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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AlVG 1977 §25 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde des A in L, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Oberösterreich vom 7. November 1991, Zl. IVa-AlV-7022-O/B/1313 240835/Linz, betreffend Verpflichtung zum Rückersatz von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe gemäß § 25 Abs. 2 AlVG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.070,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde - in Bestätigung des Bescheides des Arbeitsamtes Linz vom 10. Mai 1989 - ausgesprochen, daß der Beschwerdeführer gemäß § 25 Abs. 2 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG) zum Rückersatz der Hälfte des für Walter P. entstandenen unberechtigten Leistungsbezuges im Ausmaß von S 31.059,-- verpflichtet werde. Nach der Begründung habe Walter P. auf der Grundlage der vom Beschwerdeführer ausgestellten Arbeitsbescheinigungen zwischen 1. Dezember 1986 und 31. Jänner 1989 Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe im Gesamtausmaß von S 62.118,-- bezogen. Dabei habe der Beschwerdeführer jeweils bestätigt, daß Walter P. bei ihm als Verkäufer beschäftigt gewesen sei und das jeweils angeführte Entgelt erhalten habe. Die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse habe jedoch mit (rechtskräftigem) Bescheid vom 21. Februar 1989 festgestellt, daß Walter P. in den angeführten Zeiten mangels Dienstnehmereigenschaft beim Beschwerdeführer weder der Vollversicherung gemäß § 4 Abs. 1 ASVG noch der Arbeitslosenversicherung gemäß § 1 Abs. 1 AlVG unterlegen sei. Der Beschwerdeführer habe nämlich anläßlich einer Beitragsprüfung im Jänner 1989 erklärt, daß P. seinen Würstelstand seit August 1984 auf eigene Rechnung geführt und vom Finanzamt Urfahr eine eigene Steuernummer erhalten habe. P. sei niemals in einem Dienstverhältnis zum Beschwerdeführer gestanden und habe auch keinen Lohn erhalten. Der Beschwerdeführer sei nur deshalb gewerberechtlich als Dienstgeber aufgetreten, da P. keine Konzessionsprüfung gehabt habe. P. habe diese Angaben bestätigt.
In seiner Berufung gegen den Bescheid des Arbeitsamtes habe der Beschwerdeführer im wesentlichen vorgebracht, es fehle am subjektiven Tatbestandsmerkmal des § 25 Abs. 2 AlVG. Der Beschwerdeführer sei im guten Glauben gewesen, daß eine Vollversicherung gegeben gewesen wäre. Als juristischen Laien sei es für ihn nicht erkenntlich gewesen, daß mit der vorbehaltslos erstatteten Anmeldung zwar eine Formalversicherung nach ASVG, nicht jedoch Arbeitslosenversicherung eingetreten sei. Er habe sich diesbezüglich auf die Angaben seines Buchhalters verlassen, sodaß ihm keinerlei Verschulden zur Last gelegt werden könnte. In seiner Einvernahme vor der belangten Behörde habe der Beschwerdeführer erklärt, P. angeboten zu haben, den Würstelstand auf eigene Rechnung zu führen. Da es aber mangels Konzession Schwierigkeiten mit dem Magistrat gegeben habe, hätte er P. bei der Gebietskrankenkasse angemeldet. Es sei aber vereinbart worden, daß P. alle anfallenden Tätigkeiten selbständig zu erledigen habe und dafür 20 % vom Umsatz erhalte. An bestimmte Arbeitszeiten sei P. nicht gebunden gewesen; seinen Urlaub habe er in der Sperrzeit um Weihnachten genommen. Arbeitszeitaufzeichnungen sowie eine Urlaubskartei seien nicht geführt worden. Nachdem P. im Dezember 1988 seine Beschäftigung beendet habe, sei ihm auf sein Verlangen eine Arbeitsbescheinigung ausgestellt worden. P. habe behauptet, diese für die Kirchenbeitragsstelle zu benötigen. Der Lohn sei in Anlehnung an einen im Buffet beschäftigten Kellner eingetragen worden.
