TE Vwgh Erkenntnis 1994/9/30 91/08/0099

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.09.1994
beobachten
merken

Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §56;
AVG §68 Abs1;
AVG §69 Abs1;
AVG §71 Abs1;
B-VG Art131 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde der M in L, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 23. Mai 1991, Zl. MA 14-N 13/87, betreffend Beitragsnachverrechnung (mitbeteiligte Partei: Wiener Gebietskrankenkasse, Wienerbergstraße 15-19, 1101 Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 25. Juli 1986 sprach die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse aus, daß unter anderem die Beschwerdeführerin als Dienstgeberin im Sinne des § 35 Abs. 1 ASVG nach näher angeführten Vorschriften verpflichtet sei, für die in der Anlage dieses Bescheides genannten Dienstnehmer für die Zeit vom 1. Oktober 1982 bis 3. Oktober 1985 Beiträge und Umlagen in der Gesamthöhe von S 14.697,98 zu entrichten. Nach der Begründung sei im Rahmen einer Beitragsprüfung festgestellt worden, daß zahlreiche Dienstnehmer ohne Meldung bei der Sozialversicherung fallweise als Komparsen beschäftigt gewesen seien. Die Entlohnung sei für jeden Filmtag erfolgt, wobei stets die tägliche Geringfügigkeitsgrenze gemäß § 5 Abs. 2 ASVG überschritten worden sei. Die Versicherungspflicht der genannten Dienstnehmer sei mit einem weiteren Bescheid vom 25. Juli 1986 bejaht worden.

Die Beschwerdeführerin erhob Einspruch, wobei sie im wesentlichen die Dienstnehmereigenschaft der genannten Personen in Abrede stellte.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Einspruch keine Folge gegeben und der Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse bestätigt. Nach der Begründung habe der Landeshauptmann von Wien mit Bescheiden vom 2. November 1990 die Versicherungspflicht der als Komparsen beschäftigten Dienstnehmer bestätigt und damit die Vorfrage für die Beitragspflicht entschieden. Die Höhe der Vorschreibung als solche sei nicht bekämpft worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse eine Gegenschrift erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerde wendet sich unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes - wie bereits im Verwaltungsverfahren - gegen die Annahme versicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse der genannten Filmkomparsen. Als Verletzung von Verfahrensvorschriften wird gerügt, daß über die Versicherungspflicht und damit über die Vorfrage für die Beitragspflicht eine meritorische Entscheidung gar nicht erfolgt sei, da der gegen die Bescheide der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 25. Juli 1986 erhobene Einspruch betreffend die Versicherungspflicht lediglich aus formellen Gründen als unzulässig zurückgewiesen worden sei.

Diese Ausführungen sind nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen.

Im Verfahren betreffend die Beitragspflicht des Dienstgebers für bestimmte Dienstnehmer bildet die Frage der Versicherungspflicht dieser Dienstnehmer in diesen Zeiträumen eine Vorfrage im Sinne des § 38 AVG (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 13. November 1978, VwSlg. 9689/A). Wird über diese Vorfrage von der zuständigen Behörde als Hauptfrage noch vor Erlassung des Beitragsbescheides rechtskräftig abgesprochen, so sind an solche rechtskräftigen Bescheide innerhalb der Grenzen der Rechtskraft sowohl die Behörden als auch die Parteien gebunden. Eine neuerliche Aufrollung der bereits rechtskräftig entschiedenen Vorfrage der Versicherungspflicht im Beitragsverfahren ist den Behörden verwehrt (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 31. Jänner 1985, Zlen. 84/08/0138, 0139, mit weiteren Judikaturhinweisen).

Die Rechtskraft eines Bescheides bedeutet in formeller Hinsicht dessen Unanfechtbarkeit im administrativen Instanzenzug einerseits und in materieller Hinsicht die Bindung an den einmal erlassenen, formell rechtskräftigen Bescheid andererseits (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 28. November 1991, Zlen. 90/06/0172, 0174).

Die Verbindlichkeit eines Bescheides tritt somit mit seiner Unanfechtbarkeit ein und endet erst mit seiner Beseitigung. Unanfechtbarkeit bedeutet, daß ein Bescheid von den Parteien durch ordentliche Rechtsmittel nicht mehr bekämpft werden kann. Hingegen hindert die Möglichkeit, den Bescheid durch Antrag auf Wiederaufnahme oder Antrag auf Wiedereinsetzung zu beseitigen, ebensowenig wie die Möglichkeit einer Beschwerde an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts den Eintritt der Unanfechtbarkeit (vgl. das Erkenntnis vom 6. Februar 1990, Zlen. 89/08/0357, 90/08/0001).

Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist die belangte Behörde daher mit Recht - wegen der bestehenden Bindungswirkung - von der Versicherungspflicht der genannten Filmkomparsen ausgegangen, ohne neuerlich diese Vorfrage einer Prüfung zu unterziehen. Die Bescheide der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 25. Juli 1986, mit denen die Versicherungspflicht der Komparsen festgestellt worden ist, sind nämlich in Rechtskraft erwachsen, da die dagegen erhobenen Einsprüche mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 2. November 1990 als unzulässig zurückgewiesen worden sind. Die entsprechenden Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist wurde vom Landeshauptmann abgelehnt; der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 26. August 1991 keine Folge gegeben.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Maßgebender Bescheidinhalt Inhaltliche und zeitliche Erstreckung des Abspruches und der Rechtskraft Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1991080099.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten