TE Vwgh Beschluss 1994/9/30 94/08/0135

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Veröffentlicht am 30.09.1994
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über den Antrag des H in S, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwältin in S, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der zur hg. Zl. 93/08/0282 protokollierten Beschwerde, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht stattgegeben.

Begründung

Mit Verfügung vom 28. Jänner 1994 wurde die zur Zl. 93/08/0282 protokollierte - in zweifacher Ausfertigung vorgelegte - eigenhändig verfaßte Beschwerde gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Salzburg vom 29. Oktober 1993, Zl. IV-7022 B, VNr. 1197 250455, gemäß § 34 Abs. 2 VwGG zur Behebung folgender Mängel zurückgestellt:

"1) Es ist das Recht, in dem die beschwerdeführende Partei verletzt zu sein behauptet (Beschwerdepunkte, § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG), bestimmt zu bezeichnen und es sind die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, anzuführen (§ 28 Abs. 1 Z. 5 VwGG).

2) Es ist die Beschwerde mit der Unterschrift eines Rechtsanwaltes zu versehen.

3) Es ist eine weitere Ausfertigung der eigenhändig verfaßten Beschwerde für den Bundesminister für Arbeit und Soziales beizubringen (§§ 24 Abs. 1 und 29 VwGG)."

Mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. April 1994, Zl. 93/08/0282-9, wurde das Verfahren eingestellt, weil der Antragsteller der an ihn ergangenen Aufforderung zur Mängelbehebung durch Vorlage einer weiteren eigenhändig verfaßten Beschwerde für den Bundesminister für Arbeit und Soziales nicht nachgekommen war.

In ihrem Antrag vom 15. Juni 1994 beantragt die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Mängelbehebungsfrist unter gleichzeitiger Vorlage einer Ausfertigung der eigenhändig verfaßten (Ur-)Beschwerde. In der Begründung dieses Antrages heißt es wörtlich:

"Die Verbesserung wurde in der Form vorgenommen, daß die ausgewiesene Vertreterin einen völlig neuen Schriftsatz zur Bescheidbeschwerde eingebracht hat, und zwar selbstverständlicherweise in dreifacher Ausfertigung. Im Sinne des Auftrages der Verwaltungsgerichtshofes vom 28.1.1994 an die die Verfahrenshilfe genießende Partei hat der Beschwerdeführer seiner ausgewiesenen Vertreterin bei der Besprechung am 9.3.1994 ein ganzes Konvolut von seiner Beschwerde vom 20.12.1993 betreffenden Unterlagen, nämlich nicht nur eine weitere Ausfertigung der Beschwerde selbst, sondern auch sämtliche dieser Beschwerde angeschlossenen Beilagen übergeben und befindet sich auf der Zweitausfertigung der Beschwerde auch der diesbezügliche Eingangsstempel der Rechtsanwaltskanzlei.

Die mit dem Schreiben der Bescheidbeschwerde befaßte Sekretärin Ingrid O., welche schon fast seit Kanzleieröffnung bei der Vertreterin des Beschwerdeführers beschäftigt ist und sich stets als sehr verläßlich, gewissenhaft und genau erwiesen hat, war angewiesen, alle von der Vertreterin vorsortierten Unterlagen der neu verfaßten Bescheidbeschwerde beizulegen. Bei diesen befanden sich nicht nur mit dem Verbesserungsauftrag des Verwaltungsgerichtshofes übersandten Schriftstücke mit einer Ausfertigung der (Ur-)Beschwerde, sondern auch eben die erwähnte Zweitausfertigung der Beschwerde des H. Es wird in der Kanzlei der ausgewiesenen Vertreterin ständig so gehandhabt, daß Beilagen, die einem von der Sekretärin zu schreibenden Schriftstück beizuschließen sind, im Akt obenauf, nämlich über dem zu jedem Akt geführten laufenden Informationsblatt liegen. Dieses Informationsblatt hat nämlich in jedem Akt obenauf als erstes Blatt zu liegen. Alles was auf diesem Informationsblatt liegt, muß mit der zu diesem Akt diktierten Erledigung an den jeweiligen Empfänger mitgeschickt werden. Außerdem sind die abzusendenden Unterlagen, wenn sie nicht schon im Akt aufliegen, für diesen auch noch zu kopieren. Es läßt sich im nachhinein nun leider nicht mehr genau rekonstruieren, wie es doch zu dem Fehler gekommen ist, daß mit der neuen Bescheidbeschwerde laut Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 26.4.1994 offenbar die (Ur-)Beschwerde des Beschwerdeführers nur einmal vorgelegt worden ist, obwohl sie zweifach vorbereitet worden war, und im Handakt der Vertreterin auch noch die Kopie, die von der vom Beschwerdeführer am 9.3.1994 in der Kanzlei übergebenen Zweitausfertigung samt den beigeschlossenen Anlagen befindet. Da die ausgewiesene Vertreterin auch immer das Vorhandensein aller Beilagen vor Unterfertigung sämtlicher Schriftstücke kontrolliert, kann der Fehler nur beim anschließenden Kopieren der Unterlagen für den Handakt, bei welchem dann offenbar nicht mehr alle zu fotokopierenden Unterlagen in den Schriftsatz mit der Bescheidbeschwerde eingelegt worden sind, entstanden sein.

