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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AlVG 1977 §16 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Mizner, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde des P in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Unterausschusses des zuständigen Verwaltungsausschusses ausgefertigten Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 24. März 1993, Zl. IVb/7022/7100 B, betreffend Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde fest, daß dem Beschwerdeführer gemäß den §§ 19, 20 und 21 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977, BGBl. Nr. 609 (AlVG) in der ab 1. Juli 1987 geltenden Fassung (der Novelle BGBl. Nr. 290/1987) ab 10. Oktober 1987 das Arbeitslosengeld in der Höhe von S 275,50 täglich gebühre. Nach der Bescheidbegründung habe der Beschwerdeführer nach Beendigung seines damals letzten (arbeitslosenversicherungspflichtigen) Dienstverhältnisses am 30. November 1985 ab 1. Dezember 1985 Arbeitslosengeld bezogen, das ihm für 30 Wochen und aufgrund des der Berechnung zugrundegelegten Entgelts des letzten vollen Monates seines beendeten Dienstverhältnisses in der Höhe von S 26.739,-- im Ausmaß von S 320,80 (ab 1. Jänner 1986: S 331,20) täglich gewährt worden sei. Am 7. Jänner 1986 habe er den Bezug unterbrochen, weil er an diesem Tag ein neues (arbeitslosenversicherungspflichtiges) Dienstverhältnis aufgenommen habe. Nach Beendigung seiner arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungen (vom 7. Jänner bis 31. Dezember 1986 und vom 2. Jänner bis 8. April 1987) habe er am 10. April 1987 neuerlich einen Anspruch auf Arbeitslosengeld geltend gemacht. Da er jedoch noch einen Restanspruch aus seinem letzten Arbeitslosengeldbezug gehabt habe, sei gemäß § 19 AlVG vorzugehen gewesen. Dabei sei festgestellt worden, daß das vom Beschwerdeführer im letzten vollen Monat (März 1987) seines am 8. April 1987 beendeten Beschäftigungsverhältnisses erzielte Entgelt (S 19.215,--) niedriger als das der ersten Arbeitslosengeldberechnung zugrunde gelegte Entgelt (S 26.739,--) gewesen sei. Aufgrund des § 19 AlVG habe der Beschwerdeführer daher Anspruch auf Fortbezug seines "alten, günstigeren Arbeitslosengeldes" in Höhe von S 345,10 täglich (Erhöhung durch eine Änderung zum 1. Jänner 1987), und zwar (wegen einer Unterbrechung vom 17. Mai bis 26. Mai 1987) bis einschließlich 9. Oktober 1987, gehabt. Für die Zeit ab 10. Oktober 1987 habe der Beschwerdeführer neuerlich einen Arbeitslosengeldanspruch geltend gemacht, dessen Höhe nunmehr aufgrund der gesetzlichen Veränderungen seit 1. Juli 1987 (durch die Novelle BGBl. Nr. 290/1987) nicht mehr nach dem Entgelt des letzten vollen Monates, sondern nach jenem der sechs Kalendermonate vor dem ersten Tag der zuletzt eingetretenen Arbeitslosigkeit zu berechnen gewesen sei. Das sich aus diesem Berechnungszeitraum ergebende Arbeitslosengeld betrage S 275,50 täglich, weil der durchschnittliche Verdienst des Beschwerdeführers in diesem Zeitraum (nach näheren Ausführungen in der Bescheidbegründung) S 20.423,10 betragen habe, der nach § 21 Abs. 3 AlVG der Lohnklasse 72 entpreche.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, nach der sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Bemessung des Arbeitslosengeldes in gesetzmäßiger Höhe als verletzt erachtet. In Ausführung dieses Beschwerdepunktes bekämpft der Beschwerdeführer den angefochtenen Bescheid in dreifacher Hinsicht: 1. sei der Tatbestand des Fortbezuges des Arbeitslosengeldes nach § 19 AlVG überhaupt nicht erfüllt gewesen. Nach einer vom OGH bestätigten Entscheidung des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien habe nämlich das "Monatsgehalt" (gemeint: Entgelt) des Beschwerdeführers für März 1987 S 27.137,24 (zuzüglich der Anteile an Weihnachtsremuneration und Urlaubszuschuß hinsichtlich eines näher genannten Provisionsanteiles) betragen und daher das der ersten Arbeitslosengeldberechnung zugrundegelegte Entgelt überstiegen. 2. hätte die belangte Behörde auch bei Bejahung eines Fortbezugsrechtes des Beschwerdeführers die Bemessung des Arbeitslosengeldes aufgrund des Neuanspruches noch nach der Rechtslage vor der Novelle BGBl. Nr. 290/1987 vornehmen müssen. Nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Mai 1988, Zl. 88/08/0079, komme es nämlich diesbezüglich auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruches an. Der Beschwerdeführer habe aber seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld am 10. April 1987 geltend gemacht. Die Auszahlung sei lediglich dadurch hinausgeschoben worden, daß ihm zunächst ein Fortbezugsanspruch nach § 19 AlVG zugesprochen worden sei. Der spätere Leistungsbeginn vermöge jedoch am Bemessungszeitpunkt für den neuen Anspruch nichts zu ändern. Entsprechend dieser Rechtslage hätte der Anspruch des Beschwerdeführers auf Arbeitslosengeld nach der Lohnklasse 99 und nicht nach der Lohnklasse 72 zuerkannt werden müssen.
