TE Vwgh Erkenntnis 1994/10/6 94/18/0655

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Veröffentlicht am 06.10.1994
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §7;
AsylG 1991 §8;
AsylG 1991 §9 Abs1 idF 1992/838;
FlKonv Art31 Z1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z7;
FrG 1993 §18;
VStG §6;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des N, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 7. Juli 1994, Zl. Fr-5725/94, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg (der belangten Behörde) vom 7. Juli 1994 wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 7 unter Bedachtnahme auf § 19 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein bis 1. Juni 1999 befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei seinen Angaben zufolge am 25. Mai 1994 mit einem verfälschten Reisepaß aus Ungarn kommend nach Österreich eingereist und habe versucht, am 28. Mai 1994 nach Deutschland weiterzureisen. Bei der Einreisekontrolle sei der Beschwerdeführer wegen des verfälschten Reisedokumentes nach Österreich zurückgewiesen worden. Im Zeitpunkt der Anhaltung habe er DM 100,-- und S 60,-- bei sich gehabt. Die Annahme, daß der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährde (§ 18 Abs. 1 Z. 1 FrG) sei aufgrund der zweimaligen illegalen Grenzübertritte, des unrechtmäßigen Aufenthaltes und der Mittellosigkeit (§ 18 Abs. 2 Z. 7 FrG) gerechtfertigt. Von einem "übergesetzlichen Notstand" könne keine Rede sein, da der Beschwerdeführer bereits in Ungarn einen Asylantrag hätte stellen können.

Mit dem Aufenthaltsverbot würde nicht in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen. Eine Bindung zu Österreich bestehe nicht. Im übrigen habe der Beschwerdeführer nicht beabsichtigt, in Österreich zu bleiben, vielmehr habe er nach Deutschland weiterreisen wollen. Eine Prüfung, ob das Aufenthaltsverbot im Sinne des § 19 FrG dringend geboten sei, erübrige sich daher ebenso wie eine Interessenabwägung nach § 20 FrG.

Die vom Beschwerdeführer behaupteten "Fluchtgründe" seien für das gegenständliche Verfahren ohne Belang. Eine diesbezügliche Entscheidung sei von der Asylbehörde zu treffen bzw. sei dies in einem Verfahren nach § 54 FrG zu klären.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. In der Beschwerde bleibt unbestritten, daß der Beschwerdeführer mit einem verfälschten Reisepaß illegal nach Österreich eingereist ist und ebenso aus Österreich (nach Deutschland) ausreisen wollte. Gleichfalls nicht in Zweifel gezogen wird die Verwirklichung des Tatbestandes des § 18 Abs. 2 Z. 7 FrG (Fehlen der Mittel zur Bestreitung des Unterhaltes).

1.2. Der Beschwerdeführer ist indes der Meinung, daß der daraus von der belangten Behörde gezogene Schluß auf die Erfüllung des Tatbestandes des § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG nicht gerechtfertigt sei; dies deshalb, weil sie sich über die besondere persönliche Situation des Beschwerdeführers hinweggesetzt habe, welche diesen veranlaßt habe, sein Heimatland zu verlassen. Die belangte Behörde habe außer acht gelassen, daß der Beschwerdeführer um Asyl angesucht habe; sie habe nicht auf Art. 31 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) Bedacht genommen, wonach ein Flüchtling nicht wegen illegaler Einreise bestraft werden dürfe; sie habe schließlich nicht berücksichtigt, daß sich der Beschwerdeführer im Zeitpunkt des illegalen Grenzübertrittes in einer Notstandssituation befunden habe (§ 6 VStG). Der Beschwerdeführer habe eine Verwaltungsübertretung begangen, um einen unmittelbar drohenden und bedeutenden Nachteil von sich abzuwenden. Eine allfällige Abschiebung in seinen Heimatstaat - die "Jugoslawische Föderation" - hätte infolge seiner Wehrdienstverweigerung und der dadurch "kundgemachten politischen Einstellung" schwere Nachteile, allenfalls auch die Todesstrafe, nach sich gezogen. Auch die Mittellosigkeit des Beschwerdeführers sei "im Lichte des behaupteten Asylgrundes" zu werten gewesen; hätte die belangte Behörde dies getan, so wäre klar hervorgekommen, daß es dem Beschwerdeführer von vornherein nicht möglich gewesen wäre, mit Vermögen in das Bundesgebiet einzureisen und hier den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nachzuweisen. Außerdem sei von der belangten Behörde völlig unbeachtet geblieben, ob dem Beschwerdeführer Sozialhilfe nach dem Salzburger Sozialhilfegesetz zugestanden wäre.

