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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ABGB §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde der C in S, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in S, gegen den aufgrund des Beschlusses des Unterausschusses des zuständigen Verwaltungsausschusses ausgefertigten Bescheid des Landesarbeitsamtes Salzburg vom 8. März 1993, Zl. IV-7022 B, VNR. 4237 231155, betreffend Widerruf und Rückforderung von Karenzurlaubsgeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 13.100,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde aus, daß gemäß § 29 Abs. 1 in Verbindung mit § 24 Abs. 2 AlVG die Zuerkennung des Karenzurlaubsgeldes an die Beschwerdeführerin für den Zeitraum vom 1. Jänner bis 25. April 1990 widerrufen werde und die Beschwerdeführerin gemäß § 29 Abs. 1 in Verbindung mit § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Karenzurlaubsgeldes in der Höhe von S 29.003,-- verpflichtet sei.
Der Bescheidbegründung legte die belangte Behörde folgenden (von ihr als unbestritten bezeichneten) Sachverhalt zugrunde:
Die Beschwerdeführerin habe in dem im Spruch genannten Zeitraum Karenzurlaubsgeld im Ausmaß von S 29.003,-- bezogen. Sie sei im Besitze eines Gewerbescheines für ein Handelsgewerbe, eingeschränkt auf den Import- und Exporthandel (Datum der Gewerbeanmeldung: 30. April 1987). Dieses Gewerbe habe sie auch im Jahre 1990 ununterbrochen ausgeübt. Laut dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1990, ausgestellt vom Finanzamt Salzburg-Stadt am 1. März 1992, habe sie im Jahre 1990 aus ihrem Gewerbebetrieb ein Einkommen von S 102.145,-- erzielt. In diesem Bescheid scheine auch ein Investitionsbetrag (§ 10 EStG 1988) von S 4.096,-- und ein Verlustabzug (für 1989) von S 184.815,-- auf.
Die bei der rechtlichen Beurteilung anzuwendenden maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen seien § 26 Abs. 3 lit. b und Abs. 6 lit. d sowie § 12 Abs. 9 und 10 AlVG. Bei Anwendung dieser Bestimmungen ergebe sich folgendes: Die Beschwerdeführerin habe im Jahre 1990 aus ihrem Gewerbebetrieb ein Einkommen von S 102.145,-- erzielt. Diesem Einkommen sei gemäß § 12 Abs. 9 AlVG der Investitionsfreibetrag von S 4.096,-- hinzuzurechnen, sodaß sich ein Betrag von S 106.241,-- für das Jahr 1990 ergebe. Der "Verlustabzug" könne dieses Einkommen nicht mindern. Ihre in der Berufung vertretene Auffassung, wonach letzteres nicht zutreffe, sei im Gesetz nicht begründet. Denn der Verlustabzug aus dem Jahre 1989 stelle eine Sonderausgabe (§ 18 Abs. 6 EStG 1988) dar und könne im Bereich der Arbeitslosenversicherung kraft gesetzlicher Vorschrift (§ 12 Abs. 9 AlVG) das für den Anspruch auf Karenzurlaubsgeld (§ 12 Abs. 10 AlVG) maßgebliche Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit im Jahre 1990 nicht mindern. Als monatliches Einkommen gelte gemäß § 12 Abs. 9 AlVG ein Zwölftel des sich ergebenden Jahreseinkommens, das sei im Beschwerdefall S 8.853,40. Dieser Betrag übersteige bei weitem die Geringfügigkeitsgrenze für 1990 im Betrag von S 2.658,--. Daher habe sich aufgrund des nachträglich vorgelegten Einkommensteuerbescheides für 1990 ergeben, daß der Beschwerdeführerin das von ihr im obgenannten Zeitraum bezogene Karenzurlaubsgeld im genannten Ausmaß nicht gebührt habe, weshalb es gemäß § 29 in Verbindung mit den §§ 24 Abs. 2 und 25 Abs. 1 letzter Satz AlVG zu widerrufen und rückzufordern gewesen sei.
Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung mit Beschluß vom 28. September 1993, B 670/93, ablehnte und sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
In ihrer Beschwerdeergänzung wendet die Beschwerdeführerin ein, daß § 12 Abs. 10 AlVG, der verfüge, daß § 12 Abs. 9 AlVG auch auf das Karenzurlaubsgeld anzuwenden sei, erst mit der Novelle BGBl. Nr. 416/1992 mit Wirksamkeit ab 1. Juli 1992 in das AlVG eingefügt und daher auf den schon im Jahre 1990 verwirklichten Sachverhalt nicht anzuwenden sei. Allein schon aus der Tatsache, daß der Gesetzgeber eine ausdrückliche Regelung des in § 12 Abs. 10 AlVG genannten Inhaltes für erforderlich gehalten habe, erhelle, daß die Prinzipien des § 12 Abs. 9 leg. cit. vor Inkrafttreten der Novelle bei der Ermittlung des Einkommens für die Zuerkennung von Karenzurlaubsgeld nicht anzuwenden gewesen seien. Dazu komme, daß die (schon im Zeitpunkt der Zuerkennung des Karenzurlaubsgeldes geltende) Bestimmung des § 29 Abs. 1 AlVG, wonach die §§ 24 und 25 leg. cit. sinngemäß anzuwenden sind, nicht statuiere, daß damit auch die Prinzipien des § 12 Abs. 9 im Fall des Karenzurlaubsgeldes gelten sollten. Die Zurückforderung des zuerkannten Karenzurlaubsgeldes sei daher ohne gesetzliche Deckung erfolgt; dies gelte insbesondere für die Anwendung der Zwölftelregel des § 12 Abs. 9 letzter Satz AlVG und die in dieser Bestimmung enthaltene Hinzurechnungsregel von Freibeträgen und Sonderausgaben zum Einkommen nach dem Einkommensteuerbescheid. Die belangte Behörde hätte vielmehr nach § 26 Abs. 4 "lit. c" (gemeint: lit. d) AlVG festzustellen gehabt, daß die Beschwerdeführerin im relevanten Zeitraum kein Entgelt bezogen habe, das die im § 5 Abs. 2 lit. a bis c ASVG angeführten Beträge überstiegen habe. Dabei hätte die Behörde den tatsächlichen Zufluß im genannten Zeitraum zu ermitteln gehabt bzw. gemäß "§ 24 AlVG" (gemeint wohl: § 25 AlVG) vom Einkommensteuerbescheid für 1990, jedoch ohne Abzug der Sonderausgaben (Verlustabzüge), ausgehen müssen. Dabei wäre zutage getreten, daß die Rückforderung des Karenzurlaubsgeldes zu Unrecht erfolgt sei, weil einem Einkommen für das Jahr 1990 von S 102.145,-- Verlustabzüge von S 184.815,-- gegenübergestanden seien.
Dazu vertritt die belangte Behörde in der Gegenschrift die Auffassung, es sei zwar unbestritten, daß bis zum Inkrafttreten der Novelle BGBl. Nr. 416/1992 am 1. Juli 1992 im AlVG keine ausdrückliche Regelung über die Einkommensfeststellung bei selbständiger Erwerbstätigkeit von Karenzurlaubsgeldbezieherinnen getroffen worden sei. Diese Lücke sei aber bis zum Inkrafttreten dieser Novelle durch Gesetzesanalogie zu schließen gewesen. Wie aus den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur genannten Novelle hervorgehe, habe mit ihr lediglich klargestellt werden sollen, daß das Ermittlungsverfahren zur Beurteilung des Anspruchs auf Arbeitslosigkeit bei selbständiger Erwerbstätigkeit auch für die Beurteilung des Anspruchs auf Karenzurlaubsgeld und Familienzuschlag gelte. Daher sei davon auszugehen, daß bis zum 1. Juli 1992 eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes vorgelegen sei, welche durch Analogie zu schließen gewesen sei. Auch bei einer gleichheitskonformen Auslegung des Gesetzes sei davon auszugehen, daß die Regelung des § 12 Abs. 9 AlVG betreffend die Einkommensermittlung aus selbständiger Erwerbstätigkeit analog für die Anspruchsbeurteilung bei Karenzurlaubsgeldbezieherinnen, die selbständig erwerbstätig gewesen seien, heranzuziehen gewesen seien. Eine entgegenstehende Absicht des Gesetzgebers, gleichgelagerte Fälle unterschiedlich behandeln zu wollen, sei nicht nachvollziehbar. Unter Zugrundelegung dieser Rechtslage und ausgehend davon, daß die Beschwerdeführerin auch in der Zeit vom 1. Jänner bis 25. April 1990 selbständig erwerbstätig gewesen sei (eine Zurücklegung des Gewerbes bzw. eine Meldung über dessen Ruhen sei nicht erfolgt), sei der angefochtene Bescheid nicht rechtswidrig.