3. sei auch die Bemessung des Arbeitslosengeldes unter Zugrundelegung der Novelle BGBl. Nr. 290/1987 (aus näher angeführten Gründen) rechtswidrig.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift. Darin hielt die belangte Behörde ihre in der Bescheidbegründung vertretene Rechtsauffassung aufrecht, präzisierte sie aber zum zweiten Beschwerdeeinwand wie folgt: Ein Anspruch auf Fortbezug sei unter den im § 19 Abs. 2 AlVG genannten Voraussetzungen nicht gegeben. Sei er aber nach § 19 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 AlVG zu gewähren, so sei er auch zur Anweisung zu bringen. Der Wortlaut des § 19 AlVG lasse allerdings nicht darauf schließen, daß im Fall der Gewährung des Fortbezuges im Anschluß daran der allenfalls neu erworbene Anspruch ex lege zur Anweisung zu gelangen habe. Vielmehr scheine das Gesetz auf eine alternative Zuerkennung des Anspruches (Fortbezug oder neuer Anspruch), je nachdem, welche Voraussetzungen des § 19 AlVG erfüllt seien, abzustellen. Sei dem Arbeitslosen der Fortbezug des alten Anspruches zuerkannt worden, so sei vom Arbeitsamt nach § 47 Abs. 1 AlVG vorzugehen und dem Leistungsbezieher (da ja alle Voraussetzungen erfüllt seien) eine Mitteilung auszustellen, aus der insbesondere Beginn, Ende und Höhe des Leistungsanspruches hervorgingen. Anhand dieser Mitteilung sei für ihn erkennbar, wann die Bezugsdauer erschöpft sei, sodaß er in der Folge eine neue Leistung geltend machen könne. Im Regelfall werde er sodann einen Antrag auf Notstandshilfe stellen, dem aber vom Arbeitsamt gemäß § 33 Abs. 1 AlVG insoferne nicht stattgegeben werden könne, weil der Anspruch auf Arbeitslosengeld noch nicht erschöpft sei, vielmehr ein neuer Anspruch bestehe. Dieser neue Anspruch sei allerdings "zum Zeitpunkt seiner Geltendmachung, d.h. nach Ablauf des Fortbezuges, zu beurteilen", wobei allenfalls veränderte, zu diesem Zeitpunkt in Geltung stehende gesetzliche Bestimmungen anzuwenden seien, ehe wiederum vom Arbeitsamt nach § 47 Abs. 1 AlVG vorzugehen sei. Im Beschwerdefall habe der Beschwerdeführer nun am 10. April 1987 bei Eintritt seiner Arbeitslosigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld durch Antragstellung geltend gemacht. Da noch ein alter Restanspruch vorhanden gewesen sei, habe das Arbeitsamt zu prüfen gehabt, ob die Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 AlVG für die Zuerkennung des neuen Anspruches gegeben gewesen seien. Da dieser neue Anspruch sowohl hinsichtlich der Dauer des Bezuges als auch hinsichtlich des Ausmaßes des Arbeitslosengeldes geringer gewesen sei als der Anspruch aufgrund des früher zuerkannten Anspruches auf Arbeitslosengeld, sei gemäß § 19 Abs. 1 AlVG der Fortbezug zu gewähren gewesen. Damit sei der Geltendmachung des Anspruches des Beschwerdeführers auf eine Leistung Genüge getan worden. Hätte der Gesetzgeber vorgesehen, daß gleichzeitig auch über den neuerworbenen Anspruch abzusprechen sei, hätte er bei Formulierung des Gesetzestextes dies mit den Worten "... zunächst Fortbezug zu gewähren ..." bzw. "... im Anschluß (oder: infolge) der neue Anspruch zuzuerkennen ..." zum Ausdruck gebracht. Da dies aber aus dem Wortlaut des Gesetzes nicht abzuleiten