Nach Wiedergabe der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen erachtet es die belangte Behörde in freier Würdigung der aktenkundigen Beweise als erwiesen, daß der Beschwerdeführer Walter P. ein arbeitslosenversicherungspflichtiges Dienstverhältnis bestätigt habe, obwohl der Beschwerdeführer gewußt habe, daß Dienstnehmereigenschaft nicht vorliege. Die belangte Behörde schließe sich diesbezüglich der Entscheidung der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse an. Die belangte Behörde sei auch der Ansicht, daß dem Beschwerdeführer und Walter P. an der Verursachung des unberechtigten Bezuges gleichermaßen ein Verschulden anzulasten sei, weshalb der Beschwerdeführer zur Rückzahlung der Hälfte dieser Summe zu verpflichten sei. Da der Beschwerdeführer selbst eingestanden habe, daß P. zu ihm niemals in einem Dienstverhältnis gestanden sei und auch keinen Lohn erhalten habe, habe er mit seiner Arbeitsbestätigung zumindest grob fahrlässig falsche Angaben gemacht und den unberechtigten Leistungsbezug von Walter P. verursacht. Der Einwand des Beschwerdeführers, er habe sich auf die Angaben seines Buchhalters verlassen, sodaß ihm keinerlei Verschulden zur Last gelegt werden könnte, sei nicht zielführend. Zum einen sei ihm die Problematik der fehlenden Dienstnehmereigenschaft von P. sehr wohl bewußt gewesen, zum anderen sei er für die von seinem Buchhalter, der ja an seine Weisungen gebunden sei, ausgestellten Arbeitsbescheinigungen verantwortlich. Im übrigen seien die Arbeitsbescheinigungen vom Beschwerdeführer unterfertigt worden, sodaß er die darin enthaltenen Erklärungen gegen sich gelten lassen müsse. Der Tatbestand des § 25 Abs. 2 AlVG sei somit auch in subjektiver Hinsicht erfüllt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 25 Abs. 1 AlVG lautet auszugsweise:
"Bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen mußte, daß die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte."
§ 25 Abs. 2 AlVG bestimmt:
"Wenn eine dritte Person eine ihr nach diesem Bundesgesetz obliegende Anzeige vorsätzlich oder aus grober Fahrlässigkeit unterlassen oder falsche Angaben gemacht und hiedurch einen unberechtigten Bezug verursacht hat, kann sie zum Ersatz verpflichtet werden."
Das Verhältnis der Bestimmungen des § 25 Abs. 1 zu jener des § 25 Abs. 2 AlVG ist dadurch gekennzeichnet, daß bei Verwirklichung der Tatbestände des § 25 Abs. 1 AlVG die Verpflichtung zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen (gegenüber dem EMPFÄNGER der Leistung) auszusprechen IST, während nach § 25 Abs. 2 AlVG diese Verpflichtung gegenüber den dort genannten Personen von der Behörde ausgesprochen werden "kann". Der Verwaltungsgerichtshof geht nach seiner Rechtsprechung davon aus, daß der Gesetzgeber durch die unterschiedliche Wortwahl innerhalb ein und desselben Paragraphen einen verschiedenen Regelungsinhalt zum Ausdruck bringen wollte. Ist einer der Tatbestände des § 25 Abs. 1 AlVG verwirklicht, so ist im übrigen die Anwendung des Abs. 1 (d.h. die Rückforderung gegenüber dem Leistungsempfänger) durch § 25 Abs. 2 AlVG nicht nur nicht ausgeschlossen (vgl. das Erkenntnis vom 23. Oktober 1986, Zl. 86/08/0158):
Aus dem Regelungszusammenhang der zitierten Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes muß vielmehr geschlossen werden, daß eine positive Gebrauchnahme von Ermessen nach § 25 Abs. 2 AlVG - abgesehen von den übrigen Voraussetzungen (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 28. Juni 1994, Zl. 93/08/0197) - nur dann als im Sinne des Gesetzes gelegen in Betracht kommt, wenn entweder ein Rückforderungstatbestand nach § 25 Abs. 1 leg. cit. nicht vorliegt oder ein solcher zwar verwirklicht ist, aber eine Rückforderung vom Empfänger der Leistung nach diesen Bestimmungen aus tatsächlichen Gründen scheitert (vgl. auch dazu das bereits genannte Erkenntnis vom 23. Oktober 1986).
Da die belangte Behörde dies verkannt hat, hat sie nicht einmal ansatzweise begründet, warum sie das Ermessen zum Nachteil des Beschwerdeführers ausgeübt hat. So wurde Walter P. als Leistungsempfänger zum Rückersatz der Hälfte des von ihm ungerechtfertigt bezogenen Arbeitslosengeldes bzw. der Notstandshilfe gemäß § 25 Abs. 1 AlVG bescheidmäßig verpflichtet. Daß eine Rückforderung gegen ihn nicht möglich ist ("aus tatsächlichen Gründen scheitert"), war im Zeitpunkt der Verpflichtung des Beschwerdeführers zum Rückersatz nach § 25 Abs. 2 AlVG nicht ersichtlich. Eine Rückforderung vom Empfänger der Leistung und vom Beschwerdeführer "je zur Hälfte" wäre hingegen auf Grund des dargelegten Verhältnisses der beiden Rückforderungstatbestände zueinander im Verwaltungsweg nicht zulässig.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Für die nur in einer Ausfertigung vorzulegende Beilage konnten lediglich Stempelgebühren in der Höhe von S 90,-- zugesprochen werden.
Schlagworte
ErmessenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1991080194.X00Im RIS seit
18.10.2001