Index
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §1002;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peternell, über die Beschwerde des Dr. R jun. in L, vertreten durch Mag. W, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 28. Februar 1994, Zl. 273/1-9/Pr-1993, betreffend Rechtsgebühr, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Datiert mit 10. April 1987 wurde eine als "Dissolutionsvertrag" bezeichnete Urkunde errichtet, die einerseits Dr. R sen. und G und andererseits den Beschwerdeführer sowie Mag. Z als Vertragsparteien benennt. Diese Urkunde wurde - was zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens unstrittig ist - wie folgt unterfertigt:
"Dr. R sen. und G beide vertreten durch Dr. H" bzw. "Dr. R jun. Mag. Z beide vertreten durch Dr. N", wobei die genannten Vertreter (zwei Rechtsanwälte) jeweils mit dem Namen des anderen unterschrieben, also Dr. H mit dem Namen Dris. N und umgekehrt.
Vom Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Linz (im folgenden kurz Finanzamt) dazu niederschriftlich vernommen, gab Dr. R sen. am 19. Dezember 1989 an, der von den Vertragsparteien vorher abgeschlossene Dissolutionsvertrag sei an die Anwälte mit dem Auftrag übergeben worden, "einzelne Formulierungen zu präzisieren und die Durchführung dieser Tätigkeit zu dokumentieren". Die beiden obgenannten Rechtsanwälte teilten dem Finanzamt über Anfrage dazu mit, jeweils nur als Zeugen mit dem Namen des jeweils anderen Zeugen unterschrieben zu haben. Ein Vollmachts- oder Auftragsverhältnis zwischen den Vertragsparteien und ihnen habe nicht bestanden.
Das Finanzamt forderte für das beurkundete Rechtsgeschäft (das Ausscheiden eines Partners aus einer Kanzleigemeinschaft gegen Abfindung durch Leibrente) zunächst mit Bescheid vom 29. Oktober 1990 Rechtsgebühr gemäß § 33 TP 16 Abs. 1 Z. 1 lit. c GebG an, wogegen der Beschwerdeführer mit dem Argument berief, der Vertrag sei mündlich abgeschlossen, die Urkunde hingegen sei nicht unterschrieben worden; die Rechtsanwälte hätten die Niederschrift jeweils mit dem Namenszug des anderen als Zeugen versehen.
Das Finanzamt wies diese Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom 6. Februar 1993 als unbegründet ab, wobei es die Meinung vertrat, aus der Urkunde sei zu entnehmen, daß die genannten Rechtsanwälte als Vertreter der Vertragsparteien und nicht als Zeugen unterfertigt hätten. Der Dissolutionsvertrag sei zufolge der maschingeschriebenen Namen der Vertragsparteien und ihrer Vertreter ersatzbeurkundet worden.
Dagegen begehrte der Beschwerdeführer fristgerecht die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz, wobei er darauf hinwies, daß die beiden Rechtsanwälte ausdrücklich erklärt hätten, es habe kein Vollmachts- und Auftragsverhältnis bestanden.
Mit Berufungsentscheidung vom 5. März 1993, Zl. 108/1-9/Pr-1993, gab die belangte Behörde der Berufung Folge und hob den angefochtenen Bescheid mit der Begründung auf, im vorliegenden Fall sei das Ausscheiden eines Gesellschafters gegen Leibrente erfolgt, weshalb § 33 TP 17 Abs. 1 Z. 4 GebG anzuwenden sei.
Daraufhin erließ das Finanzamt am 2. Juni 1993 einen auf die letztgenannte Gesetzesstelle gegründeten Bescheid, wogegen der Beschwerdeführer neuerlich berief. Er wiederholte dabei sein Vorbringen aus dem ersten Rechtsgang und wies ergänzend darauf hin, die maschingeschriebene Beisetzung der Namen der Vertragsparteien und ihrer Vertreter könne nicht als Ersatzbeurkundung verstanden werden.
Diese Berufung wurde vom Finanzamt mit Bescheid vom 3. August 1993 als verspätet zurückgewiesen, welcher Bescheid über neuerliche Berufung des Beschwerdeführers vom Finanzamt selbst mit Berufungsvorentscheidung vom 24. August 1993 wieder aufgehoben wurde. Das Finanzamt legte daraufhin die Berufung unmittelbar der Abgabenbehörde zweiter Instanz vor.