sei, sei daher über den Anspruch des Beschwerdeführers auf Arbeitslosengeld aufgrund seines Antrages (zu ergänzen: im Sinne der Gewährung des Fortbezuges des Arbeitslosengeldes) abgesprochen und dem Beschwerdeführer darüber eine Mitteilung ausgestellt worden. Daraus sei für ihn ersichtlich gewesen, daß ihm diese Leistung bis 9. Oktober 1987 zuerkannt worden sei. Aus diesem Grund sei er veranlaßt gewesen, seinen Neuanspruch geltend zu machen. Dem sei er mit Antragstellung vom 5. Oktober 1987 auch nachgekommen. Da nunmehr aber § 21 Abs. 1 AlVG in der Neufassung in Geltung gestanden sei, sei das Entgelt der letzten sechs Kalendermonate der Bemessung zugrunde zu legen gewesen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Mit dem den erstinstanzlichen Bescheid bestätigenden und damit dessen Spruch übernehmenden angefochtenen Bescheid wurde aus den oben wiedergegebenen Gründen die Höhe des dem Beschwerdeführer ab 10. Oktober 1987 gebührenden Arbeitslosengeldes mit S 275,50 täglich festgestellt. Nur die Rechtmäßigkeit dieser Feststellung obliegt der Überprüfung des Verwaltungsgerichtshofes.
Diesbezüglich ist zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht strittig, daß dem Beschwerdeführer jedenfalls ab diesem Tag kein Anspruch (mehr) auf Fortbezug des (seinerzeit) zuerkannten Arbeitslosengeldes, sondern nur (noch) ein Anspruch auf Arbeitslosengeld aufgrund der nach der Unterbrechung erworbenen neuen Anwartschaften (im folgenden: ein Neuanspruch) zustand. Strittig ist die Bemessung dieses Anspruches in dreifacher, in der Beschwerde näher aufgezeigter Hinsicht.
Bei Beurteilung dieser Streitpunkte ist von folgenden Bestimmungen des AlVG (in der, soweit in der Folge nichts anderes gesagt wird, sowohl vor als auch nach Inkrafttreten der Novelle BGBl. Nr. 290/1987 am 1. Juli 1987 identen Fassung) auszugehen:
Gemäß § 7 AlVG hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer
1. arbeitsfähig, arbeitswillig und arbeitslos ist, 2. die Anwartschaft erfüllt und 3. die Bezugsdauer noch nicht erschöpft hat. Nach § 17 Abs. 1 leg. cit. gebührt das Arbeitslosengeld ab dem Tag der Geltendmachung, sofern sämtliche Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld erfüllt sind und der Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht gemäß § 16 ruht. Das Arbeitslosengeld wird nach § 18 Abs. 1 leg. cit. für die Dauer von 12 Wochen, unter den Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 3 leg. cit. für die Dauer von 20 bzw. 30 Wochen gewährt.
Die Absätze 1 und 2 des § 19 AlVG lauten:
"(1) Arbeitslosen, die das zuerkannte Arbeitslosengeld nicht bis zur zulässigen Höchstdauer in Anspruch nehmen, ist auf Anmeldung der Fortbezug des Arbeitslosengeldes für die restliche zulässige Bezugsdauer zu gewähren,
a) wenn die Anmeldung innerhalb eines Zeitraumes von drei Jahren, gerechnet vom Tage der Zuerkennung des Anspruches, erfolgt und
b) wenn, abgesehen von der Anwartschaft, die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt sind.
Liegt der für die Bemessung der Höhe des Fortbezuges maßgebliche Verdienst weiter als drei Jahre vor dem Tag der Geltendmachung des Fortbezuges zurück, so findet § 21 Abs. 2 sinngemäß Anwendung.
