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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peternell, über die Beschwerde der E Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 17. November 1993, GZ GA 11-780/93, betreffend Nachsicht von Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Vertrag vom 16. Oktober 1989 brachte Edith E. ein ihr gehöriges protokolliertes Einzelunternehmen in die beschwerdeführende GmbH unter Inanspruchnahme der abgabenrechtlichen Begünstigungen des Art III StruktVG ein. Zu den Aktiven des Unternehmens zählten unter anderem Liegenschaften mit einem Einheitswert von zusammen
S 16,565.000,--. In der am 27. Oktober 1989 beim Finanzamt eingereichten Abgabenerklärung im Sinne des § 10 GrEStG 1987 wurde der Wert der übernommenen Stammeinlagen mit einem Betrag von S 13,777.000,-- als Gegenleistung für den Erwerb dieser Liegenschaften ausgewiesen, wobei folgender Vermerk angebracht war: "bewertet nach dem Wiener Verfahren".
Mit Bescheid vom 24. Februar 1992 setzte das Finanzamt die Grunderwerbsteuer unter Hinweis auf die Bestimmungen des Umgründungssteuergesetzes auf der Basis des zweifachen Einheitswertes (S 33,130.000,--) der eingebrachten Liegenschaften fest.
Mit einer Eingabe vom 23. März 1992 wurde daraufhin die Nachsicht eines Teilbetrages der vorgeschriebenen Grunderwerbsteuer im Ausmaß von S 677.355,-- beantragt, welcher Betrag den Unterschiedsbetrag zwischen der Berechnung der Grunderwerbsteuer nach dem Zweifachen des Einheitswertes einerseits und nach der "Gegenleistung" von S 13,777.000,-- anderseits ausmachte. Begründet wurde das Ansuchen unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Oktober 1991, 90/13/0208, insbesondere damit, daß die Vorschreibung aufgrund einer rückwirkenden Gesetzesbestimmung erfolgt sei.
Mit Bescheid vom 3. November 1992 wurde das Nachsichtsansuchen abgewiesen. In der Begründung des Bescheides wurde die Auffassung vertreten, die Gegenleistung habe für den Erwerb der Aktiva (unter Zugrundelegung des angegebenen Wertes der Gesellschaftsanteile mit S 13,777.000,-- nach Zurechnung der Verbindlichkeiten) S 18,868.301,-- betragen. Unter der Annahme, der Verkehrswert der Liegenschaften habe den fünffachen Einheitswert ausgemacht, sei auf die Liegenschaften eine Gegenleistung von S 17,798.904,-- entfallen.
In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde ausgeführt, es sei im Streitfall ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eingetreten. Der Gesetzgeber habe nicht bedacht, daß mit der Zielsetzung einer leichteren Vollziehbarkeit eine Steuererhöhung um fast das Zweieinhalbfache mit einhergehen könne.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung wurde von der belangten Behörde lediglich ausgeführt:
"Die Abweisung dieses Antrages (Nachsichtsansuchen) ist nunmehr Gegenstand des Berufungsverfahrens.
In der Berufung begehrt die Beschwerdeführerin jedoch die Zugrundelegung des 2fachen Einheitswertes.
Hiezu ist festzustellen, daß das Finanzamt bei Erlassung des Grunderwerbsteuerbescheides im Sinne des Berufungsbegehrens vorgegangen ist.
Da die behauptete sachliche Unbilligkeit somit nicht erkennbar ist und eine Unbilligkeit, die in den persönlichen Umständen der Beschwerdeführerin begründet ist, nach eigenen Angaben nicht vorliegt, war die Berufung abzuweisen."
In der Beschwerde gegen diesen Bescheid werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Der Bundesminister für Finanzen legte die von der belangten Behörde verfaßte Gegenschrift und die Akten des Verwaltungsverfahrens vor:
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Begründung eines Bescheides muß erkennen lassen, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die belangte Behörde zur Ansicht gelangt ist, daß gerade dieser Sachverhalt vorliegt und aus welchen Gründen die Behörde die Subsumtion des Sachverhaltes unter einen bestimmten Sachverhalt für zutreffend erachtet (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 26. Jänner 1994, Zl. 92/13/0148 m.w.H.).
Wie aus § 289 Abs. 1 und 2 BAO ersichtlich ist, hat die Berufungsbehörde - abgesehen von der ihr weiters obliegenden Verpflichtung zur allfälligen Abänderung des angefochtenen Bescheides - in ihrer Entscheidung in erster Linie über das Berufungsbegehren selbst abzusprechen (vgl. das Erkenntnis vom 27. Juli 1994, 92/13/0051). Ein solcher Abspruch über das Begehren um Nachsicht eines Abgabenbetrages von S 677.355,-- ist aber im angefochtenen Bescheid nicht erfolgt. Entgegen den Ausführungen im angefochtenen Bescheid hat die Beschwerdeführerin in der Berufung gerade nicht eine "Zugrundelegung des zweifachen Einheitswertes" begehrt. In der Berufungsschrift sind zwar schwer verständliche Ausführungen deswegen enthalten, weil die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides über die Heranziehung der fünffachen Einheitswertes als Ausgangspunkt für die hilfsweise angestellte Verhältnisrechnung zur Aufteilung der Gesamtgegenleistung auf Liegenschaften und bewegliche Wirtschaftsgüter von der Beschwerdeführerin mißverstanden worden sind. Daß die Beschwerdeführerin in der Berufung jedoch die Nachsicht des Abgabenbetrages verlangte, der von einer über die vermeintliche Gegenleistung von S 13,777.000,-- hinausgehenden Bemessungsgrundlage vorgeschrieben worden ist, geht jedoch aus der Berufung mit hinlänglicher Deutlichkeit hervor. Da sich die belangte Behörde mit diesem Berufungsbegehren in keiner Weise auseinandergesetzt hat, leidet der angefochtene Bescheid an einem Begründungsmangel, der eine Nachprüfung des Bescheides nicht zuläßt. Damit hat die belangte Behörde Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, sodaß der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit c VwGG aufzuheben war.
Aus verfahrensökonomischen Gründen wird für das fortzusetzende Verfahren darauf hingewiesen, daß sich die belangte Behörde auch mit der Frage, welcher Betrag tatsächlich als Gegenleistung für den vorliegenden Erwerbsvorgang anzusetzen gewesen wäre, in keiner Weise beschäftigt hat. Insbesondere ist der in der Abgabenerklärung angegebene Wert des übernommenen Stammanteils mit S 13,777.000,-- nicht überprüft worden. Im Hinblick auf die in den Akten befindliche Einbringungsbilanz und die den weitaus überwiegenden Wert der Aktiva ausmachenden beiden Liegenschaften in der KG X und KG V erscheint die genannte Wertangabe zumindest weit unter dem Substanzwert der Stammanteile gelegen. Dabei ist auch darauf zu verweisen, daß es dem Nachsichtswerber obliegt, selbst einwandfrei und unter Ausschluß jeden Zweifels das Vorliegen all jener Umstände darzulegen, auf die die begehrte abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann.
Zu der von der Abgabenbehörde erster Instanz angestellten Verhältnisrechnung ist überdies darauf zu verweisen, daß im Hinblick auf die mannigfaltigen Umstände, die den gemeinen Wert einer Liegenschaft zu beeinflussen imstande sind, eine lineare Vervielfachung des Einheitswertes zu Ermittlung des gemeinen Wertes völlig ungeeignet ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Mai 1994, Zl. 93/16/0093).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Begründung AllgemeinEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993160195.X00Im RIS seit
14.01.2002