Da der Vertreterin des Beschwerdeführers die durch einen Manipulationsfehler der zuständigen Sekretärin unterbliebene Vorlage der (Ur-)Beschwerde des Beschwerdeführers und das aus diesem Fehler laut Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 26.4.1994 abgeleitete völlige Unterbleiben einer fristgerechten Mängelbehebung im Sinne des Verbesserungsauftrages erst durch Zustellung des die Verfahrenseinstellung bekanntgebenden Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes, Zl. 93/08/0282-9 vom 26.4.1994 bekannt wurde und sie daher bis zur Zustellung dieses Beschlusses ohne ihr Verschulden keine Kenntnis davon erlangt hatte, daß sie durch ein unvorhergesehenes Ereignis an der fristgerechten Entsprechung des dem Beschwerdeführer aufgetragenen Verbesserungsauftrages gehindert war, welches aber nur auf einem minderen Grad des Versehens beruhte, liegt ein Wiedereinsetzungsgrund gemäß § 46 VwGG."

Dem Antrag ist eine "eidesstättige Erklärung" der Sekretärin vom 15. Juni 1994 angeschlossen, die folgenden Inhalt aufweist:

"Ich, Ingrid O., erkläre hiemit an Eides statt, daß ich mit dem Schreiben der Bescheidbeschwerde in der Sache H befaßt war, wozu nach dem Korrekturlesen durch meine Chefin auch gehörte, diese Eingabe fertig auszudrucken, alle Beilagen, welche sich, von ihr selbst vorsortiert, im Akt obenauf über dem Informationsblatt liegend befanden, beizulegen. Ich muß die von meiner Chefin zu unterfertigenden Schriftstücke in der Unterschriftenmappe immer so verarbeiten, daß dem Antrag oder Schreiben auch immer alle dazugehörenden Beilagen angeschlossen sind, damit meine Chefin die Vollständigkeit der Beilagen vor ihrer Unterschriftsleistung kontrollieren kann.

Ich kann mich noch erinnern, daß in diesem Fall extra ein Beilagenfaszikel für den Handakt kopiert werden mußte, obwohl diese Unterlagen zweifach vorhanden waren, weil sie eben in diesem Fall doppelt vorzulegen waren, was der Konzipient, welcher ursprünglich ein Konzept für die Bescheidbeschwerde erstellt hatte, vergessen hatte, und von meiner Chefin bemängelt worden war. Warum die (Ur-)Beschwerde letztendlich doch nicht doppelt der Bescheidbeschwerde beigeschlossen war, kann ich mir nicht erklären. Ich kann nur vermuten, daß mir dieser Fehler beim Herstellen einer Fotokopie für den Handakt unterlaufen ist.

Salzburg, am 15.6.1964 O. Ingrid"

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Verschulden des Vertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen. Wenn einem Angestellten des Vertreters im Zusammenhang mit der Einhaltung einer Frist ein Fehler unterläuft, hat das die Partei selbst nur dann nicht zu vertreten, wenn ihr bevollmächtigter Vertreter der ihm zumutbaren Überwachungspflicht gegenüber seinen Angestellten nachgekommen ist, dem Vertreter selbst an der Versäumung keinerlei Verschulden, insbesondere auch nicht in der Form der "culpa in custodiendo", trifft. Lediglich rein technische Vorgänge beim Abfertigen von Schriftstücken kann der Rechtsanwalt ohne nähere Beaufsichtigung seiner verläßlichen Kanzleikraft überlassen. Im übrigen trifft ihn aber an Irrtümern seiner Angestellten bei Vernachlässigung der ihm zumutbaren Überwachungspflicht ein Verschulden (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 2. Oktober 1989, Zl. 89/04/0049).

Ein solcher bloß rein technischer Vorgang beim Abfertigen (die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers spricht von einem "Manipulationsfehler" der zuständigen Sekretärin) ist im Beschwerdefall allerdings nicht gegeben. Nach dem gesamten Vorbringen ist vielmehr davon auszugehen, daß die Beschwerdevertreterin der Meinung war, es seien lediglich zwei Ausfertigungen der eigenhändig verfaßten (Ur-)Beschwerde den neuen Beschwerdeschriftsätzen beizulegen, während auf Grund des Verbesserungsauftrages vom 28. Jänner 1994 (neben den bereits vorgelegten zwei Ausfertigungen für den Gerichtshof und die belangte Behörde) noch eine weitere, DRITTE Ausfertigung für den Bundesminister für Arbeit und Soziales beizubrigen war. So heißt es nämlich in ihrem Antrag vom 15. Juni 1994: "... Es läßt sich im nachhinein nun leider nicht mehr genau rekonstruieren, wie es doch zu dem Fehler gekommen ist, daß mit der neuen Bescheidbeschwerde laut Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. April 1994 offenbar die (Ur-)Beschwerde des Beschwerdeführers nur einmal vorgelegt worden ist, obwohl sie zweifach vorbereitet worden war,..."

Dafür sprechen auch die oben wiedergegeben Angaben in der "eidesstättigen Erklärung" der Sekretärin: "... Ich kann mich noch erinnern, daß in diesem Fall extra ein Beilagenfoszikel für den Handakt kopiert werden mußte, obwohl diese Unterlagen zweifach vorhanden waren, weil sie eben in diesem Fall doppelt vorzulegen waren, ... Warum die (Ur-)Beschwerde letztendlich doch nicht doppelt der Bescheidbeschwerde beigeschlossen war, kann ich mir nicht erklären ..."

Mangels eines minderen Grades des Versehens konnte daher dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht stattgegeben werden.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994080135.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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