(2) Der Anspruch auf Fortbezug des Arbeitslosengeldes (Abs. 1) ist nicht gegeben, wenn der Arbeitslose die Voraussetzungen für eine neue Anwartschaft erfüllt und ihm daraus ein Anspruch auf Arbeitslosengeld zusteht, der sowohl hinsichtlich der Dauer des Bezuges als auch hinsichtlich des Ausmaßes des Arbeitslosengeldes nicht geringer ist als der Anspruch auf Grund des früher zuerkannten Anspruches auf Arbeitslosengeld."
Nach § 20 Abs. 1 AlVG besteht das Arbeitslosengeld aus dem Grundbetrag und den Familienzuschlägen.
§ 21 Abs. 1 AlVG in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 290/1987 lautet auszugsweise:
"Der Grundbetrag des Arbeitslosengeldes wird nach Lohnklassen bemessen. Für die Festsetzung der Lohnklasse ist das Entgelt im Sinne der gesetzlichen Sozialversicherung (§ 49 ASVG) maßgebend, auf das der Arbeitslose in den letzten vier vollen Wochen seiner arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung Anspruch hatte. War das Entgelt nach Monaten bemessen, so ist das Entgelt des letzten vollen Monates heranzuziehen.
...
Bei der Ermittlung des für die Festsetzung der Lohnklasse maßgebenden Entgeltes sind Sonderzahlungen im Sinne der gesetzlichen Sozialversicherung (§ 49 ASVG) anteilsmäßig zu berücksichtigen."
§ 21 Abs. 1 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 290/1987 lautet auszugsweise:
"Der Grundbetrag des Arbeitslosengeldes wird nach Lohnklassen bemessen. Für die Festsetzung der Lohnklasse ist das Entgelt im Sinne der gesetzlichen Sozialversicherung (§ 49 ASVG) der letzten 26 Kalenderwochen (182 Kalendertage) bzw. bei monatlicher Auszahlung das Entgelt der letzten 6 Kalendermonate vor dem ersten Tag der zuletzt eingetretenen Arbeitslosigkeit bzw. vor dem Ende der Versicherungspflicht maßgebend. Sonderzahlungen im Sinne der gesetzlichen Sozialversicherung (§ 49 ASVG) sind anteilsmäßig zu berücksichtigen."
Nach Abs. 1 des mit "Geltendmachung des Anspruches auf Arbeitslosengeld" überschriebenen § 46 ist der Anspruch auf Arbeitslosengeld vom Arbeitslosen persönlich bei dem nach seinem Wohnort zuständigen Arbeitsamt geltend zu machen. Für die Geltendmachung des Anspruches ist das hiefür bundeseinheitlich aufgelegte Antragsformular zu verwenden.
Nach § 47 Abs. 1 AlVG ist dann, wenn unter anderem der Anspruch auf Arbeitslosengeld anerkannt wird, dem Leistungsbezieher eine Mitteilung auszustellen, aus der insbesondere Beginn, Ende und Höhe des Leistungsanspruches hervorgehen. Wird der Anspruch nicht anerkannt, so ist darüber dem Antragsteller ein schriftlicher Bescheid auszufolgen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19. Mai 1988, Zl. 88/08/0079, dargelegt hat, ist bei einer (ab dem 1. Juli 1987 zu treffenden) Entscheidung über einen schon vor dem 1. Juli 1987 geltend gemachten, zufolge Erfüllung der Leistungsvoraussetzungen verwirklichten Anspruch auf Arbeitslosengeld noch von der im Zeitpunkt der Geltendmachung dieses Anspruches in Kraft stehenden Rechtslage auszugehen und daher § 21 Abs. 1 AlVG in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 290/1987 anzuwenden (vgl. auch das Erkenntnis vom 18. April 1989, Zl. 88/08/0014.
Auf den Beschwerdefall bezogen bedeutet dies, daß die belangte Behörde jedenfalls dann, wenn der Beschwerdeführer am 10. April 1987, dem Tag, an dem er unbestritten unter Verwendung des hiefür vorgesehenen Antragsformulares einen "Antrag auf Arbeitslosengeld" beim zuständigen Arbeitsamt stellte, aus dem Grunde des § 19 Abs. 2 AlVG keinen Fortbezugsanspruch gehabt haben sollte, das ihm aufgrund dieses Antrages zustehende Arbeitslosengeld (das ihm unter Bedachtnahme auf § 18 Abs. 2 lit. b in Verbindung mit Abs. 3 AlVG auf die Dauer von 30 Wochen, somit auch noch "ab 10. Oktober 1987" gebührte) nach § 21 Abs. 1 AlVG in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 290/1987 zu bemessen gehabt hätte.