In ihrer Replik zur Gegenschrift gesteht die Beschwerdeführerin zu, "den Gewerbeschein für den Zeitraum 1.1.1990 bis 25.4.1990 nicht ruhend gemeldet" zu haben; tatsächlich habe sie jedoch während dieser Zeit keine selbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt, sie wäre aufgrund der Geburt von Zwillingen hiezu auch gar nicht in der Lage gewesen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Rechtmäßigkeit des mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochenen Widerrufs der Zuerkennung von Karenzurlaubsgeld an die Beschwerdeführerin für den Zeitraum vom 1. Jänner bis 25. April 1990 und ihrer Verpflichtung zum Rückersatz des empfangenen Karenzurlaubsgeldes ist - entsprechend der grundsätzlichen Zeitraumbezogenheit von Absprüchen über Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung (vgl. die Erkenntnisse vom 21. November 1989, Zl. 88/08/0287, und vom 28. April 1992, Zl. 92/08/0025) - mangels diesbezüglich anderes anordnender gesetzlicher Bestimmungen nach der im Widerrufszeitraum geltenden Rechtslage zu prüfen.
Die für diese Beurteilung relevanten Bestimmungen des AlVG in der demnach maßgebenden Fassung der Novelle BGBl. Nr. 364/1989 (§ 27 AlVG unter Bedachtnahme auf § 32 leg. cit. und Art. VII Abs. 2 der 48. ASVG-Novelle, BGBl. Nr. 642/1989) lauten:
"§ 12. (1) Arbeitslos ist, wer nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat.
...
(3) Als arbeitslos im Sinne der Abs. 1 und 2 gilt insbesondere nicht:
...
b) wer selbständig erwerbstätig ist;
...
(6) Als arbeitslos gilt jedoch,
...
c) wer auf andere Art selbständig erwerbstätig ist und daraus ein nach Maßgabe des Abs. 9 festgestelltes Einkommen erzielt, das die im § 5 Abs. 2 lit. a bis c des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes angeführten Beträge nicht übersteigt;
...
(9) Das Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit wird auf Grund des Einkommensteuerbescheides für das Kalenderjahr, in dem Arbeitslosengeld bezogen wird, festgestellt, wobei dem Einkommen nach § 2 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes 1988, BGBl. Nr. 400, in der jeweils geltenden Fassung, unter Außerachtlassung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 25 EStG 1988) die im Einkommensteuerbescheid angeführten Freibeträge und Sonderausgaben sowie die Beträge nach den §§ 9 und 10 EStG 1988 hinzuzurechnen sind.
... Als monatliches Einkommen gilt ein Zwölftel des sich
ergebenden Jahreseinkommens.
§ 24. (2) Wenn sich die Zuerkennung oder die Bemessung des Arbeitslosengeldes nachträglich als gesetzlich nicht begründet herausstellt, ist die Zuerkennung zu widerrufen oder die Bemessung rückwirkend zu berichtigen.
