TE Vwgh Erkenntnis 1994/9/30 94/08/0076

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Veröffentlicht am 30.09.1994
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 23. Februar 1994, Zl. MA 12-14759/91 P III, betreffend Sozialhilfe, beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Die Anträge des Beschwerdeführers, der Verwaltungsgerichtshof möge 1) über seine Anträge auf Sozialhilfe vom 14. Jänner 1991 bis 9. Oktober 1991 erkennen und ihm Sozialhilfe in der gesetzlichen Höhe zusprechen sowie die ihm gesetzlich zustehende Mietzinsbeihilfe und die "Heizkosten im angeführten Zeitraum im gesetzlichen Ausmaß" zuerkennen und 2) erkennen, daß die belangte Behörde schuldig sei, ihm für den durch die gesetzwidrige Vorgangsweise entstandenen Schaden der Verwahrlosung und Verweigerung medizinischer Betreuung und ärztlicher Hilfe im genannten Zeitraum eine Genugtuung "in Summe zu leisten", all dies binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution, werden zurückgewiesen.

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als mit ihm der Antrag des Beschwerdeführers vom 4. November 1991 teilweise abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben; im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Das Land Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Juni 1993, Zl. 92/08/0235, das sich auf den Antrag des Beschwerdeführers auf Sozialhilfe vom 10. Jänner 1991 bezog, verwiesen.

Mit dem an die Magistratsabteilung 12 - Sozialamt, Sozialreferat für den I., VIII. und IX. Bezirk (erstinstanzliche Behörde) gerichteten "neuerlichen Antrag auf Sozialunterstützung unter meinem ... anhängigen Akt mit Antrag auf Sozialunterstützung vom 7. Jänner 1991" vom 4. November 1991 begehrte der Beschwerdeführer die "unverzügliche Zusendung der Erkenntnis zu meinem anhängigen Verfahren auf Sozialunterstützung vom 7. Jänner 1991 bis dato für die Anwendung weiterer Rechtsmittel auf Gewährung meines Ansuchens" mit folgender Begründung: Die erstinstanzliche Behörde habe bis dato keinen rechtskräftigen Bescheid darüber erlassen, ob die begehrte Sozialunterstützung abgelehnt oder zuerkannt werde. Deshalb fordere er "die unverzügliche bescheidmäßige Erledigung meines Antrages rückwirkend per dato bis zum 7. Jänner 1991". In der Folge befaßte er sich zunächst mit seinem Antrag vom 10. Jänner 1991 und dem auch diesbezüglich noch offenen Verfahren, das vom gegenständlichen Antrag nicht berührt werde, und legte im Anschluß daran dar, daß sich seiner Auffassung nach die von ihm in seinem Antrag vom 7. Jänner 1991 gemachten Angaben im wesentlichen nicht geändert hätten und er daher Anspruch auf "Sozialunterstützung" für den gesamten Zeitraum habe.

Mit Bescheid vom 4. November 1991 wies die erstinstanzliche Behörde diesen vom Beschwerdeführer eingebrachten "Antrag betreffend Nachzahlung der Sozialhilfe im Zeitraum vom 8. Jänner 1991 bis 4. November 1991 ... gemäß § 68 Abs. 1 ... AVG" zurück. Begründet wurde diese Entscheidung damit, daß dem Beschwerdeführer durch den am 8. Jänner 1991 mündlich verkündeten Bescheid zur Kenntnis gebracht worden sei, daß er das Kraftfahrzeug, das sich in seinem Besitz befunden habe, abzumelden habe. Die mündliche Bescheidverkündung sei beurkundet worden. Der Beschwerdeführer habe mit seiner Unterschrift bestätigt, daß er den Bescheid zur Kenntnis genommen habe und über das Recht, binnen drei Tagen eine schriftliche Ausfertigung zu verlangen, belehrt worden sei. Da er jedoch eine schriftliche Bescheidausfertigung nicht verlangt und auch gegen den mündlich verkündeten Bescheid kein Rechtsmittel ergriffen habe, sei dieser Bescheid rechtskräftig geworden. Wenn er nunmehr mit einer mehr als 10-monatigen Verspätung vorbringe, es hätte ihm am 4. November 1991 Sozialhilfe bereits seit 8. Jänner 1991 gebührt, so stehe diesem Vorbringen der Umstand der entschiedenen Sache entgegen.

In der dagegen erhobenen Berufung bestritt der Beschwerdeführer, daß ihm gegenüber am 8. Jänner 1991 ein Bescheid mündlich verkündet und eine Rechtsmittelbelehrung dazu erteilt worden sei sowie daß er ein diesbezügliches Schriftstück unterschrieben habe. Er beantrage daher, den bekämpften Bescheid aufzuheben bzw. dahin abzuändern, daß ihm eine näher bezifferte "Geldhilfe zu meinem Notstand" für die Zeit vom 8. Jänner 1991 bis zum Tag der Verfassung der Berufung am 8. Februar 1992 gewährt werde.

