TE Vwgh Erkenntnis 1994/9/30 93/08/0237

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Veröffentlicht am 30.09.1994
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Index

60/01 Arbeitsvertragsrecht;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §12 Abs3;
AlVG 1977 §12 Abs6 lita;
AlVG 1977 §12 Abs6 litc;
AngG §6 Abs1;
ASVG §4 Abs2;
ASVG §49 Abs1;
ASVG §5 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde des F in T, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in G, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Unterausschusses des zuständigen Verwaltungsausschusses ausgefertigten Bescheid des Landesarbeitsamtes Oberösterreich vom 16. September 1993, Zl. IVa-AlV-7022-0-B/5130 270167/Gmunden, betreffend Einstellung des Arbeitslosengeldes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.830,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Dem Beschwerdeführer, der in der Zeit vom 1. Mai 1990 bis 28. Februar 1993 in einem arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zur X-GesmbH stand, aus dem er in den letzten sechs Monaten einen Anspruch auf ein Brutto-Entgelt von S 25.900,-- hatte, wurde über seinen Antrag vom 12. März 1993 vom Arbeitsamt Gmunden (Erstbehörde) ab dem Tag der Geltendmachung ein Arbeitslosengeld in der Höhe von S 351,-- täglich zuerkannt.

In der Folge gab er der Erstbehörde bekannt, daß er und H zu je selbständig vertretungsbefugten Geschäftsführern der am 6. April 1993 ins Firmenbuch eingetragenen T. GmbH bestellt worden seien. An der Gesellschaft seien die beiden Geschäftsführer zu je 40 % sowie B zu 20 % beteiligt. In der niederschriftlichen Vernehmung vor der Erstbehörde vom 7. Mai 1993 gab der Beschwerdeführer an, daß die reine Geschäftsführertätigkeit zur Zeit ca. sieben Stunden wöchentlich umfasse. Die beiden anderen Gesellschafter seien zusammen ohne ihn beschlußfähig.

Daraufhin sprach die Erstbehörde (nach verfügter Nichtliquidierung der Leistungen ab 6. April 1993) mit Bescheid vom 12. Mai 1993 aus, daß das Arbeitslosengeld gemäß § 24 Abs. 1 in Verbindung mit den §§ 7 Z. 1 und 12 Abs. 3 lit. b AlVG mangels Arbeitslosigkeit ab dem 6. April 1993 eingestellt werde; dies mit der Begründung, daß der Beschwerdeführer seit diesem Tag Geschäftsführer der T. GmbH sei und daher nicht als arbeitslos gelte.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wandte der Beschwerdeführer ein, daß die T. GmbH derzeit noch keine Geschäftstätigkeit entfalte. Die Aufnahme einer solchen Tätigkeit sei vielmehr erst für den 1. August 1993 beabsichtigt. Bis dahin würden lediglich Vorbereitungsarbeiten durchgeführt; insbesondere sei das angemietete Büro zu adaptieren. Mit Ausnahme gelegentlicher Behördenwege sowie hin und wieder erforderlicher Unterschriften werde er daher durch die Funktion als Geschäftsführer derzeit noch nicht in Anspruch genommen. Im Hinblick darauf erhalte er von der T. GmbH keinerlei Vergütung und habe auch sonst kein Erwerbseinkommen. Bisher seien ihm durch die Gesellschaftsgründung ausschließlich Kosten entstanden. Aber auch die mit 1. August 1993 beginnende Erwerbstätigkeit werde in dem bis 28. Februar 1994 laufenden ersten Geschäftsjahr keinen Gewinn abwerfen; vielmehr sei ein negatives Betriebsergebnis zu erwarten. Die von der Erstbehörde unter Berufung auf § 7 Z. 1 iVm § 12 Abs. 3 lit. b AlVG verfügte Einstellung des Arbeitslosengeldes erweise sich somit als rechtswidrig, weil zum einen unberücksichtigt geblieben sei, daß die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit durch die Gesellschaft erst am 1. August 1993 erfolgen werde und der Beschwerdeführer jedenfalls bis dahin keine Einkünfte erziele, und weil zum anderen im ersten Geschäftsjahr insgesamt ein Verlust zu erwarten sei, sodaß gemäß § 12 Abs. 6 lit. c iVm Abs. 9 AlVG auch deshalb Arbeitslosigkeit gegeben sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung nicht statt und sprach aus, daß das Arbeitslosengeld gemäß § 24 Abs. 1 iVm den §§ 7 und 12 Abs. 3 lit. a und Abs. 6 lit. a AlVG ab 6. April 1993 mangels Vorliegens von Arbeitslosigkeit eingestellt werde. In der Bescheidbegründung wird nach zusammenfassender Darstellung des Verwaltungsgeschehens und nach Zitierung der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen ausgeführt, Voraussetzung für die Annahme der Arbeitslosigkeit nach § 12 AlVG sei die Beendigung einer Beschäftigung. Beschäftigung bedeute eine mit einem Arbeitseinkommen verbundene Tätigkeit, der zwar ein Dienstverhältnis zugrundeliegen könne, die jedoch nicht auf einem Dienstverhältnis beruhen müsse. Sie könne auch jede andere nachhaltig auf Erwerb gerichtete Tätigkeit umfassen, wie z. B. selbständige Erwerbstätigkeit. Die Arbeitslosigkeit von Geschäftsführern (einer GmbH) sei jedenfalls dann zu bejahen, wenn zusätzlich zur Auflösung des arbeitsrechtlichen Dienstverhältnisses auch das körperschaftsrechtliche Organverhältnis beendet worden sei. Sollte letzteres jedoch aufrecht sein, deute es darauf hin, daß eine Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht erfolgt sei. Umgekehrt sei davon auszugehen, daß dann, wenn diese Funktionen nach Eintritt der Arbeitslosigkeit neu begründet würden, ebenso ein Beschäftigungsverhältnis vorliege. Da der Beschwerdeführer geschäftsführender Gesellschafter der T. GmbH sei, bleibe nur die Frage zu klären, ob dieses Beschäftigungsverhältnis (unter dem Gesichtspunkt des daraus erzielten Entgelts nach § 12 Abs. 6 lit. a AlVG, das im Sinne des Entgeltbegriffes des § 49 ASVG zu verstehen sei) Arbeitslosigkeit ausschließe. Bei Beurteilung dieser Frage sei zu prüfen, welches Entgelt einem betriebsfremden Geschäftsführer bei gleicher Arbeitszeit und gleicher Tätigkeit (im Beschwerdefall nach den Angaben des Beschwerdeführers: eine Geschäftsführertätigkeit von sieben Stunden wöchentlich) gebühren würde. Die belangte Behörde gehe davon aus, daß der Beschwerdeführer bei seiner Tätigkeit als Geschäftsführer zumindest Anspruch auf die zuletzt in seinem Beschäftigungsverhältnis mit der Funmatic GmbH erhaltene Entlohnung von brutto S 25.900,-- monatlich hätte, wenn er sie von der T. GmbH forderte. Daraus errechne sich bei Zugrundelegung einer wöchentlichen Arbeitszeit von sieben Stunden ein monatlicher Anspruchslohn von S 3.889,38 brutto, der über der Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 lit. a bis c ASVG liege. Nicht von Belang sei, ob und welche Geld- und Sachleistungen der Beschwerdeführer tatsächlich von der T. GmbH erhalten habe. Demgemäß sei das Arbeitslosengeld zu Recht mit 6. April 1993 eingestellt worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall relevanten Bestimmungen des AlVG in der diesbezüglich noch maßgebenden Fassung der Novelle BGBl. Nr. 412/1990 (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 28. April 1992, Zl. 92/08/0025) lauten:

