 7 Abs. 2 des Wiener Blindenbeihilfengesetzes 1969, LGBl. für Wien Nr. 14/1969 in der derzeit geltenden Fassung, ab 1. März 1990 auf die Dauer des Fortbestandes der gesetzlichen Voraussetzungen eine Beihilfe für schwerst Sehbehinderte gewährt. In den Monaten Juni und Dezember gebührt die Beihilfe in doppelter Höhe. Ab 1. März 1990 beträgt diese Beihilfe S 2.918,-- und ab 1. Jänner 1991 S 3.064,--.
3) Unter Berücksichtigung der unter 2) ab 1.3.1990 gewährten Beihilfe für schwerst Sehbehinderte beträgt der rückzuzahlende Betrag per 31.5.1991 S 149.502,--. Über die Rückzahlung des Betrages werden mit der Partei Zahlungsmodalitäten vereinbart."
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung, mit der Erklärung, sie fechte diesen Bescheid "insoferne an, als er feststellt, daß mir für die Zeit vom 1.10.1986 bis Februar 1990 die bezogenen Beihilfen für Blinde und die Sonderzahlungen nicht mehr zustehen und daher zurückzuzahlen sind und die aufschiebende Wirkung einer Berufung gemäß § 64 Abs. 2 AVG 1991 ausgeschlossen wird". In der Berufungsbegründung vertrat sie die Auffassung, es müsse aufgrund der Beweisergebnisse, insbesondere des Befundberichtes des Univ.Prof. Dr. X vom 24. August 1990 "zumindestens eine schwerste Sehbehinderung ... auch für die Zeit vom Oktober 1986 bis August 1989, ab September 1989 bis Februar 1990 wegen des Verlustes des Orientierungsvermögens meinerseits ... Vollblindheit und erst ab März 1990 wieder schwerste Sehbehinderung angenommen werden". Sie beantrage daher erstens, den bekämpften Bescheid dahin abzuändern, daß ihr in der Zeit vom 1. Oktober 1986 bis Ende August 1989 zumindest die Beihilfe für Schwerstsehbehinderte, ab 1. September 1989 bis 28. Februar 1990 die Beihilfe für Vollblinde, eventuell durchgehend für die Zeit vom 1. Oktober 1986 bis 28. Februar 1990 die Beihilfe für Schwerstsehbehinderte gewährt und die aufschiebende Wirkung nicht "aufgeschoben" (gemeint: ausgeschlossen) werde, eventuell zweitens, den erstinstanzlichen Bescheid aufzuheben und die Sache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an diese Instanz zurückzuverweisen.
Mit dem angefochtenen Bescheid änderte die belangte Behörde den bekämpften Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG dahin ab, daß sein Spruch wie folgt zu lauten habe:
"1) Gemäß § 7 Abs. 2 in Verbindung mit § 4 Abs. 4 lit. a und § 2 lit. a des Wiener Blindenbeihilfengesetzes 1969 ist der Anspruch (der Beschwerdeführerin) auf die mit Bescheid vom 12.4.1957 zuerkannte Beihilfe für Blinde mit 31.5.1991 erloschen.
2) Gemäß den §§ 1, 2 lit. a und 4 Abs. 1 des Wiener Blindenbeihilfengesetzes 1969, LGBl. für Wien Nr. 14, in der Fassung LGBl. für Wien Nr. 31/1976 wird (der Beschwerdeführerin) ab 1. Juni 1991 eine Beihilfe für schwerst Sehbehinderte auf die Dauer des Fortbestandes der gesetzlichen Voraussetzungen zuerkannt. Die Höhe der monatlichen Behilfe beträgt ab 1. Juni 1991 gemäß Art. 1 der Verordnung der Wiener Landesregierung vom 20. November 1990, LGBl. für Wien Nr. 64,
S 3.064,--, ab 1. Jänner 1992 gemäß Art. 1 der Verordnung der Wiener Landesregierung vom 30. Dezember 1991, LGBL. für Wien Nr. 61, S 3.187,-- und ab 1. Jänner 1993 gemäß Art. 1 der Verordnung der Wiener Landesregierung vom 4. Mai 1993, LGBl. für Wien Nr. 37, S 3.314,--.
In den Monaten Juni und Dezember gebührt die Beihilfe für schwerst Sehbehinderte in doppelter Höhe."
Begründet wurde die Abänderung des bekämpften Bescheides damit, daß gemäß § 7 Abs. 2 des Wiener Blindenbeihilfengesetzes die Blindenbeihilfe frühestens mit Ablauf des Monats eingestellt werden könne, in dem der Neufeststellungsbescheid erlassen worden sei. Da der erstinstanzliche Bescheid über die Neufeststellung der Blindenbeihilfe am 13. Mai 1991 zugestellt und damit erlassen worden sei, sei eine Einstellung bzw. Neufeststellung der Blindenbeihilfe erst mit Ablauf dieses Monates möglich gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, nach der sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht verletzt erachtet, auch ab 1. Juni 1991 eine Blindenbeihilfe für Vollblinde zu erhalten.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.