Die belangte Behörde gab der Berufung keine Folge und ging davon aus, der gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 GebG maßgebliche Urkundeninhalt lasse zweifelsohne erkennen, daß die Doktoren H und N als Vertreter der Vertragsparteien unterfertigt haben. Die Erklärungen eines Vertreters seien aber in gebührenrechtlicher Hinsicht der Erklärung des Vertretenen gleichzustellen. Gemäß § 18 Abs. 1 GebG sei der handschriftlichen Unterfertigung eine Unterschrift gleichgesetzt, die im Auftrag des Namensträgers oder mit seinem Einverständnis hergestellt oder mit Namenszeichnung vollzogen werde. Dies sei aber durch die Unterfertigung der Urkunden auf die im vorliegenden Fall geschehene Art und Weise erfolgt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht verletzt, "bei Nichtvorliegen eines Gebührentatbestandes für Rechtsgeschäfte iS der §§ 15 ff GebG keine Rechtsgeschäftsgebühr gemäß § 33 GebG jeweils idgF zu entrichten".
Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor, in der die kostenpflichtige Abweisung der Bechwerde als unbegründet beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 15 Abs. 1 GebG sind Rechtsgeschäfte nur dann gebührenpflichtig, wenn über sie eine Urkunde errichtet wird, es sei denn, daß in diesem Bundesgesetz etwas Abweichendes bestimmt ist.
Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 leg. cit. ist für die Festsetzung der Gebühren der Inhalt der über das Rechtsgeschäft errichteten Schrift (Urkunde) maßgebend.
§ 18 Abs. 1 GebG bestimmt:
"Der handschriftlichen Unterzeichnung durch den Aussteller steht die Unterschrift gleich, die von ihm oder in seinem Auftrag, oder mit seinem Einverständis mechanisch hergestellt oder mit Namenszeichnung vollzogen wird."
Was zunächst das Beschwerdeargument anlangt, die Rechtsanwälte Dr. H und Dr. N hätten die beschwerdegegenständliche Urkunde nur als Zeugen unterfertigt, ist darauf hinzuweisen, daß nach dem gemäß § 17 Abs. 1 GebG maßgeblichen Urkundeninhalt derartiges aus der Urkunde nicht hervorgeht, sondern ganz im Gegenteil der Urkundentext ausdrücklich und deutlich die rechtsgeschäftliche Vertretung der betroffenen Vertragsparteien durch die genannten Rechtsanwälte offenlegt. Sämtlichen Beschwerdeargumenten, die sich darauf stützen, den betreffenden Rechtsanwälten sei nur Zeugenrolle zugekommen (was im Falle eines sogenannten Gedenkprotokolles von Bedeutung wäre; vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Mai 1968, Slg. N.F. 3756/F), ist daher von vornherein der Boden entzogen.
Insoweit weiters der Beschwerdeführer in Wiederholung seiner Argumente aus dem Verwaltungsverfahren betont, die vorliegende Urkunde betreffe nur einen schon vorher mündlich abgeschlossenen Vertrag, ist er darauf zu verweisen, daß nach ständiger hg. Judikatur auch bloß rechtsbezeugende Urkunden, die dem Vertragsabschluß nachfolgen, die Gebührenpflicht auslösen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Juni 1991, Zl. 90/15/0058, uva).
Auszugehen ist im Beschwerdefall davon, daß die vorliegende Urkunde zwei Unterschriften trägt, die jeweils den Vertreter zweier der vier Vertragsparteien benennen. Gebührenrechtlich ist - wie die belangte Behörde zutreffend erkannte - gemäß § 18 Abs. 1 letzter Fall GebG der handschriftlichen Unterzeichnung jene Namenszeichnung gleichzusetzen, die mit dem Einverständnis dessen vorgenommen wird, dessen Name dabei Verwendung findet (vgl. dazu insbesondere Frotz-Hügl-Popp, Komm. z. GebG II 1b ff zu §§ 15 bis 18 GebG sowie Arnold, Rechtsgebühren3 Rz 3 zu § 18 GebG). Dies entspricht dem von der zivilrechtlichen Lehre entwickelten Institut des sogenannten Handelns unter fremdem Namen (= unter Verwendung des fremden Namens) in dem Fall, daß derjenige, dessen Namen verwendet wird, damit einverstanden ist (vgl. dazu Koziol-Welser, Grundriß I9, 179, Abs. 3; Welser, Vertretung ohne Vollmacht 257 ff insb. 259).