"§ 7. (1)

Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, wer

1. arbeitsfähig, arbeitswillig und arbeitslos ist,

...

§ 12 (1) Arbeitslos ist, wer nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat.

...

(3) Als arbeitslos im Sinne der Abs. 1 und 2 gilt insbesondere nicht:

a)

wer in einem Dienstverhältnis steht;

b)

wer selbständig erwerbstätig ist;

...

(6) Als arbeitslos gilt jedoch,

a) wer aus einer oder mehreren Beschäftigungen ein Entgelt erzielt, das die im § 5 Abs. 2 lit. a bis c des Allgemeinen Sozialversicherugsgesetzes angeführten Beträge nicht übersteigt, ...

(c) wer auf andere Art selbständig erwerbstätig ist und daraus ein nach Maßgabe des Abs. 9 festgestelltes Einkommen erzielt, das die im § 5 Abs. 2 lit. a bis c des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes angeführten Beträge nicht übersteigt.

...

§ 24. (1) Wenn eine der Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld wegfällt, ist es einzustellen;

..."

Während die erstinstanzliche Behörde, wie die Zitierung des § 12 Abs. 3 lit. b AlVG erweist, die Geschäftsführertätigkeit des Beschwerdeführers ab 6. April 1993 als selbständige Erwerbstätigkeit wertete und deshalb (ohne allerdings die dann notwendige Prüfung nach § 12 Abs. 6 lit. c AlVG vorzunehmen) das dem Beschwerdeführer ab 12. März 1993 zuerkannte Arbeitslosengeld nach § 24 Abs. 1 AlVG ab 6. April 1993 einstellte, legte die belangte Behörde dem diese Entscheidung bestätigenden angefochtenen Bescheid die Rechtsauffassung zugrunde, daß dann, wenn - wie im Beschwerdefall - ein Arbeitsloser nach Eintritt der Arbeitslosigkeit zum Geschäftsführer einer GmbH bestellt wird, ein Dienstverhältnis im Sinne des § 12 Abs. 3 lit. a AlVG vorliege und daher zu prüfen sei, ob ihm aus dieser Beschäftigung im Sinne des § 12 Abs. 6 lit. a AlVG ein Entgelt über den Geringfügigkeitsgrenzen des § 5 Abs. 2 lit. a bis c ASVG gebühre, und gelangte in Anwendung auf den Beschwerdefall aus den oben wiedergegebenen Gründen zur Annahme des Wegfalls der Arbeitslosigkeit des Beschwerdeführers ab 6. April 1993.