§ 25. (1) Bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen mußte, daß die Leistung nicht oder nicht
in dieser Höhe gebührte. ... Der Empfänger des
Arbeitslosengeldes (der Notstandshillfe) ist auch zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn sich auf Grund seines bzw. seines Angehörigen nachträglich vorgelegten Einkommensteuerbescheides ergibt, daß gemäß § 12 Abs. 6 lit. c bzw. § 36 Abs. 3 lit. A lit. f und lit. B lit. d das Arbeitslosengeld (die Notstandshilfe) nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte.
§ 26. (3) Keinen Anspruch auf Karenzurlaubsgeld haben Mütter, die
...
b) selbständig erwerbstätig sind;
...
(4) Anspruch auf Karenzurlaubsgeld haben jedoch bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen Mütter, die
...
d) auf andere Art selbständig erwerbstätig sind und daraus ein Einkommen erzielen, das die im § 5 Abs. 2 lit. a bis c des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes angeführten Beträge nicht übersteigt;
§ 27. (1) Verheiratete Mütter und nicht alleinstehende Mütter erhalten ein Karenzurlaubsgeld von 155,30 S täglich.
(2) Alleinstehende Mütter erhalten ein Karenzurlaubsgeld von 232,30 S täglich.
(3) Verheiratete Mütter, deren Ehegatte jedoch kein oder nur ein Einkommen erzielt, das bei Anwendung des § 6 der ... (Notstandshilfeverordnung) unberücksichtigt zu bleiben hätte
(Freibetrag), ... erhalten ein Karenzurlaubsgeld von 232,30 S
täglich. Übersteigt das Einkommen des Ehegatten die vorgenannte Freigrenze, so ...
(4) Als nicht alleinstehend gilt eine Mutter, die ...
(5) Die Bestimmungen des Abs. 3 finden auf nicht alleinstehende Mütter im Sinne des Abs. 4 sinngemäß Anwendung.
(6) Bei Anwendung der Abs. 3 bis 5 ist das Einkommen nach Maßgabe der für die Notstandshilfe geltenden Vorschriften zu ermitteln.
§ 29. (1) § 16 Abs. 1 lit. a, b, c, e, f und j (Ruhen des Arbeitslosengeldes) sowie § 24 und § 25 (Einstellung und Berichtigung des Arbeitslosengeldes) sind sinngemäß anzuwenden.
...
§ 36. (3) Im einzelnen ist bei der Erlassung der Richtlinien folgendes zu beachten:
A. Berücksichtigung des Einkommens des Arbeitslosen:
...
f) Bei der Ermittlung des Einkommens aus einer
selbständigen Erwerbstätigkeit ... ist § 12 Abs. 9 sinngemäß
anzuwenden.
B. Berücksichtigung des Einkommens des Ehepartners (des
Lebensgefährten bzw. der Lebensgefährtin):
...
d) Bei der Ermittlung des Einkommens einer selbständigen
Erwerbstätigkeit ... ist § 12 Abs. 9 sinngemäß anzuwenden ...
§ 38. Soweit in diesem Abschnitt nichts anderes bestimmt ist, sind auf die Notstandshilfe die Bestimmungen des Abschnittes 1 sinngemäß anzuwenden."
Durch die Novelle BGBl. Nr. 416/1992 wurde mit Wirksamkeit vom 1. Juli 1992 u.a. ein § 12 Abs. 10 in das AlVG eingefügt und § 25 Abs. 1 letzter Satz AlVG geändert. Diese Bestimmungen lauten:
"§ 12. (10) Bei der Ermittlung des Einkommens aus selbständiger Erwerbstätigkeit für die Beurteilung des Anspruches auf Familienzuschlag (§ 20 Abs. 2) und Karenzurlaubsgeld (§ 26 Abs. 4 und § 27 Abs. 3) ist Abs. 9 sinngemäß anzuwenden.
