TE Vfgh Erkenntnis 1992/6/9 V14/92

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Veröffentlicht am 09.06.1992
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Index

50 Gewerberecht
50/01 Gewerbeordnung 1973

Norm

B-VG Art18 Abs2
AutomatenV des Bürgermeisters der Gemeinde Trebesing vom 14.03.86. Zl: 121-130/0/1986 §2 lita
GewO 1973 §52 Abs4

Leitsatz

Aufhebung eines Teiles einer Verordnung des Bürgermeisters der Gemeinde Trebesing betreffend die Untersagung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten bei einer Bushaltestelle; Widerspruch zur Gewerbeordnung mangels häufiger Benützung der Haltestelle von unmündigen Minderjährigen auf dem Weg zur oder von der Schule

Spruch

Die Wortfolge ", Bushaltestelle Trebesing (Gemeindeamt) und Umkreis von 50 Meter" in lita des §2 der Verordnung des Bürgermeisters der Gemeinde Trebesing vom 14. März 1986, Zl.: 121-130/0/1986, mit der die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten in einzelnen Ortsbereichen innerhalb des Gemeindegebietes untersagt wird, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten ist verpflichtet, die Aufhebung unverzüglich im Bundesgesetzblatt kundzumachen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B1336/91 ein Verfahren über eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, die sich gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 15. Oktober 1991 richtet. Mit diesem Bescheid wurde die Beschwerdeführerin wegen der Verwaltungsübertretung nach §52 Abs4 iVm §367 Z15 der Gewerbeordnung 1973 idF der Gewerbeordnungs-Novelle 1981, BGBl. Nr. 619/1981 (im folgenden: GewO 1973), iVm dem zweiten Halbsatz des §2 lita der Verordnung des Bürgermeisters der Gemeinde Trebesing vom 14. März 1986 (im folgenden: AutomatenV) zu einer Geldstrafe von S 3.000,-- (im Falle der Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von drei Tagen) bestraft.

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat aus Anlaß dieser Beschwerde beschlossen, den zweiten Halbsatz des §2 lita der AutomatenV von Amts wegen zu prüfen.

2.2. §§1 und 2 lita der AutomatenV - die in Prüfung gezogene Wortfolge ist hervorgehoben - lauten:

"§1

Zum Schutze der unmündigen Minderjährigen vor unüberlegter Geldausgabe, wird die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten, die erfahrungsgemäß besonders auf die Inanspruchnahme durch unmündige Minderjährige ausgerichtet sind, in den im §2 festgelegten Bereichen der Gemeinde Trebesing untersagt.

§2

Für die einzelnen Bereiche gelten folgende Abgrenzungen:

a) Trebesing: Volksschule Trebesing und Umkreis von 200 Meter, Bushaltestelle Trebesing (Gemeindeamt) und Umkreis von 50 Meter."

2.3. Die in Prüfung gezogene Regelung stützt sich auf §52 Abs4 GewO 1973 idF der Gewerbeordnungs-Novelle 1981, BGBl. Nr. 619/1981, der lautet:

"(4) Soweit dies zum Schutz von unmündigen Minderjährigen vor unüberlegten Geldausgaben erforderlich ist, kann die Gemeinde durch Verordnung die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten, die erfahrungsgemäß besonders auf die Inanspruchnahme durch unmündige Minderjährige ausgerichtet sind,

1. im näheren Umkreis von Schulen, die von unmündigen Minderjährigen besucht werden,

2. bei Aufnahmestellen des öffentlichen Verkehrs, die erfahrungsgemäß viel von unmündigen Minderjährigen auf dem Wege zur oder von der Schule benützt werden,

3. bei Schulbushaltestellen, die von unmündigen Minderjährigen benützt werden,

4. auf Plätzen oder in Räumen, die erfahrungsgemäß viel von unmündigen Minderjährigen besucht werden, oder

5. im näheren Umkreis der in Z. 4 angeführten Plätze und Räume

untersagen."

2.4. Der Verfassungsgerichtshof hat seine Bedenken wie folgt umschrieben:

"§52 Abs4 Z2 GewO räumt dem Verordnungsgeber die Möglichkeit ein, den Vertrieb von Waren mittels bestimmter Automaten bei Aufnahmestellen des öffentlichen Verkehrs zu verbieten, die erfahrungsgemäß viel von unmündigen Minderjährigen auf dem Wege zur oder von der Schule benützt werden. Die Mitteilung des Bürgermeisters der Gemeinde Trebesing vom 27. Dezember 1991, daß die Bushaltestelle Trebesing nicht von unmündigen Minderjährigen auf dem Weg zur oder von der Schule benützt wird, legt aber nahe, daß es sich bei der in Rede stehenden Aufnahmestelle des öffentlichen Verkehrs nicht um eine solche iSd §52 Abs4 Z2 GewO handelt.

Auch sonst finden sich keine Anhaltspunkte, daß §2 lita der Verordnung in §52 Abs4 Z2 oder 4 bzw. 5 GewO Deckung fände.