Mit dem angefochtenen Bescheid bestätigte die belangte Behörde den erstinstanzlichen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG mit der Maßgabe, daß sein Spruch folgendermaßen zu lauten habe:

"Der (vom Beschwerdeführer) am 4.11.1991 eingebrachte Antrag betreffend Nachzahlung der Sozialhilfe im Zeitraum vom 8. Jänner 1991 bis 4. November 1991 wird, soweit er sich auf den 8. Jänner 1991 sowie auf den Zeitraum vom 10.1.1991 bis 13.1.1991 bezieht, gemäß § 68 Abs. 1 ... AVG ... zurückgewiesen.

Soweit sich der Antrag auf den 9.1.1991 sowie auf den Zeitraum vom 14.1.1991 bis zur Antragstellung bezieht, wird er gemäß den §§ 4 und 8 des Wiener Sozialhilfegesetzes ... abgewiesen."

Die zurückweisende Entscheidung wurde damit begründet, daß über den Antrag des Beschwerdeführers auf Sozialhilfe vom 8. Jänner 1991 mit mündlich verkündetem Bescheid der erstinstanzlichen Behörde vom selben Tag abgesprochen worden sei, der Beschwerdeführer die Kenntnisnahme von diesem Bescheid mit seiner Unterschrift bestätigt und dagegen kein Rechtsmittel eingebracht habe. Aber auch über seinen Antrag auf Sozialhilfe (vom 10. Jänner 1991) für den Zeitraum vom 10. Jänner bis 13. Jänner 1991 sei (nach Aufhebung des Bescheides vom 30. März 1992 mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Juni 1993, Zl. 92/08/0235), mit rechtskräftigem Bescheid der belangten Behörde vom 16. Dezember 1993 entschieden worden. Hingegen seien die Anträge des Beschwerdeführers auf Sozialhilfe für die übrigen Zeiträume abzuweisen gewesen, weil gemäß § 4 WSHG Sozialhilfe grundsätzlich nicht für vergangene Zeiträume geltend gemacht werden könne. Darauf ziele aber der Antrag des Beschwerdeführers vom 4. November 1991 ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, vom Beschwerdeführer selbst verfaßte (und von dem zur Verfahrenshilfe beigegebenen Rechtsanwalt in Absprache mit dem Beschwerdeführer nicht ergänzte) Beschwerde, nach der sich der Beschwerdeführer im Recht auf Gewährung der Sozialhilfe vom 8. Jänner 1991 bis 4. November 1991, abzüglich des Zeitraumes vom 10. Jänner 1991 bis 13. Jänner 1991, verletzt erachtet. In Ausführung dieses Beschwerdepunktes bestreitet der Beschwerdeführer zwar unter den Gesichtspunkten der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften "den vollen Inhalt des angefochtenen Berufungsbescheides als irrige Darstellung eines Sachverhaltes, der weder nach den Tatsachen noch nach der Aktenlage verifizierbar ist und der von der belangten Behörde in wesentlichen Punkten aktenwidrig angenommen wurde" und "mit sich selbst und mit dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Juni 1993, Zl. 92/08/0235", in Widerspruch stehe; konkret befaßt er sich aber nur mit dem Inhalt seines Antrages vom 10. Jänner 1991 und den seit 8. Jänner 1991 seiner Behauptung nach unveränderten Verhältnissen, auf Grund derer ihm seit 8. Jänner 1991 Sozialhilfe im gesetzlichen Ausmaß zustehe. Er beantrage daher, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben. Dem fügte er die im zurückweisenden Teil des Spruches dieses Erkenntnisses wiedergegebenen Anträge hinzu.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die erstinstanzliche Behörde hat den oben wiedergegebenen Antrag des Beschwerdeführers vom 4. November 1991 - einerseits entsprechend dem Begehren und der Begründung, andererseits unter Bedachtnahme auf die ihm vorangegangenen Anträge vom 8. Oktober 1991 an die erstinstanzliche Behörde auf "unverzügliche Zusendung der Aktenkopie meines anhängigen Aktes auf Sozialunterstützung vom 7. Jänner 1991 bis dato" und an die belangte Behörde auf Entscheidung nach § 73 Abs. 2 AVG (mit dem sich das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. März 1993, Zl. 92/08/0234, befaßte) - mit Recht als bloßen Antrag auf "Nachzahlung der Sozialhilfe" auf Grund seines (seiner Auffassung nach bisher unerledigten) Antrages vom "7. Jänner 1991" (richtig: auf Grund seines aktenkundigen "Grundantrages auf Gewährung von Geldaushilfen" vom 8. Jänner 1991, weil ein Antrag vom 7. Jänner 1991 nicht aktenkundig ist und der Beschwerdeführer in den in der Folge erstatteten zahlreichen Schriftsätzen sowie in der Beschwerde selbst von einem Antrag vom 8. Jänner 1991 ausgeht), also als bloße Urgenz einer Entscheidung über diesen Antrag vom 8. Jänner 1991, auf Grund dessen ihm seiner Auffassung nach wegen des Bestehens unveränderter Verhältnisse für den Zeitraum bis 4. November 1991 Sozialhilfe im gesetzlichen Ausmaß gebühre, gewertet.