§ 25. (1) ... Der Empfänger einer Leistung nach diesem
Bundesgesetz ist auch zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn sich auf Grund seines bzw. seines Angehörigen nachträglich vorgelegten Einkommensteuerbescheides ergibt, daß die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte."
In den Erläuterungen der Regierungsvorlage zur eben genannten Novelle (497 BlgNR XVIII. GP, Seite 7) heißt es zu diesen Bestimmungen:
"Für die Ermittlung von Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit für die Beurteilung der Arbeitslosigkeit gilt das Verfahren nach § 12 Abs. 9 (Erklärung des Arbeitslosen über die Höhe des Einkommens und nachträgliche Vorlage des Einkommensteuerbescheides). Es soll klargestellt werden, daß dieses Ermittlungsverfahren auch für die Beurteilung des Anspruches auf Familienzuschlag und Karenzurlaubsgeld (Anspruch und Höhe) gilt."
Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist mit Recht nicht strittig, daß die durch die Novelle BGBl. Nr. 615/1987 in das AlVG eingefügte und durch die Novelle BGBl. Nr. 364/1989 geänderte, der Beurteilung des Vorliegens der für die Zuerkennung von Arbeitslosengeld erforderlichen Leistungsvoraussetzung der Arbeitslosigkeit selbständig erwerbstätiger Personen geschaffene Bestimmung des § 12 Abs. 9 AlVG im gegenständlichen Widerrufszeitraum - anders als zufolge der allgemeinen Verweisungsnorm des § 38 AlVG für die Beurteilung der nämlichen Leistungsvoraussetzung für die Zuerkennung von Notstandshilfe - nicht unmittelbar (kraft Verweisung) bei der (nach § 26 Abs. 4 lit. d AlVG für die Beurteilung des Anspruches auf Karenzurlaubsgeld erforderlichen) Ermittlung des Einkommens selbständig erwerbstätiger Anspruchswerber auf Karenzulaubsgeld anwendbar war. Denn die zitierte Verweisungsbestimmung des § 29 AlVG normiert zwar die sinngemäße Anwendung der §§ 24 und 25 AlVG; diese Verweisung schließt aber - jedenfalls im vorliegenden Zusammenhang - nicht einmal die Anwendung des § 25 Abs. 1 letzter Satz AlVG, geschweige denn des § 12 Abs. 9 leg. cit., ein. "Sinngemäße" Anwendung einer Norm aufgrund einer gesetzlichen Verweisung bedeutet nämlich, daß die einzelnen Elemente des durch die Verweisung geregelten und desjenigen Tatbestandes, auf dessen Rechtsfolgen verwiesen wird, miteinander so in Beziehung zu setzen sind, daß den jeweils nach ihrer Funktion und ihrer Stellung im Sinnzusammenhang des Tatbestandes gleich zu erachtenden Elementen die gleichen Rechtsfolgen zugeordnet werden (vgl. das Erkenntnis vom 26. September 1991, Slg. Nr. 13.498/A). Die eine weitere Verpflichtung zum Rückersatz von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe unter anderem mangels Arbeitslosigkeit bzw. hinsichtlich der Notstandshilfe überdies mangels eigenen Einkommens anordnende Bestimmung des § 25 Abs. 1 letzter Satz AlVG steht nach ihrem Wortlaut und ihrem Regelungsinhalt im unmittelbaren Zusammenhang mit den ausdrücklich angeordneten Verpflichtungen des Leistungsbeziehers zur Vorlage des Einkommensteuerbescheides (nach der in den ausdrücklich zitierten Bestimmungen der §§ 12 Abs. 6 lit. c, 36 Abs. 3 lit. A lit. f und § 36 Abs. 3 lit. B lit. d AlVG verwiesenen Bestimmung des § 12 Abs. 9 leg. cit.) und muß daher als eine der aus diesen Verpflichtungen resultierenden Rechtsfolge gewertet werden (vgl. dazu auch die Erläuterungen der Regierungsvorlage zur Novelle BGBl. Nr. 615/1987, 282 BlgNR XVII. GP, Seite 8). Durch die Einfügung des § 27 Abs. 6 AlVG durch die Novelle BGBl. Nr. 364/1989 wurde § 25 Abs. 1 letzter Satz AlVG zwar auch im Karenzurlaubsgeldrecht (bei Beurteilung der Verpflichtung zum Rückersatz erhöhten Karenzurlaubsgeldes aufgrund des Einkommens dritter Personen) anwendbar; dies aber nur deshalb, weil durch den neu geschaffenen § 27 Abs. 6 AlVG auch § 36 Abs. 3 lit. B lit. d AlVG anwendbar erklärt wurde.
