Index
19/05 Menschenrechte;Norm
AuslBG §15 Abs1 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der K in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 28. September 1993, Zl. SD 431/93, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 28. September 1993 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine polnische Staatsangehörige, gemäß § 18 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Z. 8 FrG ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von 5 Jahren erlassen.
Unbestritten sei, daß die Beschwerdeführerin bei Kontrollen, die von einem Organ des Landesarbeitsamtes Wien am 12. März 1993 und am 18. Mai 1993 in einem Lokal in Wien durchgeführt worden seien, arbeitend angetroffen worden sei, obwohl weder eine Arbeitserlaubnis noch eine Beschäftigungsbewilligung vorgelegen sei. Wenn sie (nunmehr) vorbringe, sie sei an der Gesellschaft, die das Lokal betreibe, zu 25 % beteiligt und seit 19. Oktober 1992 Geschäftsführerin, müsse ihr entgegengehalten werden, daß ihr Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung am 11. Februar 1993 vom zuständigen Landesarbeitsamt abgewiesen worden sei. Sie habe daher spätestens zu diesem Zeitpunkt wissen müssen, daß ihre Tätigkeit in diesem Lokal den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes zuwiderlaufe. Die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 Z. 8 FrG seien gegeben; die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme sei gerechtfertigt.
Ein (relevanter) Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin liege nicht vor. Sie halte sich seit Oktober 1990 im Bundesgebiet auf; von ihren Angehörigen lebe nur ihre Schwester in Österreich. Ungeachtet dessen sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen die Beschwerdeführerin zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung einer geordneten Fremden- und Beschäftigungspolitik - dringend geboten. Immerhin sei die Beschwerdeführerin zweimal bei einer unerlaubten Beschäftigung betreten worden, obwohl sie gewußt habe, daß sie gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz verstoße. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin und ihrer Familie wögen keinesfalls schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Dem Hinweis der Beschwerdeführerin, sie lebe mit einem österreichischen Staatsbürger in Gemeinschaft und wolle ihn nunmehr umgehend heiraten, komme in diesem Zusammenhang kein entscheidendes Gewicht zu.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht werden und begehrt wird, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Auffassung der belangten Behörde, daß die in § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei. Sie habe am 7. August 1993 - sohin vor Erlassung des angefochtenen Bescheides - "ihren Bräutigam, einen österreichischen Staatsbürger, geheiratet und lebe mit ihm in ehelicher Gemeinschaft". Vom Arbeitsamt sei ihr aufgrund ihres Antrages vom 31. August 1993 ein Befreiungsschein mit Gültigkeit vom 15. September 1993 bis 14. September 1998 ausgestellt worden. Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften führt sie in diesem Zusammenhang aus, es wäre notwendig gewesen, daß die belangte Behörde vor der Entscheidung festgestellt hätte, ob die Beschwerdeführerin - wie in der Berufung angekündigt - geheiratet habe und ihr ein Befreiungsschein ausgestellt worden sei.
Nach dem Inhalt des Verwaltungsaktes brachte die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung vor, ihr Lebensgefährte F.B. sei Österreicher. Sie werde diesen nunmehr umgehend heiraten; es liege dann keine Befürchtung mehr vor, daß sie die öffentliche Ruhe und Ordnung gefährden könnte, weil sie ja dann jedenfalls eine Arbeitsberechtigung habe. Aus der Fotokopie der Kurzabschrift der Heiratsurkunde ergibt sich, daß die Beschwerdeführerin am 7. August 1993 in Polen den am 21. Oktober 1965 in Wien geborenen Richard L. geheiratet hat. Entgegen der in der Gegenschrift vertretenen Auffassung war die Heiratsurkunde laut Aktenlage im Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde Bestandteil des Verwaltungsaktes
(Blatt Nr. 44) und mußte der Behörde daher bekannt sein. Die Vorlage der Heiratsurkunde im Zusammenhalt mit dem Berufungsvorbringen hätte die Behörde veranlassen müssen, Feststellungen darüber zu treffen, ob die Beschwerdeführerin mit einem Österreicher verheiratet ist. Der Umstand, daß die belangte Behörde solche Feststellungen unterlassen hat, belastet im gegebenen Zusammenhang den angefochtenen Bescheid mit einem wesentlichen Verfahrensmangel.
Voraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist nach § 18 Abs. 1 FrG die auf bestimmte Tatsachen gegründete Prognose, daß der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit oder die im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen erheblich gefährdet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1994, Zl. 94/18/0049). Die belangte Behörde ist von der Verwirklichung des Tatbestandes des § 18 Abs. 2 Z. 8 FrG durch die Beschwerdeführerin ausgegangen. Sie hat weiters die in § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme als gerechtfertigt und die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Aufrechterhaltung einer geordneten Fremden- und Beschäftigungspolitik als dringend geboten angesehen. Auf die
-
nachgewiesene - Ehe der Beschwerdeführerin mit einem
-
offensichtlich - österreichischen Staatsbürger wurde hiebei nicht Bedacht genommen. Zwar wäre die Beschwerdeführerin, wenn ihr Ehegatte österreichischer Staatsbürger wäre, von den Bestimmungen des Bundesgesetzes, mit dem die Beschäftigung von Ausländern geregelt wird, nicht ausgenommen (§ 1 Abs. 2 AuslBG in der gemäß § 34 Abs. 5 leg. cit. anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 475/1992). Sie hätte jedoch gemäß § 15 Abs. 2 Z. 2 AuslBG auf ihren Antrag hin Anspruch auf Ausstellung eines Befreiungsscheines. In einem solchen Fall könnte eine Gefährdung des öffentlichen Interesses an der Verhinderung von Schwarzarbeit und zur Wahrung eines geordneten Arbeitsmarktes nicht (mehr) angenommen werden.
Da somit die von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen nicht ausreichen, die von ihr daraus gezogene Schlußfolgerung zweifelsfrei zu stützen, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993180574.X00Im RIS seit
20.11.2000