TE Vwgh Erkenntnis 1994/9/30 93/08/0264

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Veröffentlicht am 30.09.1994
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Index

L92055 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Salzburg;
L92105 Behindertenhilfe Pflegegeld Rehabilitation Salzburg;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §135 idF 1991/676;
ASVG §135 Z3 idF 1991/676;
ASVGNov 50te;
BehindertenG Slbg 1981 §1 Abs1;
BehindertenG Slbg 1981 §2 Abs2 litc;
BehindertenG Slbg 1981 §4 Abs1;
BehindertenG Slbg 1981 §5;
SHG Slbg 1975 §1 Abs1;
SHG Slbg 1975 §14 Abs1 Z1;
SHG Slbg 1975 §14;
SHG Slbg 1975 §2 Abs1;
SHG Slbg 1975 §2 Abs3;
SHG Slbg 1975 §2 Abs4;
SHG Slbg 1975 §2 Abs6;
SHG Slbg 1975 §2 Abs7;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde des S in H, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in P, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 28. Juli 1993, Zl. 3/01-24.680/3-1993, betreffend Sozialhilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der im Bezug der Notstandshilfe stehende Beschwerdeführer stellte mit dem an die Bezirkshauptmannschaft Hallein-Sozialamt (erstinstanzliche Behörde) gerichteten Schreiben vom 11. Februar 1993 den "Antrag auf Übernahme der von der GKK (Salzburger Gebietskrankenkasse) nicht gedeckten Restkosten für eine Psychotherapie zum Zwecke eines beruflichen Neubeginns". Ein Ansuchen um Mittel aus dem Unterstützungsfonds wäre nicht zielführend, weil hier allenfalls eine Refundierung gewährt werden könne, die Kosten aber sofort anfielen.

Diesen Antrag wies die Erstbehörde mit Bescheid vom 29. März 1993, gestützt auf die §§ 6, 8 und 29 des Salzburger Sozialhilfegesetzes (SSHG), ab. Begründend wurde ausgeführt, daß die Kosten für eine Psychotherapie nicht übernommen würden, weil die Möglichkeit bestehe, diese Kosten von der Gebietskrankenkasse zu erhalten.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wandte der Beschwerdeführer ein, es sei ihm vom Sozialmedizinischen Dienst zu einer psychotherapeutischen Betreuung geraten worden. Er habe einen Therapeuten konsultiert und sei seit 8. Februar (1993) in Behandlung. Sein Antrag "auf Kostenübernahme bzw. Vorstreckung der Kosten" sei mit der Begründung abgelehnt worden, es bestehe die Möglichkeit, diese Kosten von der Gebietskrankenkasse zu erhalten. Tatsächlich bestehe zwar diese Möglichkeit, die Kosten könnten aber von der Gebietskrankenkasse erst nach Bezahlung der Rechnungen rückerstattet werden. Dem Beschwerdeführer sei es jedoch nicht möglich, die Honorare zuerst selbst zu bezahlen. Er beantrage daher, den bekämpften Bescheid aufzuheben und ihm "eine Kostenvorstreckung zu gewähren".

Der Berufung schloß er drei Beilagen an: Eine Abtretungserklärung vom 29. März 1993, eine ärztliche Bescheinigung vom 8. März 1993 und eine Honorarnote des klinischen Psychologen und Psychotherapeuten Dr. G vom 5. März 1993. In der Abtretungserklärung ermächtigte er die Erstbehörde, "die zunächst vorgestreckten Kosten lt. Honorarnote(n) von der Salzburger GKK zurückzufordern". Die vom Amt der Salzburger Landesregierung ausgestellte, für die Landesregierung von Dr. med. M unterzeichnete und "zur Vorlage bei der Salzburger Gebietskrankenkasse" dienende ärztliche

Bescheinigung lautet:

"Bezüglich der Vorgeschichte können wir auf eine ausführliche fachärztliche Stellungnahme von Herrn Dr. W, Sozialmedizinischer Dienst, vom 9. November 1992 verweisen. Anläßlich einer kommissionellen Teamberatung mit Arbeitsamt, Sozialamt Hallein und Sozialmedizinischem Dienst wurde (dem Beschwerdeführer) dringend zu einer psychotherapeutischen Betreuung geraten, geradezu zur Bedingung gemacht, um seine berufliche Rehabilitation zu ermöglichen."