In der Stellungnahme zu einer diesbezüglichen Berichteranfrage vertrat die Beschwerdeführerin die Auffassung, es sei ungeachtet der Formulierung im Berufungsantrag aus den Berufungsgründen zu erkennen, daß sie eindeutig gewollt habe, daß die ihr bisher zuerkannte Blindenbeihilfe im vollen Umfang (auch über den Februar 1990 hinaus) aufrecht erhalten bleibe. Es sei nicht ausschließlich von der Formulierung der Berufungserklärung und dem Berufungsantrag auszugehen, sondern die Berufung als Ganzes zu betrachten. Ganz augenscheinlich habe die Beschwerdeführerin das Ziel gehabt, den erstinstanzlichen Bescheid zur Gänze umzustoßen. Darin sei auch zumindest schlüssig der Antrag zu sehen, die bisher gewährte Blindenbeihilfe im vollen Umfang weiter aufrecht zu erhalten. Auch habe sie einen Eventualantrag auf Aufhebung des bekämpften Bescheides gestellt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 lit. a VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:
Gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde nach Erschöpfung des Instanzenzuges wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Beschwerden, denen unter anderem der Mangel der Berechtigung zu ihrer Erhebung entgegensteht, mit Beschluß zurückzuweisen. Ein solcher Beschluß ist nach § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt für die Berechtigung einer auf die genannte Verfassungsbestimmung gestützten Beschwerde nicht die bloße Behauptung einer Rechtsverletzung; es ist vielmehr hiefür erforderlich, daß der Beschwerdeführer nach Lage des Falles durch den angefochtenen Bescheid - ohne Rücksicht auf dessen Gesetzmäßigkeit - in den als verletzt bezeichneten Rechten auch verletzt sein kann (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 4. Dezember 1985, Zl. 84/11/0268, und den Beschluß vom 15. Dezember 1992, Zl. 91/08/0195, jeweils mit weiteren Judikaturhinweisen).
Aus nachstehenden Gründen kann die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid nicht in den geltend gemachten Rechten verletzt sein:
Entgegen ihrer in der obgenannten Stellungnahme vertretenen Auffassung ergibt sich aus der Berufungserklärung und dem Berufungsantrag eindeutig, daß die Beschwerdeführerin den erstinstanzlichen Bescheid nur in seinen (vom Punkt 2 im Sinne des § 59 Abs. 1 AVG sachlich und zeitraumbezogen trennbaren) Punkten 1 und 3 bekämpft hat und daher Punkt 2 dieses Bescheides in Rechtskraft erwachsen ist. An dieser Auslegung der Berufung vermag angesichts der Bedeutung der Berufungserklärung und des Berufungsantrages (vgl. Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts5, Rz 520 ff) weder die Berufungsbegründung noch der Eventualantrag auf Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides etwas zu ändern. Denn auch wenn die Berufungsbegründung zufolge Verwendung des Wortes "zumindestens" in Verbindung mit anderen Teilen der Begründung so verstanden werden müßte, die Beschwerdeführerin habe die Auffassung vertreten, sie sei auch ab März 1990 als vollblind im Sinne des Wiener Blindenbeihilfegesetzes 1969 zu betrachten, so hat dies jedenfalls nicht in die völlig eindeutige Berufungserklärung und den ebenso klaren Berufungsantrag Eingang gefunden. Der Eventualantrag auf Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides kann aber im Zusammenhang mit der Berufungserklärung und dem primären Berufungsantrag nur im Sinne dieser Prozeßerklärungen dahin verstanden werden, es möge für den Fall, daß dem Primärantrag nicht stattgegeben werde, der erstinstanzliche Bescheid im Rahmen der Berufungserklärung (d.h. beschränkt auf die Punkte 1 und 3 sowie den Zeitraum bis 28. Februar 1990) aufgehoben und die Sache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an diese Instanz zurückverwiesen werden.
Die belangte Behörde hat nun zwar den erstinstanzlichen Bescheid nicht nur im begehrten Sinn eines Erlöschens des Anspruches auf Blindenbeihilfe für Vollblinde mit Ende Februar 1990, sondern - zugunsten der Beschwerdeführerin - darüberhinaus dahin abgeändert, daß sie diesen Anspruch erst mit 31. Mai 1991 für erloschen erklärte und dementsprechend aussprach, daß der Beschwerdeführerin die (niedrigere) Beihilfe für Schwerstsehbehinderte erst ab 1. Juni 1991 zustehe. Durch diesen zu ihren Gunsten erfolgten Eingriff in die Rechtskraft des erstinstanzlichen Bescheides kann die Beschwerdeführerin aber nicht im behaupteten Recht auf eine Blindenbeihilfe für Vollblinde ab 1. Juni 1991 verletzt sein.
Die Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993080244.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
01.01.2009