TE Vwgh Beschluss 1994/10/5 94/03/0249

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Veröffentlicht am 05.10.1994
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §71 Abs1 lita;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §45 Abs1 Z2;
VwGG §46 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 94/03/0259

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des J in I, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in L, auf Wiederaufnahme des mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Juni 1994, Zl. 94/03/0104-3, abgeschlossenen Verfahrens, in eventu Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 3. März 1994, Zl. 15/12-2/1994, den Beschluß gefaßt:

Spruch

1) Dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wird nicht stattgegeben.

2) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit hg. Beschluß vom 15. Juni 1994, Zl. 94/03/0104, wurde die vom Beschwerdeführer am 6. Mai 1994 zur Post gegebene Beschwerde gegen den am 24. März 1994 zugestellten Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 3. März 1994 als verspätet zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer stellt nunmehr die Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens, in eventu auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, und bringt hiezu im wesentlichen folgendes vor:

"Am 27.04.1994 erschien der Antragsteller J in der Kanzlei seines Rechtsvertreters und brachte diesem das Berufungserkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates von Tirol, sowie den Sachverhalt des anhängigen Verwaltungsstrafverfahrens zur Kenntnis.

Herr J wollte eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde einbringen und gab an, daß er das Berufungserkenntnis am 24.03.1994 zugestellt bekommen habe. Dieses Zustelldatum entnahm J dem Umschlagkuvert des Bescheides. Gemäß der Kanzleiorganisation des Rechtsvertreters vermerkte dessen Sekretärin, Frau M, das Ende der Beschwerdefrist im Fristenbuch mit 05.05.1994. Die Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wurde vom Vertreter am 05.05.1994 diktiert und auch unterfertigt.

Bei den Sekretärinnen handelt es sich um ausgesprochen verläßliche Kanzleiangestellte und funktioniert die Postaufgabe, das Kuvertieren, sowie das Beschriften der Kuvert einwandfrei. In der Tat ist aber gerade am 05.05.1994 einer Sekretärin, M insofern ein Fehler unterlaufen, als ihr die bereits kuvertierte Verwaltungsgerichtshofbeschwerde versehentlich unter eines von mehreren am Schreibtisch liegenden Aktenstücken fiel und daher unglücklicherweise verdeckt in der Kanzlei liegen blieb. Am nächsten Tag, bemerkte sie ihr Versehen und gab sie das Kuvert mit der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde erst am 06.05.1994 mit der üblichen Verwaltungspost auf. Jedenfalls wurde in der Anwaltskanzlei die berufsgebotene Sorgfaltspflicht insofern eingehalten, als die Fristenevidenz ordnungsgemäß durchgeführt und auch kontrolliert wurde und ist es nur auf Grund eines Fehlers der bisher verläßlichen und bewährten Kanzleiangestellten zu dieser verspäteten Postaufgabe gekommen.

Der zurückweisende Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 15.06.1994, Zl. 94/03/0104 langte beim Rechtsvertreter am 05.08.1994 ein. Mit Schreiben vom 11.08.1994 teilte dieser seiner Mandantschaft J mit, daß die Beschwerde leider zurückgewiesen worden sei, da das Berufungserkenntnis am 24.03.1994 zugestellt worden sei und die Beschwerdefrist von 6 Wochen um einen Tag überschritten worden sei. Am 25.08.1994 teilte Hr. J seinem Anwalt mit, daß er nicht mehr genau wisse, ob er das Berufungserkenntnis am 24., am 25. oder gar erst am 26.03.1994 übernommen habe. Er habe ursprünglich nur deshalb den 24.03.1994 angegeben, da dieses Datum am Poststempel des Kuverts angebracht gewesen sei und er der Meinung war, daß er an diesem Tag auch den Bescheid übernommen habe und mit dem Stempeldatum die Beschwerdefrist jedenfalls rechtzeitig berechnet sei. Aufgrund dieser möglichen "Ungenauigkeit" des Übernahmedatums erhob der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers bei der Bezirkshauptmannschaft das tatsächliche Zustelldatum und hat sich ergeben, daß dies laut beiliegendem von der BH gefaxten Rückscheines tatsächlich der 25.03.1994 war.

