TE Vwgh Erkenntnis 1994/9/30 94/08/0183

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Veröffentlicht am 30.09.1994
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §357;
AVG §68 Abs1;
AVG §69 Abs1 litb;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell und Dr. Müller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde des S in K, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 10. Juni 1994, Zl. MA 15-II-Sch 12/94, betreffend Begünstigung gemäß den §§ 500 ff ASVG (mitbeteiligte Partei:

Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten in 1021 Wien, Friedrich-Hillegeiststraße 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der vorliegenden Beschwerde und der ihr beigeschlossenen Ablichtung des angefochtenen Bescheides ergibt sich folgender Sachverhalt:

Mit rechtskräftigem Bescheid der mitbeteiligten Pensionsversicherungsanstalt vom 22. Februar 1989 wurde in der Pensionsversicherung des Beschwerdeführers die begünstigte Anrechnung von Versicherungszeiten gemäß §§ 500 ff ASVG für die Zeit vom 4. März 1933 bis 31. März 1959 mit der Begründung abgewiesen, daß der Beschwerdeführer nicht dem gemäß § 500 ASVG zu begünstigenden Personenkreis angehöre.

Mit Anträgen (nach der Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens im angefochtenen Bescheid) "vom 18. Dezember 1992 bzw. vom 7. Oktober 1993" beantragte der Beschwerdeführer neuerlich die Durchführung eines Begünstigungsverfahrens für die Zeit vom 13. März 1938 bis 31. März 1959. Dieser Antrag wurde mit Bescheid der mitbeteiligten Pensionsversicherungsanstalt vom 7. Februar 1994 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

Der gegen diesen Bescheid erhobene Einspruch wurde mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid als unbegründet abgewiesen "und der angefochtene Bescheid aufgrund von § 68 Abs. 1 AVG bestätigt". Nach der Begründung dieses Bescheides habe der Beschwerdeführer in seinem gegen den Bescheid der mitbeteiligten Pensionsversicherungsanstalt erhobenen Einspruch vorgebracht, die Entscheidung entspreche nicht den Tatsachen, "da er nach seinem neuerlichen Antrag neue Beweismittel habe beibringen können und auch noch weitere neue Beweismittel beibringen könne, aus denen sich zumindest schlüssig ergebe, daß er im März 1938 noch in Wien bei seiner Tante gewohnt habe".

In seiner gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobenen Beschwerde bringt der Beschwerdeführer vor, daß er - wie sich aus dem Pensionsakt schlüssig ergebe - "zum Stichtag März 1938" bei seiner Tante an einer näher bezeichneten Adresse in Wien 2. gewohnt habe. Er habe öfters seine Verwandten in Polen besucht und sei offensichtlich im Zuge eines solchen Besuches, ohne sein Wissen und ohne seine Zustimmung, "laut Meldeauskunft" von seiner Tante abgemeldet worden. Er habe aber nie die Absicht gehabt, Österreich vor dem März 1938 zu verlassen.

Auch seine Schwester, die eine österreichische Alterspension beziehe, könne jederzeit bezeugen, daß sie vor dem Beschwerdeführer emigriert sei und er erst zu einem späteren Zeitpunkt nach Palästina gekommen und daher erst "lange nach dem Stichtag März 1938 Österreich verlassen habe". Die Tatsache, daß trotz eines Antrages seine Schwester nicht einvernommen worden sei, stelle eine "schwere Mangelhaftigkeit des Verfahrens" dar; ebenso die Nichtbeachtung seiner "offiziellen Identitätskarte vom 14. August 1940", ausgestellt von der Englischen Mandatsregierung (ergänze: Palästinas), welche in Kopie beiläge. Bei dieser Begründung des angefochtenen Bescheides sei auf die neuen, vom Beschwerdeführer vorgebrachten Tatsachen nicht Rücksicht genommen worden, nämlich die Möglichkeit der Einvernahme der Schwester, die Einsicht in seine Identitätskarte und der von ihm erbrachte Nachweis seiner Schulbesuche und der beruflichen Tätigkeit in Österreich bis zu seiner Emigration. Aufgrund der "neuen vorgebrachten Tatsachen" läge keine res iudicata vor, weshalb er beantrage, den angefochtenen Bescheid zur Gänze wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der am 9. Dezember 1915 geborene Beschwerdeführer bestreitet nicht, daß mit rechtskräftigem Bescheid der mitbeteiligten Pensionsversicherungsanstalt vom 22. Februar 1989 die beantragte begünstigte Anrechnung von Versicherungszeiten für die Zeit vom 4. März 1933 bis 31. März 1959 mit der Begründung abgelehnt worden sei, daß der Beschwerdeführer nicht dem gemäß § 500 ASVG zu begünstigten Personenkreis angehöre. Der Beschwerdeführer behauptet auch nicht, daß sich seither die Rechtslage in einer für ihn relevanten Weise geändert habe. Er macht vielmehr ausschließlich geltend, daß er eine Reihe von neuen Tatsachen und Beweismitteln geltend gemacht habe, auf welche die Pensionsversicherungsanstalt und die belangte Behörde nicht Bedacht genommen hätten.