Die zur Vorlage am Sozialamt ausgestellte Honorarnote

Dris. G lautet:

    "Für meine psychologischen/psychotherapeutischen Bemühungen

(Psychoanalyse) als Einzelstunde a 60 Minuten ... an folgenden

Terminen:

    8./11./15./17./19./22./24./26.2.93

    berechne ich Ihnen für 8 Termine den

                    Betrag    öS. 4.800,--

                     20% MwSt  öS.   960,--

                     Gesamt    öS. 5.760,--."

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 14 SSHG und § 2 des Salzburger Behindertengesetzes 1981, LGBl. für Salzburg Nr. 93/1981 (SBehG), keine Folge, änderte jedoch den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides dahin ab, daß anstelle der §§ 6 und 8 SSHG § 14 SSHG und § 2 SBehG zu treten habe. In der Bescheidbegründung wird nach Wiedergabe des Antrages des Beschwerdeführers, des erstinstanzlichen Bescheides und der Berufung sowie nach Zitierung des § 135 Abs. 1 ASVG sowie der §§ 2 Abs. 2, 3 lit. j und 10 Abs. 1 SBehG ausgeführt, Leistungen der Psychotherapie stellten seit der 50. ASVG-Novelle, BGBl. Nr. 676/1991, eine Pflichtleistung der Krankenversicherung dar. Der Beschwerdeführer beziehe Notstandshilfe und sei daher auch krankenversichert. Zuständige Stelle zur Erbringung von Leistungen der Psychotherapie sei für ihn daher die Salzburger Gebietskrankenkasse. Ein Anspruch auf Leistungen der Psychotherapie nach den Bestimmungen des SBehG bestehe mangels Erfüllung der im § 2 Abs. 2 lit. c genannten Voraussetzung nicht. Danach bestehe nämlich Anspruch auf Behindertenhilfe nur, wenn der Behinderte aufgrund anderer Rechtsvorschriften - ausgenommen die Vorschriften über die Sozialhilfe - keine Möglichkeit besitze, gleiche oder ähnliche Leistungen zu erlangen. Seit Inkrafttreten der 50. ASVG-Novelle habe der Beschwerdeführer jedoch nach § 135 ASVG Anspruch auf Leistungen der Psychotherapie. Die Tatsache, daß die Sozialversicherungsträger bestimmte Fragen im Zusammenhang mit der Leistungserbringung im Bereich der Psychotherapie noch nicht geklärt hätten (z.B. hinsichtlich des Tarifes, der Verträge mit Therapeuten usw.), könne in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt werden. Gemäß § 14 Abs. 1 Z. 1 SSHG umfasse die Krankenhilfe die Heilbehandlung einschließlich Zahnbehandlung. Das SSHG sei mit 1. Jänner 1975 in Kraft getreten. Die Bestimmung des § 14 orientiere sich in ihrem Leistungskatalog an den einschlägigen Bestimmungen des ASVG. Mit Inkrafttreten des SSHG im Jahre 1975 seien Leistungen der Psychotherapie jedoch noch nicht Leistungen gewesen, die einer ärztlichen Hilfe im Rahmen der Krankenbehandlung (nach dem ASVG) gleichgestellt gewesen seien. Leistungen der Psychotherapie könnten daher nicht Leistungen der Krankenhilfe im Sinne des § 14 Abs. 1 Z. 1 SSHG sein. Diese Auslegung werde noch dadurch untermauert, daß mit Inkrafttreten des SBehG ausdrücklich mit § 10 "Hilfe zur sozialen Eingliederung" eine Bestimmung geschaffen worden sei, die es ermögliche, Kosten einer Psychotherapie für anspruchsberechtigte Personen teilweise aus Behindertenhilfemitteln zu übernehmen. Zusammenfassend sei daher auszuführen, daß der Beschwerdeführer keinen Anspruch auf Psychotherapie gemäß § 10 SBehG habe, weil er aufgrund einer anderen Rechtsvorschrift, nämlich des § 135 ASVG, diese Leistung erhalten könne. Das SSHG aber biete keinen Anknüpfungspunkt zur Übernahme bzw. Vorfinanzierung von Kosten einer Psychotherapie, weil der Leistungskatalog des § 14 SSHG Psychotherapie nicht beinhalte.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde. Mit relevanten Verfahrensmängeln sei der angefochtene Bescheid deshalb behaftet, weil die belangte Behörde nicht darlege, aufgrund welcher Sachverhaltsannahmen sie zu ihrer Entscheidung gelangt sei. Eine Beschränkung der Begründung eines Bescheides auf die Diskussion der Frage, welche Rechtsvorschriften anzuwenden seien, ohne anzugeben, welcher Sachverhalt dabei als gegeben erachtet werde, sei unzureichend und rechtswidrig. Der angefochtene Bescheid sei aber aus nachstehenden Gründen auch inhaltlich rechtswidrig:

Gemäß § 3 lit. j SBehG gälten auch psychische Krankheiten als Behinderung im Sinne dieses Gesetzes. Zweck der im zweiten Abschnitt des Gesetzes geregelten Eingliederungshilfe, auf die nach § 4 Abs. 2 leg. cit. ein Rechtsanspruch bestehe, sei es, durch die im § 5 leg. cit angeführten Maßnahmen, den Behinderten zu befähigen, (wieder) in die Gesellschaft eingegliedert zu werden oder seine Stellung in der Gesellschaft zu erleichtern und zu festigen. Auch die Tragung der Kosten für eine psychotherapeutische Behandlung sei eine Maßnahme, die im Rahmen der Eingliederungshilfe gewährt werden könne. Der Beschwerdeführer bedürfe dringend der psychotherapeutischen Behandlung zur beruflichen und sozialen Eingliederung. Dabei könne es dahingestellt bleiben, ob die Übernahme der Kosten im Rahmen des § 6 (Heilbehandlung), § 9 Abs. 1 lit. a (Hilfe zur beruflichen Eingliederung) oder des § 10 Abs. 1 (Hilfe zur sozialen Eingliederung) SBehG erfolge. Die Auffassung der belangten Behörde, daß § 2 Abs. 2 lit. c SBehG der Gewährung der Behindertenhilfe entgegenstehe, sei unzutreffend. Zwar sei im § 135 ASVG nunmehr ein gesetzlicher Anspruch auf Leistung der Psychotherapie vorgesehen. Nach der derzeitigen Krankenkassenregelung werde aber von der Salzburger Gebietskrankenkasse zu den Kosten einer Psychotherapiestunde nur ein Betrag von S 300,-- exklusive Umsatzsteuer als sogenannter Pflichtteil jedenfalls gewährt. Darüberhinaus sei es möglich, in Härtefällen eine Unterstützung aus Mitteln des Unterstützungsfonds der Salzburger Gebietskrankenkasse zu erhalten. Dieser Zuschuß stelle aber eine freiwillige Leistung der Krankenkasse dar, auf die kein Rechtsanspruch bestehe. Beide Leistungen setzten überdies voraus, daß der Salzburger Gebietskrankenkasse quittierte Honorarnoten vorgelegt würden. Sie würden demnach erst nachträglich erstattet. Daraus ergebe sich, daß § 135 ASVG dem Beschwerdeführer keineswegs gleiche oder ähnliche Leistungen ermögliche, wie sie in den §§ 5 ff SBehG vorgesehen seien. § 2 Abs. 2 lit. c SBehG komme somit nicht zur Anwendung. Unzutreffend sei aber auch die Argumentation der belangten Behörde zu § 14 SSHG. Zunächst erscheine es keineswegs zwingend, § 14 SSHG als einzige Anspruchsgrundlage für die geforderte Leistung zu werten. Nach Ansicht des Beschwerdeführers könnte dies problemlos auch § 11 oder § 13 SSHG sein. Soferne man aber der Meinung der belangten Behörde folgte, derzufolge ausschließlich § 14 Abs. 1 Z. 1 SSHG in Betracht käme, sei die Argumentation unrichtig. Zwar orientiere sich § 14 SSHG im Leistungskatalog an den einschlägigen Bestimmungen des ASVG. Das SSHG sei jedoch zuletzt im Jahre 1992 novelliert worden, also zu einem Zeitpunkt, zu dem die 50. ASVG-Novelle bereits in Kraft getreten sei. Hätte der Salzburger Landesgesetzgeber demnach