Die Zurückweisung dieses Antrages durch die erstinstanzliche Behörde gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache entsprach auch dem Gesetz. Denn, wie der Verwaltungsgerichtshof u.a. schon in seinem Erkenntnis vom 29. Juni 1993, Zl. 92/08/0235, ausgeführt hat, ist die mit mündlich verkündetem Bescheid vom 8. Jänner 1991 erfolgte Ablehnung des vom Beschwerdeführer an diesem Tag gestellten Antrages auf Sozialhilfe in Rechtskraft erwachsen; dies deshalb, weil der Beschwerdeführer der nach der (mangels eines erbrachten Gegenbeweises nach § 15 AVG beweiskräftigen) Niederschrift vom 8. Jänner 1991 betreffend den Inhalt der Verkündung des Bescheides vom selben Tag über sein Recht, spätestens drei Tage nach der Verkündung eine Ausfertigung des Bescheides zu verlangen, belehrt wurde, er mit seiner Unterschrift sowohl die Kenntnisnahme des Bescheides als auch die eben genannte Belehrung sowie jene über sein Recht zur Erhebung eines Rechtsmittels bestätigt und nach der (insofern von ihm auch gar nicht bestrittenen) Aktenlage weder einen Zustellantrag noch ein Rechtsmittel eingebracht hat. Dieser - eine abschließende Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers vom 8. Jänner 1991 darstellende - rechtskräftige Bescheid stellte, wie sich ebenfalls aus den Entscheidungsgründen des obgenannten Erkenntnisses vom 29. Juni 1993 ergibt, auch kein Verfahrenshindernis der entschiedenen Sache in bezug auf den Antrag des Beschwerdeführers vom 10. Jänner 1991 dar. Die erstinstanzliche Behörde hat daher - im Ergebnis zu Recht - den Antrag des Beschwerdeführers vom 4. November 1991, ihm auf Grund seines Antrages vom 8. Jänner 1991 Sozialhilfe für den Zeitraum vom 8. Jänner 1991 bis 4. November 1991 (abzüglich des Zeitraumes vom 10. Jänner bis 13. Jänner 1991) Sozialhilfe nachzuzahlen, wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

Die Beschwerde ist daher insoweit unbegründet, als sie sich gegen die in Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides erfolgte Zurückweisung des Antrages des Beschwerdeführers auf Nachzahlung der Sozialhilfe für den 8. Jänner 1991 auf Grund seines Antrages von diesem Tag wendet. Sie ist hingegen insofern berechtigt, als sie die in Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides erfolgte Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers vom 4. November 1991 betreffend den 9. Jänner 1991 sowie die Zeit vom 14. Jänner bis 4. November 1991 betrifft, weil die belangte Behörde als Berufungsbehörde im Rahmen der "Sache" im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG lediglich zur Entscheidung darüber befugt war, ob die Zurückweisung des Antrages des Beschwerdeführers vom 4. November 1991 durch die erstinstanzliche Behörde berechtigt war oder nicht (vgl. dazu u.a. das Erkenntnis vom 16. November 1993, Zl. 92/08/0191, und vom 21. Dezember 1993, Zl. 92/08/0200, jeweils mit weiteren Judikaturhinweisen). Durch diese Entscheidung, der das Mißverständnis zugrundeliegt, der Beschwerdeführer habe mit seinem Antrag vom 4. November 1991 Sozialhilfe für vergangene Zeiträume auf Grund des Antrages von diesem Tag und nicht auf Grund seines Antrages vom 8. Jänner 1991 begehrt, und die unter dieser Voraussetzung und jener der funktionellen Zuständigkeit der belangten Behörde auch rechtmäßig wäre, ist der Beschwerdeführer aber auch in seinen Rechten verletzt, weil diese abweisende Entscheidung ein Verfahrenshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache für andere diesen Zeitraum betreffende Verfahren darstellte, so u. a. auch für das Verfahren über seinen Antrag vom 10. Jänner 1991, der sich nach den Entscheidungsgründen des Erkenntnisses vom heutigen Tag, Zl. 94/08/0026, mit dem der schon genannte Bescheid der belangten Behörde vom 16. Dezember 1993 hinsichtlich des Zeitraumes vom 14. Jänner bis 31. Jänner 1991 aufgehoben wurde, möglicherweise auch auf den zuletzt genannten Zeitraum bezogen hat.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG insoweit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, als mit ihm der Antrag des Beschwerdeführers vom 4. November 1991 betreffend den 9. Jänner sowie den Zeitraum vom 14. Jänner bis 4. November 1991 abgewiesen wurde, aufzuheben. Im übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die weiteren im Spruch wiedergegebenen Anträge des Beschwerdeführers waren mangels Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zu derartigen Entscheidungen gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in Verbindung mit § 12 Abs. 3 leg. cit. zurückzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994080076.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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