Bleibt zu prüfen, ob, wie die belangte Behörde meint, § 12 Abs. 9 AlVG nicht schon vor Inkrafttreten der Novelle BGBl. Nr. 416/1992 analog bei der nach § 26 Abs. 4 lit. d AlVG erforderlichen Ermittlung des Einkommens selbständig erwerbstätiger Anspruchswerberinnen anwendbar war.
Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die grundsätzliche Zulässigkeit der Analogie auch im öffentlichen Recht wiederholt anerkannt. Voraussetzung hiefür ist freilich das Bestehen einer echten (d.h. planwidrigen) Rechtslücke. Sie ist dort anzunehmen, wo das Gesetz, gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie, unvollständig, also ergänzungsbedürftig, ist, und wo seine Ergänzung nicht etwa einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht. Da das öffentliche Recht, im besonderen das Verwaltungsrecht, schon von der Zielsetzung her nur einzelne Rechtsbeziehungen unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Interesses zu regeln bestimmt ist, muß eine auftretende Rechtslücke in diesem Rechtsbereich im Zweifel als beabsichtigt angesehen werden. Eine Schließung von (vermeintlichen) Regelungslücken per Analogie ist jedenfalls unzulässig in Fällen, in denen aus dem Gesetz zu erkennen ist, daß bestimmte Rechtswirkungen nur dem gesetzlich umschriebenen Tatbestand zukommen sollen (vgl. u.a. den Beschluß vom 2. Juli 1982, Zl. A 11/82, und das Erkenntnis vom 21. September 1993, Zl. 92/08/0092, jeweils mit weiteren Judikaturhinweisen).
Unter Bedachtnahme auf diese Grundsätze scheidet auch eine analoge Anwendung des § 12 Abs. 9 AlVG im vorliegenden Zusammenhang aus. Denn angesichts des Umstandes, daß der Gesetzgeber sowohl der Novelle BGBl. Nr. 615/1987 als auch der Novelle BGBl. Nr. 364/1989 trotz Änderungen auch im Karenzurlaubsgeldrecht zwar die Anwendung des § 12 Abs. 9 AlVG im Notstandshilferecht (durch Einfügung der schon genannten Bestimmungen im § 36 Abs. 3 AlVG durch die Novelle BGBl. Nr. 615/1987) und im Karenzurlaubsgeldrecht bei der Ermittlung des Einkommens Dritter für die Beurteilung erhöhten Karenzurlaubsgeldes (durch die Einfügung des § 27 Abs. 6 AlVG durch die Novelle BGBl. Nr. 394/1989) anordnete, nicht aber auch für eine unmittelbare Anwendung des § 12 Abs. 9 AlVG im übrigen Karenzurlaubsgeldrecht Vorsorge traf und auch die Erläuterungen der Regierungsvorlagen zu diesen Novellen auf die Absicht einer nur beschränkten Anwendung der genannten Bestimmung hindeuten (vgl. die Erläuterungen der Regierungsvorlage zur Novelle BGBl. Nr. 615/1987,
282 BlgNR XVII. GP, Seite 8, und die Erläuterungen der Regierungsvorlage zur Novelle BGBl. Nr. 364/1989,