Leistungen der Psychotherapie im Rahmen der Sozialhilfe ausschließen wollen, so hätte er dies in der Novelle tun können. Zu beachten sei aber auch, daß die Sozialhilfe nach den Intentionen des Gesetzgebers rechtzeitige (§ 3) und auf die Eigenart der Notlage (§ 2 Abs. 1) abgestimmte Hilfestellung leisten solle. Diese Zielsetzung verbiete eine gar zu enge und auf den Zeitpunkt des erstmaligen Inkrafttretens sich beschränkende Auslegung des § 14 Abs. 1 SSHG.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift. Darin wiederholt sie die in der Begründung des angefochtenen Bescheides wiedergegebene Rechtsauffassung, derzufolge die Feststellung, daß der Beschwerdeführer durch den Bezug von Notstandshilfe krankenversichert sei, genügt habe. Zur Ablehnung einer Behindertenhilfe verweist die belangte Behörde einerseits darauf, daß der Beschwerdeführer neben den Pflichtleistungen "Leistungen des Unterstützungsfonds in Höhe von S 240,-- exklusive MWSt. pro Therapiestunde erhält", und andererseits auf § 18 Abs. 1 fünfter Satz SBehG, wonach für bereits gesetzte Maßnahmen und vergangene Zeiträume eine nachträgliche Hilfeleistung nicht in Betracht komme, sowie das im § 18 Abs. 5 SBehG vorgesehene Verfahren, das der Beschwerdeführer vor Antritt der Psychotherapie nicht abgewartet habe. Die Übernahme bzw. Vorfinanzierung von Kosten der Psychotherapie könnten mangels Tatbestandsmäßigkeit aber auch nicht auf die §§ 11 und 13 SSHG gestützt werden. § 14 Abs. 1 Z. 1 SSHG beinhalte aus den in der Bescheidbegründung genannten Umständen Leistungen der Psychotherapie nicht; vielmehr stelle § 10 SBehG als lex specialis die entsprechende Rechtsgrundlage dar.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde hat den Antrag des Beschwerdeführers "auf Übernahme der von der (Salzburger) GKK nicht gedeckten Restkosten für eine Psychotherapie zum Zwecke eines beruflichen Neubeginns" mit Recht als einen solchen auf "Übernahme bzw. Vorfinanzierung" aller Kosten der psychotherapeutischen Behandlung (durch Dr. G) verstanden. Denn schon die Begründung seines Antrages (vor allem aber die Berufung) erweist, daß es dem Beschwerdeführer um die Übernahme bzw. "Vorstreckung" (Vorfinanzierung) aller Kosten ging, die von der Salzburger Gebietskrankenkasse nicht unmittelbar mit dem Psychotherapeuten selbst verrechnet würden, sondern zunächst von ihm zu bestreiten seien (vgl. zur diesbezüglichen sozialversicherungsrechtlichen Regelung: die Erläuterungen der Regierungsvorlage zur 50. ASVG-Novelle, 284 Blg. NR XVIII. GP, S. 29 f, sowie den Ausschußbericht, 311 Blg. NR XVIII. GP, S 2; Binder, in: Tomandl, Sozialversicherungssystem7, 2.2.3.2., insbesondere S. 205, 214 und 217; Scholz, Nichtärztliche Psychotherapie als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung, SoSi 1994, S. 365 ff).