2. Keiner dieser Beschwerdeeinwände ist zielführend.

2.2. Was zunächst den vom Beschwerdeführer gestellten Asylantrag anlangt, so genügt der Hinweis auf § 9 Abs.1 AsylG 1991 idF des Art. II Z. 2 BGBl. Nr. 838/1992, wonach selbst auf Flüchtlinge, die Asyl haben, sowie auf Asylwerber, die eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung (§ 7) haben, und auf Fremde mit befristeter Aufenthaltsberechtigung (§ 8) die Bestimmungen der §§ 18 bis 22 FrG Anwendung finden. Umso mehr hat dies zu gelten für einen Fremden, der wie der Beschwerdeführer, lediglich einen Antrag auf Gewährung von Asyl gestellt hat (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 23. Juni 1994, Zl. 94/18/0296).

2.2. Die Berufung auf Art. 31 (Z. 1) GFK ist schon deshalb verfehlt, weil es sich bei einem Aufenthaltsverbot nicht um eine Strafe, sondern eine administrativ-rechtliche Maßnahme handelt.

2.3. Abgesehen davon, daß im gegebenen Zusammenhang nicht zu prüfen ist, ob die illegale Einreise des Beschwerdeführers infolge Vorliegens eines schuldausschließenden oder rechtfertigenden Notstandes nicht strafbar ist (§ 6 VStG), die Bezugnahme auf diese Vorschrift also schon deswegen fehl schlägt, spricht gegen das Vorliegen einer allenfalls vergleichbaren "besonderen Notsituation" zur Zeit der Einreise nach Österreich der Umstand, daß der Beschwerdeführer aus Ungarn in das Bundesgebiet eingereist ist und sich hier immerhin drei Tage aufgehalten hat, ohne einen Versuch zu unternehmen, seinen Aufenthalt zu legalisieren, und überdies versucht hat, in die Bundesrepublik Deutschland zu gelangen (vgl. auch dazu das vorzitierte hg. Erkenntnis, Zl. 94/18/0296).

2.4. Die Behauptung des Beschwerdeführers, er hätte im Fall einer Abschiebung in die "Jugoslawische Föderation" mit schweren Strafen, allenfalls der Todesstrafe, zu rechnen, ist für die Frage, ob ein Aufenthaltsverbot zu erlassen ist bzw. erlassen werden darf, ohne Relevanz; zur Beurteilung der Zulässigkeit/Unzulässigkeit der Abschiebung steht ein gesondertes (Feststellungs-)Verfahren zur Verfügung, das auf Antrag des Fremden einzuleiten ist (§ 54 FrG). Der Beschwerdeführer hat im übrigen von dieser rechtlichen Möglichkeit Gebrauch gemacht (vgl. das zur hg. Zl. 94/18/0621 protokollierte Beschwerdeverfahren).

2.5. Daß die Behörde bei Beurteilung, ob der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 7 FrG als verwirklicht anzusehen ist, auf den "behaupteten Asylgrund" Bedacht zu nehmen habe, ist durch das Gesetz nicht gedeckt. Im Gegenteil: § 9 Abs. 1 AsylG 1991 idF des Art. II Z. 2 BGBl. Nr. 838/1992 macht deutlich, daß bei Erlassung eines Aufenthaltsverbotes für das Asylverfahren relevante Umstände nicht von Bedeutung sind.

2.6. Der Beschwerdevorwurf, es sei seitens der belangten Behörde nicht geprüft worden, ob der Beschwerdeführer einen Anspruch auf Sozialhilfe gehabt hätte, geht ins Leere, weil das Vorliegen eines solchen Anspruches das Fehlen eigener Mittel zum Unterhalt geradezu bestätigen würde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. September 1994, Zl. 94/18/0363, mwN).

3. Im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen bestehen gegen die Rechtsauffassung der belangten Behörde, daß aufgrund der illegalen Einreise und des unrechtmäßigen Aufenthaltes sowie der Mittellosigkeit des Beschwerdeführers die im § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keine Bedenken.

4. Die Ansicht der belangten Behörde, daß mit dem Aufenthaltsverbot kein Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers im Sinne des § 19 FrG verbunden sei, läßt die Beschwerde unbekämpft. Der Gerichtshof vermag nicht zu erkennen, daß die belangte Behörde insofern geirrt hätte. Von daher gesehen war nach der hg. Rechtsprechung weder zu prüfen, ob das Aufenthaltsverbot im Grunde dieser Bestimmung dringend geboten ist, noch eine Interessenabwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorzunehmen (vgl. etwa das bereits zitierte Erkenntnis, Zl. 94/18/0363). Den unter dem Gesichtspunkt der zuletzt genannten Bestimmung vorgetragenen Verfahrensrügen ist damit der Boden entzogen.

5. Da nach dem Gesagten bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs.1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

6. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein gesonderter Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994180655.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

16.04.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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