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32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;Norm
BewG 1955 §62 Abs1 Z3 idF 1986/327;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Salzburg gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg (Berufungssenat III) vom 1. Oktober 1992, Zl. 440/14-GA8BK-DK/92, betreffend Einheitswert des Betriebsvermögens, Vermögensteuer und Erbschaftssteueräquivalent zum bzw. ab 1. Jänner 1989 und 1. Jänner 1990 (mitbeteiligte Partei: S-AG, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde im Instanzenzug unter anderem dem Antrag der mitbeteiligten Partei - einem Versorgungsunternehmen -, die ihr im Zuge verschiedener Baumaßnahmen durch das Ersetzen von Niederspannungsfreileitungen durch Erdkabel entstandenen "Mehrkosten" als Teil der Herstellungskosten von Erdverkabelungen von Stromleitungen gemäß § 62 Abs. 1 Z. 3 BewG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 327/1986 zu den im Spruch genannten Stichtagen nicht als zu ihrem Betriebsvermögen gehörige Wirtschaftsgüter zu behandeln, stattgegeben; sie stützte sich hiebei auf ein von der mitbeteiligten Partei im Berufungsverfahren beigebrachtes, als "Stellungnahme" bezeichnetes Gutachten des Salzburger Umweltanwaltes, welches auszugsweise wie folgt lautet:
"Bei der Beurteilung der Umweltauswirkungen von elektrischen Leitungen sind
* Ressourcenverbrauch: Landschaftsverbrauch, Sichtbarkeit,
Rohstoffverbrauch, Energieverbrauch und
* Emissionen: Geräusche, elektromagnetische Strahlung,
Stoff-Emission, Wärme-Emission
als Hauptkriterien zu nennen.
Freileitungen zur Stromübertragung führen zu flächenbezogenen Einwirkungen, die mit den Schlagworten 'Landschaftsverbrauch' und 'Zerschneidung' charakterisiert werden können. Sie beeinträchtigen neben der land- und forstwirtschaftlichen Bodennutzung insbesondere den Landschaftscharakter und das Landschaftsbild. Neben der optischen Landschaftsbeeinträchtigung stellen Freileitungen auch eine Gefahr für verschiedene Tiergruppen dar (lt. Untersuchungen in den Niederlanden entfielen auf 1 km Leitungslänge jährlich 700 tote/verletzte Vögel;
Verhaltensstörungen von Bienen).
Die Umwelteinflüsse von Kabeln, insbesondere in der Nieder- und Mittelspannungsebene sind wesentlich geringer (z.B. gewisse Bodenaustrocknung und Erwärmung) und bei Verlegung in Straßen und Wegen weitgehend bedeutungslos.
Freileitungen sind auf diesen Spannungsebenen Erdkabeln nur in speziellen Ausnahmefällen vorzuziehen, so z.B. * wenn schwierige Untergrundverhältnisse gegeben sind (z.B. Felsböden - Notwendigkeit von Sprengungen; Moor- und Feuchtwiesen - Gefahr der Drainagewirkung)
* wenn es durch Kabeltrassen zu neuen Durchschneidungen
und dauerhaften Schneisen in Wäldern kommt (hier ist eine Kabel-Freileitung auf Mast oder eine Überspannung von Wald meist günstiger, außer eine Verlegung des Erdkabels kann in bereits vorhandenen Schneisen oder Bewirtschaftungswegen erfolgen).
Grundsätzlich ist festzustellen, daß seitens des Umweltschutzes die dringende Forderung besteht, im Niederspannungs- und Mittelspannungsbereich bei Neubauten bzw. beim Ersatz bestehender Leitungen prinzipiell Verkabelungen vorzusehen (außer in den genannten speziellen Ausnahmen). Im übrigen gilt gleiches für den Hochspannungsbereich."