986 BlgNR XVII. GP, Seite 13), muß die auftretende Rechtslücke im Zweifel als beabsichtigt angesehen werden. Auch sprechen teleologische Gesichtspunkte nicht notwendigerweise für eine Auslegung in der von der belangten Behörde angestrebten Weise, weil im Zusammenhang mit der Gewährung von Karenzurlaubsgeld durchaus abweichende rechtspolitische Absichten des Gesetzgebers im Verhältnis zu Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe denkbar sind und sowohl die Anerkennung als auch die Nichtanerkennung von steuerlich anerkannten Verlusten aus früheren Zeitabschnitten innerhalb des vorstellbaren (und auch zulässigen) Rahmens rechtspolitischer Überlegungen des Gesetzgebers liegen. Daran vermag die Verwendung des Wortes "klargestellt" in den obzitierten Erläuterungen der Regierungsvorlage zur Novelle BGBl. Nr. 416/1992 (abgesehen davon, ob damit nicht ohnedies nur eine Klarstellung einer Zweifelsfrage für die Zukunft gemeint ist) nichts zu ändern. Denn selbst wenn der Gesetzgeber - entgegen den angeführten, dagegen sprechenden Umständen - von Anfang an die Geltung des § 12 Abs. 9 AlVG "auch für die Beurteilung des Anspruches
auf ... Karenzurlaubsgeld (Anspruch und Höhe)" beabsichtigt
haben sollte, so wäre es ihm jedenfalls nicht gelungen, diesen Willen in zureichend klarer Weise zum Ausdruck zu bringen, und ginge eine derartige "legistische Panne" schon im Hinblick darauf, daß § 12 Abs. 9 AlVG dem jeweiligen Anspruchswerber (in der obgenannten Weise sanktionierte) Verpflichtungen auferlegt, zu seinen Lasten.
Da die belangte Behörde bei der Prüfung der Frage, ob die Zuerkennung des Karenzurlaubsgeldes an die Beschwerdeführerin für die Zeit vom 1. Jänner bis 25. April 1990 im Sinne des § 29 Abs. 1 in Verbindung mit § 24 Abs. 2 AlVG "nicht begründet" bzw. ob im Sinne des § 29 in Verbindung mit § 25 Abs. 1 AlVG der Empfang des Karenzurlaubsgeldes "unberechtigt" war, zu Unrecht § 12 Abs. 9 AlVG angewendet und die Rückersatzverpflichtung der Beschwerdeführerin rechtsirrig auf § 29 in Verbindung mit § 25 Abs. 1 letzter Satz AlVG gestützt hat, ist der angefochtene Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet. Dadurch ist die Beschwerdeführerin aber auch in Rechten verletzt, weil die belangte Behörde die maßgebende Frage, ob die Beschwerdeführerin im relevanten Zeitraum im Sinne des § 26 Abs. 4 lit. d AlVG aus ihrer selbständigen Erwerbstätigkeit ein Einkommen erzielt hat, das die in § 5 Abs. 2 lit. a bis c ASVG angeführten Beträge nicht überstiegen hat, nach den für den Beschwerdefall zu modifizierenden Grundsätzen des Erkenntnisses vom 23. Oktober 1986, Zl. 85/08/0196, (im Sinne der Maßgeblichkeit jeweils eines Zwölftels der im Wege einer Einnahmen- und Ausgabenrechnung zu ermittelnden, aus der selbständigen Erwerbstätigkeit erzielten Einkünfte der letzten zwölf Monate vor dem jeweiligen "Widerrufsmonat") zu beantworten und das Vorliegen eines Rückersatztatbestandes nach § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG zu prüfen gehabt hätte.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994. Das Kostenmehrbegehren an Schriftsatzaufwand für die Replik zur Gegenschrift war abzuweisen, weil einem Beschwerdeführer als obsiegender Partei nach den §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG an Schriftsatzaufwand nur der Ersatz des Aufwandes, der für ihn mit der Einbringung der Beschwerde verbunden war, zusteht.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993080254.X00Im RIS seit
04.02.2002Zuletzt aktualisiert am
03.07.2018