Dem steht aber - aus nachstehenden Gründen - der Fall gleich, in dem am 10. April 1987 zwar nicht die Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 AlVG vorgelegen, dem Beschwerdeführer aber sowohl ein Fortbezugs- als auch ein Neuanspruch auf Arbeitslosengeld zugestanden sein und der Beschwerdeführer sowohl den Fortbezugs- als auch den Neuanspruch geltend gemacht haben sollte, und braucht daher (in diesem Zusammenhang) nicht auf den ersten Beschwerdeeinwand eingegangen zu werden:
Zwei von § 19 AlVG geregelte Fallgestaltungen werfen (im vorliegenden Zusammenhang) keine Auslegungsprobleme auf: der Fortbezugsfall ohne Neuanspruch und der den Fortbezug ausschließende Fall des Neuanspruches nach § 19 Abs. 2 leg. cit. Im ersten Fall ist dem Arbeitslosen der Fortbezug für die restliche zulässige Bezugsdauer zwar nicht von Amts wegen, aber doch schon "auf Anmeldung" (die nicht den Erfordernissen einer Geltendmachung nach § 46 AlVG entsprechen muß: vgl. dazu unter anderem das Erkenntnis vom 12. Dezember 1989, Zl. 89/08/0209) zu gewähren, wenn überdies die Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 lit. a und b leg. cit. vorliegen. Vom zweiten Fall ist für die Beurteilung der Streitpunkte - in materiell-rechtlicher Hinsicht - wichtig, daß dann nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes eine Kumulierung des Fortbezugs - und des Neuanspruches ausscheidet, vielmehr unter Verlust des Fortbezugsanspruches nur der Neuanspruch besteht; in verfahrensrechtlicher Hinsicht ergibt sich daraus unter weiterer Bedachtnahme auf die eben genannte Abgrenzung der "Anmeldung" nach § 19 Abs. 1 AlVG und der "Geltendmachung" nach den §§ 17 Abs. 1 und 46 Abs. 1 leg. cit., daß dann, wenn ein solcher Arbeitsloser entweder nur sein vermeintliches Fortbezugsrecht "anmeldet" oder daneben auch ausdrücklich seinen Neuanspruch geltend macht, diese "Anmeldung", gestützt auf § 19 Abs. 2 AlVG, abzuweisen ist und im erstgenannten Fall der Neuanspruch erst ab seiner (voraussetzungsgemäß noch nicht erfolgten) Geltendmachung zuerkannt werden kann, im zweiten Fall (oder dann wenn von vornherein nur der Neuanspruch geltend gemacht wurde) das Arbeitslosengeld aufgrund dieses Neuanspruches zu gewähren ist.
Was rechtens ist, wenn sowohl ein Fortbezugs- als auch ein (nicht dem § 19 Abs. 2 AlVG unterliegender) Neuanspruch besteht, regelt § 19 AlVG nur rudimentär, nämlich insofern, als auch in diesem Fall "auf Anmeldung" (also auch hier nicht von Amts wegen) der Fortbezug des Arbeitslosengeldes für die restliche zulässige Dauer zu gewähren ist. Nicht ausdrücklich geregelt ist unter anderem: 1., ob - anders als im Fall des § 19 Abs. 2 AlVG - die Bezugsdauer des Fortbezugs- und des Neuanspruches in materiell-rechtlicher Hinsicht zu kumulieren sind, 2. ob der Arbeitslose ein Wahlrecht zwischen Fortbezugs- und Neuanspruch unter anderem mit der Konsequenz hat, daß im Falle bloßer Geltendmachung des (nicht dem § 19 Abs. 2 AlVG unterliegenden) Neuanspruches nur dieser und nicht der Fortbezugsanspruch zuerkannt werden darf, und 3., wie vorzugehen ist, wenn der Arbeitslose gleichzeitig den Fortbezugs- und den Neuanspruch "geltend macht".