Diesen Antrag lehnte die belangte Behörde nach der oben wiedergegebenen Bescheidbegründung zunächst mit der auf § 2 Abs. 2 lit. c SBehG gestützten Begründung ab, der Beschwerdeführer könne "diese Leistung" (nämlich die psychiatrische Behandlung) auf Grund des § 135 ASVG in der Fassung der 50. ASVG-Novelle erhalten und es bestehe daher im Sinne des § 2 Abs. 2 lit. c SBehG die Möglichkeit, eine gleiche oder ähnliche Leistung zu erlangen.

Dem kann (unter der nach der Aktenlage nicht abschließend zu beurteilenden Prämisse, daß die von der belangten Behörde hiebei vorausgesetzte Qualifizierung des Beschwerdeführers als Behinderter im Sinne der §§ 2 Abs. 1, 3 und 18 Abs. 4 SBehG zutreffen sollte und daher der Antrag des Beschwerdeführers mit Recht - auch - nach dem SBehG beurteilt wurde) nicht beigepflichtet werden. Denn vor dem Hintergrund der im § 1 Abs. 1 SBehG umschriebenen Aufgabe der Behindertenhilfe im allgemeinen, "Personen, die auf Grund ihres Leidens oder Gebrechens nicht in der Lage sind, aus eigener Kraft zu einer selbständigen Lebensführung zu gelangen, nach Maßgabe dieses Gesetzes Hilfe angedeihen zu lassen", und des im § 4 Abs. 1 leg. cit. formulierten Zweckes der Eingliederungshilfe im besonderen, "den Behinderten durch die im § 5 angeführten Maßnahmen zu befähigen, in die Gesellschaft eingegliedert zu werden oder seine Stellung in der Gesellschaft zu erleichtern und zu festigen", reicht für die Erfüllung des Ausschlußtatbestandes des § 2 Abs. 2 lit. c SBehG nicht die bloße abstrakte Möglichkeit, gleiche oder ähnliche Leistungen, wie sie im Rahmen der Behindertenhilfe zu erbringen sind, zu erlangen, aus; es muß vielmehr für den Behinderten entsprechend seiner individuellen Situation auch die konkrete Möglichkeit dazu bestehen (vgl. zu den auch in diesem Zusammenhang beachtlichen Ausführungen von Pfeil, Österreichisches Sozialhilferecht, S. 359 ff, 414 f, zu den miteinander verwobenen Sozialhilfegrundsätzen der Selbsthilfefähigkeit, Individualität, Subsidiarität und Rechtsverfolgungspflicht). Ausgehend von den (von der belangten Behörde nicht geprüften und daher, weil durch die Aktenlage nicht widerlegt, vorläufig als richtig zu unterstellenden) Behauptungen des Beschwerdeführers, nicht in der Lage (gewesen) zu sein, die erforderliche Finanzierung der Behandlungskosten vorzunehmen, hatte er aber ohne eine Übernahme bzw. Vorfinanzierung derselben keine konkrete, auf seine individuelle Situation zugeschnittene Möglichkeit, aufgrund der bezüglichen sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen die nach seiner (überdies bescheinigten) Behauptung erforderliche psychiatrische Behandlung und damit eine der Eingliederungshilfe (gleichgültig ob in der Form des § 6, des § 9 Abs. 1 lit. a oder des § 10 SBehG) gleiche oder ähnliche Leistung zu erlangen.

Die Ablehnung einer Behindertenhilfe nach dem SBehG kann aber - wiederum ausgehend von den bescheinigten Behauptungen des Beschwerdeführers - auch nicht auf § 18 Abs. 1 fünfter Satz und § 18 Abs. 5 SBehG (die die belangte Behörde im übrigen in der Bescheidbegründung gar nicht herangezogen hat) gestützt werden. Die erstgenannte Bestimmung steht einer Gewährung deshalb nicht entgegen, weil der Beschwerdeführer, wie die Honorarnote indiziert, seinen Antrag nach der ersten der acht Sitzungen umfassenden psychotherapeutischen Behandlung gestellt hat und es sich daher zufolge Bestehens der aktuellen Notlage (vgl. dazu Pfeil, S. 368, 401) nicht um einen Antrag auf eine nachträgliche Hilfe für bereits gesetzte Maßnahmen und vergangene Zeiträume handelte. Die Behauptung aber, der Beschwerdeführer habe "die Psychotherapie von sich aus angetreten, ohne ein förmliches Verfahren im Sinne des § 18 SBehG abzuwarten", ist angesichts der von ihm mit der Berufung vorgelegten ärztlichen Bescheinigung, aus der sich ergibt, daß unter anderem ein Vertreter der erstinstanzlichen Behörde an jener kommissionellen Teamberatung teilgenommen hat, aufgrund derer dem Beschwerdeführer "dringend zu einer psychotherapeutischen Betreuung geraten, (ja sie) geradezu zur Bedingung gemacht" wurde, zumindest einer näheren Begründung bedürftig. Überdies ist dazu zu bemerken, daß es (unter der Voraussetzung der Unterstellung des Beschwerdeführers unter das SBehG und der Richtigkeit dieser Bescheinigung) zufolge der Verpflichtung zur amtswegigen Leistung der Eingliederungshilfe (§ 18 Abs. 1 erster Satz SBehG) Aufgabe des teilnehmenden Vertreters der erstinstanzlichen Behörde gewesen wäre zu ermitteln, ob denn der Beschwerdeführer überhaupt finanziell in der Lage sei, diese ihm dringend geratene psychotherapeutische Behandlung vorzufinanzieren, und dementsprechende Vorschläge zu erstatten bzw. Maßnahmen in die Wege zu leiten.