In der wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobenen Präsidentenbeschwerde wird geltend gemacht, Erdverkabelungen von Stromleitungen im Nieder- bzw. Mittelspannungsbereich, wie sie in den größeren Städten schon seit Beginn dieses Jahrhunderts verlegt worden seien, stellten noch keine Umweltschutzmaßnahmen im Sinne der zitierten Gesetzesstelle dar, weil keine Wirtschaftsgüter geschaffen würden, die Umweltbelastungen verhindern, beseitigen oder verringern. Die Stellungnahme des Salzburger Landesumweltanwaltes sei sowohl formal als auch inhaltlich zur Beurteilung der strittigen Frage, ob nach § 62 Abs. 1 Z. 3 BewG begünstigte Umweltschutzgüter vorlägen, völlig unbrauchbar. Die Erdverlegung von Stromlegungen erfolge hauptsächlich in gemeindeeigenem Grund, sodaß von einem Ressourcenverbrauch, der zudem für sich noch gar keine Umweltbelastung darstelle, keine Rede sein könne. Von Stromkabeln im Nieder- und Mittelspannungsbereich in Stadtgebieten gingen keine nennenswerten Umweltbelastungen (Emissionen) aus; Freileitungen belasteten demgemäß nicht die Luft, Erdkabel nicht Grund und Boden. Erdverkabelungen würden in erster Linie aus Gründen der Sicherheit, der ästhetischen Ortsbildverschönerung und auch aus Gründen der Verfügbarkeit des öffentlichen Grundes errichtet. Freileitungen im engeren Stadtgebiet würden heute von der Bevölkerung nicht mehr akzeptiert. Dem angefochtenen Bescheid sei auch sonst nicht nachvollziehbar zu entnehmen, warum sich die belangte Behörde dennoch von der Stellungnahme des Salzburger Landesumweltanwaltes habe überzeugen lassen.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, aber auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat unter Bedachtnahme auf die von der mitbeteiligten Partei erstattete Gegenschrift erwogen:
Gemäß § 62 Abs. 1 Z. 3 BewG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 327/1986 gehören Wirtschaftsgüter und Rechte an Wirtschaftsgütern, soweit sie dazu dienen, Umweltbelastungen zu verhindern, zu beseitigen oder zu verringern, die durch den eigenen Betrieb verursacht werden oder diesen beeinträchtigen, und deren Anschaffung oder Herstellung gesetzlich vorgeschrieben oder im öffentlichen Interesse erforderlich war, nicht zum Betriebsvermögen.
Nach den Materialien zur Novelle BGBl. Nr. 327/1986 sollte die Begünstigung des § 62 Abs. 1 Z. 3 BewG für Umweltschutzanlagen an die entsprechenden einkommensteuerrechtlichen Bestimmungen angenähert werden. Als solche einkommensteuerrechtliche Bestimmung ist § 8 Abs. 4 EStG 1972 zu nennen, dessen STAMMFASSUNG zufolge für abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, soweit diese im Inland unmittelbar und ausschließlich dem Umweltschutz dienen und deren Anschaffung oder Herstellung gesetzlich vorgeschrieben oder im öffentlichen Interesse erforderlich ist, der Abschreibungssatz abweichend vom Abs. 3 mit einheitlich 60 v.H. festgelegt ist. Diese Bestimmung IN DER FASSUNG MEHRERER NOVELLEN, zuletzt geändert durch das Abgabenänderungsgesetz 1984, BGBl. Nr. 531, lautet wie folgt:
"§ 8
(4) Abweichend vom Abs. 3 beträgt der Abschreibungssatz:
1. Von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, soweit dies im Inland ausschließlich und unmittelbar der Verhinderung, Beseitigung oder Verringerung von Umweltbelastungen dienen, die durch den eigenen Betrieb verursacht werden oder diesem beeinträchtigen, sofern die Anschaffung oder Herstellung gesetzlich vorgeschrieben oder im öffentlichen Interesse erforderlich ist, 80 v.H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten, ..."
Wie aus dem Vergleich der zitierten Rechtsvorschriften hervorgeht, fehlen in der Bewertungsvorschrift die im Tatbestand der Einkommensteuervorschrift enthaltenen Worte "ausschließlich und unmittelbar".