Die erste Frage muß in verfassungskonformer Auslegung des § 19 AlVG dahin beantwortet werden, daß auch in diesem Fall eine Kumulierung ausscheidet, weil kein sachlicher Grund dafür erkennbar ist, dem Arbeitslosen, dem ein Neuanspruch zusteht, der sowohl hinsichtlich der Dauer des Bezuges als auch hinsichtlich des Ausmaßes des Arbeitslosengeldes nicht geringer ist als der (ursprüngliche und noch offene) Anspruch aufgrund des früher zuerkannten Anspruches auf Arbeitslosengeld, nur diesen Neuanspruch zu gewähren (z.B. in der Dauer von 30 Wochen), dem Arbeitslosen aber, dessen Neuanspruch nicht die Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 AlVG erfüllt, deshalb neben dem Neuanspruch (im Beschwerdefall ebenfalls in der Dauer von 30 Wochen) noch den offenen Fortbezugsanspruch (im Beschwerdefall in der Dauer von 25 Wochen) zuzuerkennen. Im Beschwerdefall stand daher dem Beschwerdeführer - gleichgültig, ob, wie er behauptet, nach § 19 Abs. 2 AlVG ein Fortbezugsanspruch gar nicht mehr gegeben war, oder ob, wie die belangte Behörde meint, die Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 leg. cit. nicht vorlagen - jedenfalls nur durch insgesamt 30 Wochen Arbeitslosengeld (allein aufgrund des Neuanspruches oder aufgrund des Fortbezugs- und des Neuanspruches) zu.
Die zweite Frage ist - unter Bedachtnahme einerseits auf die Beantwortung der ersten Frage und andererseits darauf, daß das Gesetz nicht anordnet, es müsse im Falle des Bestehens eines Fortbezugs- und eines Neuanspruches, der nicht den Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 AlVG entspricht, bei Verlust des Neuanspruches das Fortbezugsrecht in Anspruch genommen werden - zu bejahen. Das bedeutet für den Beschwerdefall, daß dann, wenn der Antrag des Beschwerdeführers auf Arbeitslosengeld vom 10. April 1987 als bloße Geltendmachung des Neuanspruches zu werten sein sollte, dem Beschwerdeführer ab diesem Zeitpunkt nur der Neuanspruch zustünde, der dann - entsprechend den obigen rechtlichen Darlegungen - unstrittig nach § 21 Abs. 1 AlVG in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 290/1987 zu bemessen wäre.
Für den Fall, daß der eben angesprochene Antrag des Beschwerdeführers auf Arbeitslosengeld vom 10. April 1987 aber (unter der Voraussetzung, daß der Fortbezugsanspruch höher gewesen sein sollte als der Neuanspruch, zu seinen Gunsten) nicht nur als Antrag auf Arbeitslosengeld aufgrund des Neuanspruches (was jedenfalls zu bejahen ist), sondern zugleich auch als (implizite) "Anmeldung" des Fortbezugsanspruches im Sinne des § 19 Abs. 1 AlVG zu verstehen sein sollte, stellte sich die obgenannte dritte - entscheidungswesentliche - Frage, wie in diesem Fall vom Arbeitsamt und in der Folge von der belangten Behörde vorzugehen war. Bei der Beantwortung dieser (ebenfalls vom Gesetz nicht ausdrücklich geregelten) Frage ist - zunächst in materiell-rechtlicher Hinsicht - unter Zugrundelegung des unstrittigen Sachverhaltes davon auszugehen, daß ab der (voraussetzungsgemäß) erfolgten "Anmeldung" des Fortbezugsrechtes und der "Geltendmachung" des Neuanspruches die Leistungsvoraussetzungen beider Ansprüche im Sinne des § 17 AlVG (das sind jene des § 7 leg. cit.) erfüllt und daher beide Ansprüche entsprechend den Darlegungen im schon zitierten Erkenntnis vom 19. Mai 1988, Zl. 88/08/0079, mit der "Anmeldung" und "Geltendmachung" verwirklicht waren. Dies trifft - entgegen der Auffassung der belangten Behörde - auch für den Neuanspruch zu, weil zu den Leistungsvoraussetzungen des § 7 AlVG nicht gehört, daß die Bezugsdauer aus einem früheren Arbeitslosengeldfall erschöpft sei. Letzteres bewirkt vielmehr - ähnlich wie das Ruhen aufgrund des Bestehens anderer sozialrechtlicher Ansprüche nach § 16 Abs. 1 AlVG - bei "Anmeldung" des Fortbezugsrechtes nur ein Hinausschieben des Beginnes des Bezuges, nicht aber eine zeitliche Verlagerung des Entstehens des neuen Anspruches. Das aber hatte (bei Annahme dieser