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22/02 Zivilprozessordnung;Norm
EStG 1972 §22 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Wetzel und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Eigelsberger, über die Beschwerde des J in A, vertreten durch die Dr. Z Rechtsanwalts-Kommandit-Partnerschaft in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat VIII) vom 18. März 1992, Zl.6/4-4263/90-08, betreffend Gewerbesteuer für die Jahre 1986 bis 1988, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist gelernter Kfz-Elektriker bzw. Mechanikermeister, übte diese Tätigkeit jedoch in den Streitjahren nicht mehr aus. Bis Mitte des Jahres 1985 handelte er mit Ersatzteilen und Fahrzeugen (Moped, Roller). Im Frühjahr 1986 begann er seine Tätigkeit als allgemein beeideter gerichtlicher Sachverständiger in der Fachgruppe Sicherheitswesen auf dem Gebiet Autoreparatur und Havarieschäden einschließlich Bewertung. Die Firma des Beschwerdeführers ist im Handelsregister eingetragen, die Gewinnermittlung erfolgte gemäß § 5 EStG 1972 nach einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr. Vor dem Verwaltungsgerichtshof ist noch strittig, ob die Einkünfte des Beschwerdeführers als gerichtlich beeideter Sachverständiger in den Streitjahren als Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder - wegen Ähnlichkeit der Tätigkeit mit der eines Ziviltechnikers - als Einkünfte aus selbständiger Arbeit mit der Rechtsfolge, daß hiefür keine Gewerbesteuer hätte festgesetzt werden dürfen, anzusehen sind.
In einer mit dem Beschwerdeführer im Berufungsverfahren aufgenommenen Niederschrift heißt es wie folgt:
"Diverse Versicherungsgesellschaften erteilen mir telefonisch den Auftrag, einen Befund (Gutachten) über ein bestimmtes Schadensereignis (-objekt, -ausmaß) hinsichtlich eines Kraftfahrzeuges zu erstellen. Zu diesem Zweck besuche ich die jeweiligen Standorte, überwiegend Reparaturwerkstätten, der beschädigten Fahrzeuge. Dort erfolgt der Augenschein, insbesondere müssen von mir die Fahrzeugdaten überprüft werden sowie der Allgemeinzustand, die Kilometerleistung und Betriebssicherheit. Weiters wird das von der Werkstätte festgestellte Schadensausmaß bzw. die voraussichtlichen Reparaturkosten überprüft und zwar auf gerechtfertigte Instandsetzungskosten bezüglich Unfallkausalität, um nicht gerechtfertigte Forderungen z.B. für Vorschäden abzulehnen. Weiters wird die Wirtschaftlichkeit der Instandsetzungen überprüft. Die Beurteilung erfolgt nach schadensrechtlichen Kriterien (Kasko- oder Haftpflichtversicherung) zum Teil wird der ortsübliche Wiederbeschaffungswert des Fahrzeuges aufgrund der Marktbeobachtung ermittelt.
Die weitere Sachverständigentätigkeit vollbringe ich für Gerichte, Notare und Zollbehörden. Die Tätigkeit umfaßt die Erstellung eines Befundes über den Unfallhergang, die Betriebssicherheit der beteiligten Fahrzeuge und ihrer eventuellen technischen Gebrechen. Bei Gerichtsverhandlungen werde ich fallweise zur mündlichen Beantwortung technischer und unfallrelevanter Fragen herangezogen. Von der Gendarmerie werde ich gelegentlich zwecks Spurensicherung zu einer Unfallstelle gerufen.
Auf meine Tätigkeit für die Versicherungsgesellschaften entfallen ca. 90 % aufgrund der Auftragslage."
Ergänzend brachte der Beschwerdeführer im Berufungsverfahren, in dem er seine Einkünfte als solche aus einer wissenschaftlichen Tätigkeit beurteilte, noch vor, sein Wissensstand liege über dem Fachwissen seiner früheren Berufskollegen. Er habe sich dieses Wissen durch das Studium einschlägiger Literatur sowie durch den Besuch verschiedener vom Münchener Arbeitskreis für Sachverständige veranstalteter Seminare angeeignet. Sein Wissen im Fachgebiet "Verkehrsunfall" stamme aus dem Studium spezieller Fachliteratur sowie aus dem Besuch von Seminaren in "Kollisionsdynamik und Unfallanalyse". Die notwendigen mathematischen Kenntnisse habe er von seinem Sohn, welcher inzwischen ein technisches Studium abgeschlossen habe, erworben. Der Beschwerdeführer legte im Berufungsverfahren Seminarbesuchsbestätigungen, gerichtliche Gutachten und als "Rechnungsprüfungen" bezeichnete Gutachten vor.