Der Verfassungsgerichtshof hegt daher das Bedenken, daß die in Prüfung gezogene Wortfolge der Verordnung dem Abs4 des §52 GewO widerspricht, wonach die Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit mittels Automaten nur untersagt werden darf, soweit dies für die im Gesetz genannten Zielsetzungen 'erforderlich' ist (vgl. hiezu etwa VfSlg. 10050/1984 und VfGH 22.11.1985, B808/84)."

3. Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten hat im Verfahren von der Erstattung einer Äußerung Abstand genommen. Der Bürgermeister der Gemeinde Trebesing hat wie folgt Stellung genommen:

"...

Da in der Korrespondenz mehrmals von einer Verordnung des Gemeinderates die Rede ist, möchten wir zur Vermeidung von Mißverständnissen klarstellen, daß die in Frage stehende Verordnung vom Bürgermeister erlassen wurde. Der Bürgermeister hat jedoch den Verordnungsentwurf im Gemeinderat behandeln lassen, wobei sich die Mitglieder des Gemeinderates für die Erlassung der Verordnung ausgesprochen haben. Daher wird im Akt mehrmals (fälschlicher Weise) auf die Verordnung des Gemeinderates Bezug genommen.

Zum laufenden Verfahren möchten wir erneut darauf hinweisen, daß der Standort des Automaten der Fa. W auch innerhalb der 200-Meter-Verbotszone der alten Volksschule Trebesing liegt (§2 Absa). Zum Zeitpunkt der Einleitung des Strafverfahrens wurde noch in der alten Volksschule Unterricht gehalten. Daher war zum Zeitpunkt der Einleitung der Strafverfahren auch eine Übertretung dieser Verbotszone der zitierten Verordnung gegeben."

4. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

4.1. Der im Anlaßfall angefochtene Bescheid stützt sich ausdrücklich auf die in Prüfung gezogene Verordnungsstelle; sie ist daher offenkundig angewendet worden und präjudiziell im Sinne des Art139 Abs1 B-VG. Daran ändert nichts, daß der angefochtene Bescheid allenfalls auch in einer anderen Verordnungsstelle Deckung finden könnte.

Es ist auch nichts hervorgekommen, was an der Zulässigkeit der Anlaßbeschwerde zweifeln ließe. Das Verfahren ist daher zulässig.

4.2. Die im Einleitungsbeschluß geäußerten Bedenken erweisen sich auch als begründet.

Der Verfassungsgerichtshof hat schon im Erkenntnis VfSlg. 11716/1988 zur Frage der Auslegung des §52 Abs4 Z2 GewO 1973 u. a. folgendes ausgeführt:

"Für eine enge Auslegung der Verordnungsermächtigung sprechen auch die Ausführungen in den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (798 BlgNR XV. GP, S 9):

'Mit der vorgesehenen neuen Verordnungsermächtigung des §52 Abs4, die auf eine Anregung des Dachverbandes der Elternvereine an den öffentlichen Pflichtschulen Österreichs zurückgeht, soll einer allzu großen Massierung von Automaten in der Nähe von Schulen, Kinderspielplätzen uä. entgegengetreten werden können.'

Dies zeigt, daß es nicht genügt, wenn die Haltestelle von einigen in der Umgebung wohnenden unmündigen Minderjährigen im üblichen Ausmaß benützt wird. Das Gesetz verlangt mehr: nämlich, daß die Haltestelle 'viel' - also öfter als andere Haltestellen - von unmündigen Minderjährigen auf dem Wege zur oder von der Schule benützt wird."

Der Verfassungsgerichtshof hält die in diesem Erkenntnis angestellten Überlegungen aufrecht. Der Bürgermeister der Gemeinde Trebesing hat, wie sich aus den in den Verwaltungsakten des Anlaßverfahrens enthaltenen Schreiben vom 26. Juli 1991 und 27. Dezember 1991 ergibt, ausdrücklich erklärt, daß es sich bei der von der in Prüfung gezogenen Verordnungsstelle betroffenen Bushaltestelle Trebesing um eine solche handelt, die nicht oder kaum zur Aufnahme von unmündigen Minderjährigen auf dem Weg zur oder von der Schule dient und eigentlich nur für den Arbeitsverkehr auf der Strecke Trebesing-Altersberg eingerichtet ist.

Auch im Verordnungsprüfungsverfahren, insbesondere aus der vom Bürgermeister der Gemeinde Trebesing abgegebenen Stellungnahme, ergeben sich keine Anhaltspunkte, die gegen die im Einleitungsbeschluß geäußerten Bedenken sprechen.

Auch sonst findet die Verordnungsstelle keine gesetzliche Deckung.

Daraus ergibt sich, daß die geprüfte Verordnungsstelle nicht dem Gesetz entspricht.

5. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Gewerberecht, Automaten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1992:V14.1992

Dokumentnummer

JFT_10079391_92V00014_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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