Fallgestaltung, also der Auslegung des Antrages des Beschwerdeführers als "Anmeldung" und "Geltendmachung") zur Konsequenz, daß - entgegen der Auffassung der belangten Behörde - das Arbeitsamt dem Beschwerdeführer aufgrund seines Antrages in einem sowohl den Fortbezug des Arbeitslosengeldes für die restliche Dauer von 25 Wochen als auch das Arbeitslosengeld aufgrund des Neuanspruches, bemessen nach dem maßgeblichen Zeitpunkt der Geltendmachung am 10. April 1987, also nach § 21 Abs. 1 AlVG in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 290/1987, für die Dauer von 5 Wochen im Anschluß an den Fortbezug zu gewähren und ihm für den Fall der Anerkennung seines Anspruches im genannten Sinn eine Mitteilung nach § 47 Abs. 1 AlVG zu machen hatte. Dieser Auslegung steht nicht der Umstand entgegen, daß der Gesetzgeber bei der Formulierung des Gesetzestextes nicht die in der Gegenschrift genannten Worte verwendet hat, weil, wie bereits ausgeführt wurde, die diesbezügliche Regelung nur rudimentär ist, und es daher unter Bedachtnahme auf die Gesamtregelung des Fortbezugsrechtes und eines Neuanspruches auf Arbeitslosengeld einer Auslegung der die strittigen Fallgestaltungen nicht ausdrücklich regelnden Bestimmung des § 19 bedarf.
Vor diesem rechtlichen Hintergrund hätte die belangte Behörde somit das dem Beschwerdeführer "ab 10. Oktober 1987" zustehende Arbeitslosengeld (nur über diese "Sache" im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG hatte sie zu entscheiden) nach § 21 Abs. 1 AlVG in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 290/1987 bemessen müssen. Ob dem Beschwerdeführer danach ein höheres Arbeitslosengeld als "S 275,50" (richtig nach Lohnklasse 72: S 275,70) täglich zustand, läßt sich mangels ausreichender Festellungen über die Zusammensetzung des dem Beschwerdeführer im letzten vollen Kalendermonat seines arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses vor seiner Antragstellung auf Arbeitslosengeld am 10. April 1987 zustehenden Entgeltes im Sinne des § 49 ASVG, insbesondere die Art und die näheren Entstehungs- und Fälligkeitsmodalitäten des Provisionsteiles, die erst eine Auseinandersetzung mit dem diesbezüglichen Berufungsvorbringen ermöglicht hätte, nicht abschließend beurteilen. Zum diesbezüglichen Beschwerdevorbringen wird allerdings einerseits bemerkt, daß es, wie die belangte Behörde zutreffend ausgeführt hat, nicht auf die "Abrechnung" der Provisionsansprüche, sondern darauf ankommt, welcher Provisionsanspruch dem Beschwerdeführer im März 1987, dem letzten vollen Kalendermonat seines arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses vor dem 10. April 1987 (vgl. das Erkenntnis vom 6. März 1986, Zl. 84/08/0152), zustand (vgl. dazu unter anderem das Erkenntnis vom 14. März 1989, Zl. 87/08/0153), wobei auch bei Bejahung eines solchen Anspruches nicht ohne weiteres ein davon zu errechnender aliquoter Sonderzahlungsanteil zu berücksichtigen wäre, weil dies davon abhängt, ob dem Beschwerdeführer nach den für die Sonderzahlungen maßgeblichen Rechtsgrundlagen ein diesbezüglicher Anspruch zustand. Andererseits ist - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - nicht ohne weiteres von einer Bindung an die rechtskräftige Entscheidung im Arbeitsgerichtsprozeß auszugehen. Dies setzte vielmehr voraus, daß die Feststellung über die Höhe des dem Beschwerdeführer im März 1987 zustehenden Entgeltes eine den Gegenstand der arbeitsgerichtlichen Entscheidung bildende Hauptfrage und nicht nur ein für die im Spruch getroffene Entscheidung relevantes Tatbestandsmerkmal darstellte (vgl. dazu unter anderem das Erkenntnis vom 3. Juli 1986, Zl. 85/08/0201).
Aus den angeführten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Entgelt Begriff Anspruchslohn Entgelt Begriff Provision Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und BeweiseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993080122.X00Im RIS seit
18.10.2001