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 bis 71 leg. cit. die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet und auch in den anzuwendenden Verwaltungsvorschriften keine Sonderregelung vorgesehen ist (§ 68 Abs. 6 leg. cit.), wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Dem ausdrücklichen Begehren um Abänderung stehen Ansuchen gleich, die eine erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezwecken, da § 68 Abs. 1 leg. cit. in erster Linie die wiederholte Aufrollung einer bereits entschiedenen Sache (ohne danach eingetretene Änderungen der Sach- oder Rechtslage) verhindern soll. Der Umstand, daß in § 357 ASVG der § 68 AVG nicht angeführt ist, kann den Versicherungsträger keinesfalls der Verpflichtung entheben, auch in seinen Entscheidungen dem die österreichische Rechtsordnung beherrschenden Grundsatz der Rechtskraft behördlicher Entscheidungen zum Durchbruch zu verhelfen, deren Wesen in der Bindung der Behörden und Parteien an den behördlichen Ausspruch und deren Wirkung in der Endgültigkeit und Unanfechtbarkeit der Entscheidung besteht. Andernfalls wären die in § 357 ASVG verwiesenen Institute der Wiederaufnahme des Verfahrens (§§ 69, 70 AVG) und der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 71 AVG) unverständlich. Die objektive (sachliche) Grenze der Wirkung der Rechtskraft wird durch die "entschiedene" Sache, d.h. durch die Identität der Verwaltungssache, über die mit einem formell rechtskräftigen Bescheid abgesprochen wurde, mit der im neuen Antrag intendierten, bestimmt. Die Identität der Sache liegt dann vor, wenn einerseits weder in der für den Vorbescheid maßgebenden Rechtslage noch in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgebend erachteten tatsächlichen Umständen eine ÄNDERUNG eingetreten ist und sich andererseits das neue Parteibegehren im wesentlichen (von Nebenumständen, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, abgesehen) mit dem früheren deckt. Aus § 69 Abs. 1 lit. b AVG ergibt sich aber, daß eine neue Sachentscheidung nicht nur bei identem Begehren aufgrund desselben Sachverhaltes, sondern auch im Falle desselben Begehrens aufgrund von Tatsachen und Beweismitteln ausgeschlossen ist, die bereits vor Abschluß des Vorverfahrens bestanden haben, aber erst nachträglich hervorgekommen sind (vgl. u.a. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. November 1980, Slg. Nr. 10.285/A, vom 10. Jänner 1987, Zl. 86/08/0065, vom 16. Jänner 1990, Zl. 89/08/0163, und - zuletzt - vom 21. Jänner 1992, Zl. 90/08/0032).

Vor diesem rechtlichen Hintergrund hat die belangte Behörde das neuerliche, auf begünstigte Anrechnung von Versicherungszeiten im Zeitraum vom 13. März 1938 bis 31. März 1959 gerichtete Begehren des Beschwerdeführers "vom 18. Dezember 1992 bzw. vom 7. Oktober 1993", ungeachtet des auf eine unrichtige Sachverhaltsannahme durch die mitbeteiligte Partei im Vorverfahren hinauslaufenden Sachvorbringens, zutreffend als idente Rechtssache im Verhältnis zum Vorverfahren beurteilt und demgemäß diese Anträge des Beschwerdeführers zu Recht wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

Behauptungen darüber, daß der Beschwerdeführer mit seinen Anträgen den Antrag auf Wiederaufnahme des Verwaltungsverfahrens verbunden, insbesondere aber, daß er in solchen Anträgen Angaben zur Rechtzeitigkeit eines solchen Wiederaufnahmsantrages sowohl unter dem Gesichspunkt der zweiwöchigen, als auch der dreijährigen Frist des § 69 Abs. 2 AVG gemacht hätte, enthält weder die vorliegende Beschwerdeschrift, noch ergeben sich Anhaltspunkte dafür aus der - vom Beschwerdeführer nicht in Zweifel gezogenen - Darstellung des Verwaltungsgeschehens im angefochtenen Bescheid.

Da somit die vorliegende Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war sie gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Aufgrund der hinreichenden Klarstellung der entscheidenden Rechtsfrage durch die zitierte Vorjudikatur konnte diese Erledigung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erfolgen.

Schlagworte

Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde Zurückweisung wegen entschiedener Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994080183.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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