Die Rechtsauffassung, daß ein geschäftsführender Gesellschafter einer GmbH ab Eintragung der GmbH in das Firmenbuch (vgl. dazu das Erkenntnis vom 20. Februar 1992, Zl. 89/08/0208) immer in einem Dienstverhältnis nach § 12 Abs. 3 lit. a AlVG (das ist in einem Beschäftigungsverhältnis nach § 4 Abs. 2 ASVG: vgl. dazu u.a. das Erkenntnis vom 22. Juni 1993, Zl. 92/08/0036) stehen müsse, widerspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu u.a. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 10. Dezember 1986, Slg. Nr. 12.325/A, sowie aus letzter Zeit u. a. die Erkenntnisse vom 30. März 1993, Zl. 92/08/0084, und Zl. 92/08/0189). Danach ist nämlich die Dienstnehmereigenschaft eines geschäftsführenden Gesellschafters einer GmbH im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG, die - so wie wohl auch im Beschwerdefall - nicht schon kraft seiner Beteiligung an der Gesellschaft auszuschließen ist, unter Bedachtnahme auf die von der Rechtsprechung hiefür als entscheidungskräftig angesehenen Merkmale (in der in den genannten Entscheidungen näher angeführten Art) zu klären. Derartige Ermittlungen hat die belangte Behörde aber, ausgehend von ihrer irrigen Auffassung, nicht vorgenommen. Da der diesbezüglich maßgebende Sachverhalt auch nicht im Sinne des § 56 AVG von vornherein klar gegeben ist, der Beschwerdeführer, dem die von der erstinstanzlichen Behörde abweichende Wertung seines Rechtsverhältnisses mit der T. GmbH erstmals im angefochtenen Bescheid bekanntgegeben wurde, vielmehr in der Beschwerde behauptet, in einem freien Dienstverhältnis gestanden zu sein, ist der angefochtene Bescheid schon deshalb mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet.

Diese Rechtswidrigkeit ist auch relevant, weil es dann, wenn der Geschäftsführertätigkeit des Beschwerdeführers ab 6. April 1993 kein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG zugrundegelegen haben sollte, nicht auf den "Anspruchslohn", sondern nur auf die aus dieser Beschäftigung tatsächlich erzielten Einkünfe in Geld- oder Güterform ankäme (vgl. dazu u.a. die Erkenntnisse vom 29. Juni 1993, Zl. 93/08/0030, und vom 22. Juni 1993, Zl. 92/08/0036).

Der angefochtene Bescheid ist daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Für das fortzusetzende Verfahren wird bemerkt, daß zwar in dem Fall, daß der Beschwerdeführer ab 6. April 1993 doch in einem Beschäftigungsverhältnis zur T. GmbH gestanden haben sollte, nach § 12 Abs. 6 lit. a AlVG das daraus erzielte Entgelt im Sinne des § 49 ASVG (vgl. auch dazu die eben zitierten Erkenntnisse) unabhängig davon maßgebend wäre, ob die Tätigkeiten des Beschwerdeführers ihrer Art nach als bloße Vorbereitungshandlungen für die eigentliche Geschäftstätigkeit der T. GmbH oder bereits als solche zu werten waren, weil es - anders als in dem Beschwerdefall, der dem vom Beschwerdeführer zitierten Erkenntnis vom 27. April 1993, Zl. 92/08/0260, zugrundelag - unter der Voraussetzung des Bestandes eines Beschäftigungsverhältnisses im vorliegenden Zusammenhang nur noch um Entgeltansprüche bzw. tatsächliche Entgeltleistungen im Sinne des § 49 ASVG ginge; es wird dabei aber zu berücksichtigen sein, daß dann, wenn keine Vereinbarungen über das Entgelt (auch nicht im Sinne einer Unentgeltlichkeit) getroffen worden sein sollten, der Entgeltanspruch nach den Kriterien des § 6 Abs. 1 AngG und daher nicht ohne weiteres in der von der belangten Behörde vorgenommene Art zu ermitteln wäre.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Besondere Rechtsprobleme Verhältnis zu anderen Normen Materien Sozialversicherung Handelsrecht Gesellschaftsrecht Dienstnehmer Begriff Persönliche Abhängigkeit Entgelt Begriff Kollektivvertrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993080237.X00

Im RIS seit

18.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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