Kenntnis vom tatsächlichen Zustelldatum erhielt der Rechtsvertreter und der Beschwerdeführer somit erst am 25.8.1994 anläßlich dessen Mitteilung und des Faxes der Bezirkshauptmannschaft, weshalb dieser Antrag auf

Wiederaufnahme bzw. Wiedereinsetzung auch rechtzeitig eingebracht ist."

Dieses Vorbringen rechtfertigt eine Wiederaufnahme des Verfahrens nicht.

Gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VwGG ist zwar die Aufnahme eines durch Erkenntnis oder Beschluß abgeschlossenen Verfahrens auf Antrag einer Partei zu bewilligen, wenn das Erkenntnis oder der Beschluß auf einer NICHT von der Partei VERSCHULDETEN irrigen Annahme der Versäumnis einer in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Frist beruht.

Vom Mangel eines Verschuldens kann jedoch nach dem oben angeführten Vorbringen im Wiederaufnahmeantrag nicht gesprochen werden. Im Gegenteil trifft den Beschwerdeführer ein grobes Verschulden, wenn die zur Einhaltung von Fristen erforderliche Sorgfalt gröblich verletzt wird. Den Beschwerdeführer selbst hätte die Verpflichtung getroffen, den Zustelltag festzuhalten und den ausgewählten und beauftragten Rechtsanwalt darüber zu informieren, um damit überhaupt die Voraussetzung für eine fristgerechte Erhebung der Beschwerde zu schaffen. Seinem

Vorbringen "... Kenntnis vom tatsächlichen Zustelldatum

erhielt ... der Beschwerdeführer ... erst am 25.8.1994" kann schon

deshalb nicht nähergetreten werden, weil auf Grund des vom Antragsteller selbst in Kopie vorgelegten Rückscheines über die Zustellung des angefochtenen Bescheides hervorgeht, daß ihm der Bescheid eigenhändig am 25. März 1994 zugestellt wurde und er selbst diesen Rückschein unterfertigt hat. Von einem mangelnden Verschulden kann dann keine Rede sein, wenn die zur Einhaltung von Fristen erforderliche Sorgfalt - wie hier nach seinem eigenen Vorbringen vom Beschwerdeführer - gröblich verletzt wird (vgl. u.a. die hg. Beschlüsse vom 22. September 1992, Zlen. 92/11/0184, 0185, und vom 4. März 1994, Zl. 93/02/0256). Hiebei wird das Verschulden des Beschwerdeführers auch nicht dadurch gemindert oder aufgehoben, daß er hinsichtlich des Fristbeginns bloß einen auf dem Briefumschlag angebrachten Poststempel beachtete und nicht das tatsächliche Zustelldatum in Erinnerung behielt.

Da somit die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Verfahrens im Sinne des § 45 Abs. 1 VwGG nicht gegeben sind, mußte der Antrag abgewiesen werden.

Zum Wiedereinsetzungsantrag:

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei, die durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Nach Abs. 3 der genannten Bestimmung ist der Antrag beim Verwaltungsgerichtshof - abgesehen von einem hier nicht zum Tragen kommenden Fall - binnen zwei Wochen nach Aufhörung des Hindernisses zu stellen. Auf Grund des Antragsvorbringens ergibt sich, daß der Beschwerdeführer - bzw. sein Rechtsvertreter - den zurückweisenden Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Juni 1994, in dem auch der Zurückweisungsgrund konkret genannt war, am 5. August 1994 zugestellt erhielt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt mußte dem Beschwerdeführer klar sein, daß Fristversäumnis eingetreten war. Gründe, die den Beschwerdeführer hinderten, den Wiedereinsetzungsgrund - Versehen einer Kanzleikraft des Beschwerdevertreters - spätestens von diesem Zeitpunkt an binnen zwei Wochen geltend zu machen, sind nicht erkennbar. Der erst am 31. August 1994 erhobene Wiedereinsetzungsantrag erweist sich somit verspätet und war daher zurückzuweisen. Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, daß der Umstand, daß der Beschwerdeführer beim Verwaltungsgerichtshof durch Angabe eines falschen Zustelldatums die Annahme einer Verspätung der Beschwerde ausgelöst hat, einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist gemäß § 46 Abs. 1 VwGG nicht zu rechtfertigen vermag (vgl. den hg. Beschluß vom 29. September 1993, Zlen. 93/03/0179, 0180).

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994030249.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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