Bei ihrer rechtlichen Würdigung unterschied die belangte Behörde zwei Arten der vom Beschwerdeführer erstellten Gutachten. In seinen Gutachten für Versicherungsgesellschaften habe der Beschwerdeführer die unfallkausalen Schäden festgestellt und eine Kalkulation über die durchzuführende Reparatur und deren voraussichtliche Kosten durchgeführt bzw. eine bereits vorliegende Reparaturrechnung auf deren Richtigkeit - wiederum im Hinblick auf die Schadenskausalität - überprüft. Hiebei habe der Beschwerdeführer ganz offensichtlich sein Wissen als Kfz-Mechaniker (Elektriker), also seine handwerklichen und seine Marktkenntnisse, verwertet. Der Anteil dieser Arten von Gutachten habe laut Angaben des Beschwerdeführers ca. 90 % der gesamten Sachverständigentätigkeiten betragen. In seinen als gerichtlicher Sachverständiger erstatteten Gutachten zur Aufklärung von Straßenverkehrsunfällen habe der Beschwerdeführer Aussagen darüber, ob die Verkehrs- und Betriebssicherheit der unfallbeteiligten Fahrzeuge gegeben gewesen sei, ob an Autos festgestellte Schäden von bestimmten Unfällen herrührten und inwieweit technische Gebrechen zu einem Unfall führten und ähnliches getroffen. Ein Teil dieser Gutachten enthalte Aussagen über den Unfallhergang, nämlich Reaktionsverhalten der Unfallbeteiligten, Geschwindigkeit zum Reaktionszeitpunkt, Anhalteweg, Kollisionsgeschwindigkeit etc. Nur für diese Art von Gutachten seien weiterreichende Kenntnisse der Physik und Mathematik notwendig, um an Hand von feststehenden Formeln - unterstützt durch Tabellen oder Computertaschenrechner - die jeweils gesuchten Größen zu ermitteln. Allen Gutachten sei gemeinsam, daß sich der Beschwerdeführer zur Erstellung derselben weder in qualifizierter Form wissenschaftlicher Methoden bedient habe noch auch das Ergebnis geeignet sei, der Erweiterung wissenschaftlicher Erkenntnisse zu dienen. Das im Selbststudium und in Seminaren angeeignete Wissen in Physik und Mathematik, eingegrenzt auf das spezielle Sachverständigengebiet, gehe über die fast allgemein bekannten Gesetze der Schwerkraft, Trägheit der Masse, Reibungswiderstand sowie über Zeit-Weg-Berechnungen nicht hinaus. Die Tätigkeit des Beschwerdeführers in den Streitjahren sei damit weder wissenschaftlich noch auch der Berufstätigkeit eines staatlich befugten und beeideten Ziviltechnikers ähnlich.
Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde ab und trat sie sodann mit Beschluß vom 30. November 1992, B 578/92-5, antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 22 Abs. 1 Z. 1 EStG 1972 gehören zu den - nicht den gewerblichen Einkünften zuzurechnenden - Einkünften aus selbständiger Arbeit unter anderem die Einkünfte aus der Berufstätigkeit der Ziviltechniker und aus einer ähnlichen freiberuflichen Tätigkeit.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt eine "ähnliche freiberufliche Tätigkeit" im Sinne der zitierten Gesetzesstelle dann vor, wenn diese ungeachtet des Fehlens einer der nach einschlägigem Berufs- oder Standesrecht geforderten Voraussetzungen in allen nach der Verkehrsauffassung wesentlichen Momenten mit dem typisierten Bild jenes freien Berufes übereinstimmt, der als Maß der Ähnlichkeit in Betracht kommt und in der Aufzählung des Gesetzes enthalten ist. Dazu gehören jedenfalls fachliche Qualifikation durch entsprechend gehobene Fortbildung und eine tatsächliche Tätigkeit, die den wesentlichen und typischen Teil der Tätigkeiten umfaßt, zu denen die einschlägigen Vorschriften über den freien Beruf, zu dem Ähnlichkeit angenommen werden soll, berechtigen. Für die Feststellung der Ähnlichkeit einer Tätigkeit mit der eines Ziviltechnikers genügt es, wenn die Tätigkeit in ihrem wirtschaftlichen Gehalt und in ihrem äußeren Erscheinungsbild mit der Tätigkeit eines Ziviltechnikers, wie sie im Wirtschaftsleben tatsächlich und typisch ausgeübt wird, vergleichbar ist, obwohl sie nur einen Teilbereich einer weitergehenden Berufsbefugnis umfaßt (siehe z.B. das hg. Erkenntnis vom 23. Juni 1993, Zl. 92/15/0098, m.w.N.).
Hinsichtlich der Sachverständigen für das Kraftfahrwesen hat der Verwaltungsgerichtshof in dem eben zitierten Erkenntnis des näheren ausgeführt, daß ihre Tätigkeit dann nicht dem fachlichen Niveau eines Ziviltechnikers entspricht, wenn es sich im wesentlichen um eine solche handelt, die in der Verwertung allgemein bekannter Gesetze betreffend die Schwerkraft, Trägheit der Masse und den Reibungswiderstand bzw. auf rein logischen Überlegungen beruht. Dies gelte auch dort, wo der Sachverständige kompliziertere Rechenvorgänge vorzunehmen hat, wenn diese Berechnungen auf Grund eines vorhandenen EDV-Programmes durchgeführt und die entsprechenden Ergebnisse via Computer abgerufen werden können. Daß Richter im Sinne der Bestimmung des § 364 ZPO unter den dort näher geregelten Voraussetzungen von der Beiziehung eines Sachverständigen Abstand nehmen könnten, zeige, daß auch andere Personen als einschlägige Sachverständige über die erforderlichen fachmännischen Kenntnisse verfügen könnten. Verfüge ein Richter hingegen nicht über die erforderlichen Sachkenntnisse, so habe er sich jedenfalls des Sachverständigenbeweises zu bedienen. Dies sage aber noch nichts darüber aus, ob die im Einzelfall zu erbringende Sachverständigentätigkeit der eines Ziviltechnikers ähnlich sei oder nicht.
Diese im zitierten Erkenntnis wiedergebebene Beurteilung wird auch dem nunmehrigen Beschwerdefall gerecht. Da sohin die belangte Behörde die strittigen Einkünfte des Beschwerdeführers in den Streitjahren zu Recht als Einkünfte aus Gewerbebetrieb beurteilt hat, mußte die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.
Der Antrag des Beschwerdeführers auf Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof wurde nach Ablauf der Frist zur Erhebung der Beschwerde gestellt und war daher unbeachtlich (vgl. z.B. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit , 540 referierte
hg. Rechtsprechung).
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1992150222.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
23.10.2009