Im Beschwerdefall ist die Rechtsfrage zu lösen, ob die von der mitbeteiligten Partei errichteten Erdkabel in Höhe des im Vergleich zu dem Aufwand für die Errichtung von Freileitungen entstandenen MEHRaufwandes gemäß § 62 Abs. 1 Z. 3 BewG zu den Streitzeitpunkten nicht zu ihrem Betriebsvermögen gehören. Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei nehmen dies, aufbauend auf dem von letzterer im Berufungsverfahren beigebrachten Gutachten des Salzburger Landesumweltanwaltes deswegen an, weil elektrischer Strom eine elektromagnetische Strahlung verursache, die sich auf Lebewesen negativ auswirke. Zwar sei in Stadtgebieten die geleitete Spannung wesentlich niedriger als bei Hochspannungsüberlandleitungen, doch sei zu beachten, daß in besiedelten Gebieten ein dichtes Stromnetz bestehe. Bei einer Stromversorgung durch Freileitungen würde sich ein flächendeckendes elektromagnetisches Feld entwickeln, das neben der nicht substituierbaren elektromagnetischen Strahlung, bedingt durch - beispielsweise - die Stromversorgung der einzelnen Haushalte, permanent auf die im Siedlungsgebiet lebenden Menschen und Tiere einwirke. Die Erdverkabelung sei somit aus Emissionsgründen geboten. Sie diene gleichzeitig auch der Landschaftspflege und sei daher auch unter diesem Gesichtspunkt eine Maßnahme zur Beseitigung oder Verhinderung von Umweltbelastungen.
Demgegenüber vertritt der beschwerdeführende Präsident in seiner Beschwerde die Rechtsansicht, die Erdverlegung von Stromleitungen im Stadtgebiet von Salzburg erfolge hautpsächlich im gemeindeeigenen Grund (Straßen, Wege, Plätze), sodaß von einem Ressourcenverbrauch, der zudem für sich noch gar keine Umweltbelastung darstelle, nicht die Rede sein könne. Von Stromkabeln im Nieder- bzw. Mittelspannungsbereich in Stadtgebieten gingen keine nennenswerten Umweltbelastungen (Emissionen) aus; Freileitungen belasteten demgemäß nicht die Luft, Erdkabel nicht Grund und Boden. Hinsichtlich von Starkstromleitungen angestellte Untersuchen seien jedenfalls auf die Verhältnisse in der Stadt Salzburg nicht anzuwenden. Stromkabel würden in erster Linie aus Gründen der Sicherheit, der ästhetischen Ortsbildverschönerung und auch aus Gründen der Verfügbarkeit des öffentlichen Grundes im Erdboden verlegt. Freileitungen würden im engeren Stadtgebiet von der Bevölkerung auch nicht mehr akzeptiert.
In der Lehre (vgl. Twaroch-Wittmann-Frühwald, Kommentar zum Bewertungsgesetz, 339) wird die Frage, wie vorzugehen ist, wenn Wirtschaftsgüter nicht ausschließlich dazu dienen, Umweltbelastungen zu verhindern, zu beseitigen oder zu verringern, dahingehend beantwortet, daß primär - soweit es technisch vertretbar ist - eine Teilung vorzunehmen ist; wenn dies nicht möglich ist, ist der Hauptzweck maßgebend.
Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes läßt sich hinsichtlich der im Beschwerdefall zu beurteilenden elektrischen Erdkabel überhaupt kein begünstigter Zweck erkennen, dienen doch solche Leitungen ausschließlich der Beförderung von elektrischer Energie. Aber selbst wenn man hiebei auch einen begünstigten Zweck als mitverfolgt ansehen könnte, ließe sich im Sinne der eben wiedergegebenen Lehrmeinung der begünstigte Zweck nicht vom nicht begünstigten Zweck technisch abgrenzen und stellte der begünstigte Zweck keinesfalls den Hauptzweck dar.
Infolgedessen sind im Beschwerdefall jedenfalls nicht alle nach der in Rede stehenden Gesetzesstelle maßgebenden Tatbestandsmerkmale erfüllt. Da die belangte Behörde sohin das Gesetz verkannt hat, mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1992150226.X00Im RIS seit
14.01.2002