Aber auch die auf § 14 Abs. 1 Z. 1 SSHG gestützte Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers entspricht nicht der Rechtslage. Denn mag sich auch der mit "Krankenhilfe" überschriebene § 14 SSHG und damit auch der in Abs. 1 Z. 1 verwendete Begriff "Heilbehandlung" am Leistungskatalog des ASVG in der am 1. Jänner 1975 geltenden Fassung orientiert haben, so kommt doch eine Gleichsetzung des Begriffes der "Heilbehandlung" mit jenem der "ärztlichen Hilfe" des § 135 ASVG in der genannten Fassung im SSHG (etwa durch eine ausdrückliche oder aus dem Zusammenhang ableitbare Verweisung auf die bezügliche Bestimmung des ASVG) nicht zum Ausdruck. Der Wortlaut des § 14 Abs. 1 Z. 1 SSHG steht demnach nicht einem Verständnis des Begriffes "Heilbehandlung" (jedenfalls auch) im Sinne des § 135 ASVG in der ab 1. Jänner 1992 geltenden Fassung entgegen. Zieht man die schon genannten, im SSHG in den §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1, 3, 4, 6 und 7 zum Ausdruck kommenden Grundsätze der Sozialhilfe als Auslegungsmaxime heran (vgl. Pfeil, S. 358), so hat dies zur notwendigen Folge, daß wegen und nach Maßgabe dieser Zielsetzungen des Sozialhilferechtes einerseits ganz allgemein die Leistungen im Rahmen der Krankenhilfe weder auf die von der Krankenversicherung erfaßten Risken noch auf die dort vorgesehenen Ansprüche beschränkt sind (vgl. Pfeil, S. 459), und daher im Rahmen der Heilbehandlung, soweit erforderlich, auch die Kosten für Dienstleistungen, die nicht von Ärzten erbracht werden, zu übernehmen sein werden (vgl. Pfeil S. 460), sondern andererseits für die Ermittlung der Notwendigkeit einer Heilbehandlung jedenfalls auch das im Zeitpunkt der Gewährung der Sozialhilfe bestehende sozialversicherungsrechtliche Verständnis heranzuziehen ist.

§ 10 SBehG steht einer solchen Interpretation schon deshalb nicht entgegen, weil, wie bereits ausgeführt wurde, das SBehG nur auf Behinderte im Sinne der genannten Bestimmungen anzuwenden ist, eine psychoterapeutische Behandlung aber nicht nur für solche Personen in Betracht kommt. Da somit - entgegen der Auffassung der belangten Behörde - jedenfalls auch eine psychotherapeutische Behandlung im Sinne des § 135 Z. 3 ASVG in der Fassung der 50. Novelle unter § 14 Abs. 1 Z. 1 SSHG subsumiert werden kann, braucht im Beschwerdefall nicht untersucht zu werden, ob nicht auch eine Beurteilung der begehrten Hilfe nach dem § 11 ("andere notwendige persönliche Bedürfnisse") oder nach § 16 Abs. 2 (Hilfe zur Erwerbsbefähigung) in Betracht käme (§ 13 leg. cit. scheidet freilich wohl aus).

Aus den angeführten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993080264.X00

Im RIS seit

01.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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