Im vorliegenden Fall haben nun unstrittig zwei, nach dem gemäß § 17 Abs. 1 GebG maßgeblichen Urkundeninhalt als Vertreter bezeichnete Personen jeweils die Urkunde unter Verwendung des Namen des anderen (Vertreters) unter Offenlegung der Vertretung unterschrieben. Da keinerlei Anhaltspunkt dafür vorliegt, dieses Verhalten wäre jeweils ohne Zustimmung dessen erfolgt, dessen Name dabei verwendet wurde, ist die von Dr. H unter Verwendung des Namens Dr. N und umgekehrt vorgenommene Unterfertigung der Urkunde jeweils als eine für denjenigen wirksame Unterfertigung anzusehen, dessen Name dabei verwendet wurde. Dies bedeutet im vorliegenden Fall, daß Dr. H durch die Verwendung des Namens Dr. N die Urkunde für diesen wirksam in dessen Eigenschaft als Vertreter des Beschwerdeführers und des Mag. Z und umgekehrt Dr. N durch die Verwendung des Namens des Dr. H wiederum für diesen wirksam als Vertreter der anderen beiden Vertragsparteien unterfertigt hat. Was gemäß § 18 Abs. 1, letzter Fall GebG für den Aussteller gilt, hat naturgemäß auch für den Fall zu gelten, daß Stellvertreter dazwischen geschaltet sind.
Da § 18 Abs. 1 GebG nur die Frage der Form der gebührenrechtllich maßgeblichen Unterfertigung regelt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Juni 1979, Zl. 2755/77 Slg. N.F. Nr. 5388/F), stellt sich im folgenden die Frage der Zurechenbarkeit und Wirksamkeit der Vertreterunterschrift für die in der Urkunde genannten Vertragsparteien und damit die Frage der Gültigkeit des beurkundenden Rechtsgeschäftes überhaupt.
Nach ständiger hg. Judikatur ist für die Gebührenpflicht nämlich ua maßgeblich, ob das beurkundete Geschäft rechtsgültig zustande gekommen ist (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 17. Februar 1992, Zlen. 91/15/0087, 0088, vom 14. Oktober 1991, Zl. 90/15/0101 und vom 10. Juni 1991, Zl. 90/15/0019 uva). In diesem Zusammenhang ist dem Beschwerdeführer zuzugeben, daß sich die belangte Behörde angesichts des Schreibens der beiden Rechtsanwälte vom 25. Oktober 1990 und der darin aufgestellten Behauptung, es habe kein Vollmachts- bzw. Auftragsverhältnis bestanden, mit der Frage des Vorliegens der entsprechenden Vertretungsmacht der genannten Anwälte zur Unterfertigung für die in der Urkunde genannten Vertragsparteien näher hätte auseinandersetzen müssen und nicht ohne weiteres von einer wirksamen direkten Stellvertretung hätte ausgehen dürfen. Wie aber gleich gezeigt werden wird, vermag diese Unterlassung den angefochtenen Bescheid nicht mit Rechtswidrigkeit zu belasten:
Voraussetzung einer wirksamen direkten Stellvertretung ist (abgesehen von der im Bechwerdefall vorliegenden Offenlegung des Vertretungsverhältnisses und der nicht in Frage stehenden Geschäftsfähigkeit der handelnden Vertreter) das Vorliegen von Vertretungsmacht (vgl. Koziol-Welser aaO 163 bis 165).
Selbst wenn man davon ausginge, die obgenannten Rechtsanwälte hätten bei Unterfertigung der maßgeblichen Urkunde über keine Vertretungsmacht verfügt (wogegen allerdings die Aussage der Vertragspartei Dr. R sen. spricht, es wäre Aufgabe der Rechtsanwälte gewesen, "einzelne Formulierungen des Vertragstextes zu präzisieren") und die Urkunde also als sogenannte Scheinvertreter unterfertigt, so wäre im vorliegenden Fall durch die von Dr. R sen. vorgenommene Anzeige der Urkunde an das Finanzamt, verbunden mit seiner Aussage vom 19. Dezember 1989 und jedenfalls auch durch das im Verwaltungsverfahren vom Beschwerdeführer selbst gesetzte Verhalten eine Genehmigung des bis dahin vollmachtslosen Handelns der Rechtsanwälte Dr. H und Dr. N in Gestalt der vorgenommenen Unterfertigung der Urkunde in Vertretung der Vertragsparteien gemäß § 1016 ABGB erfolgt (vgl. dazu Koziol-Welser, aaO. 175, 176), weil auch der Beschwerdeführer im Abgabenverfahren niemals erklärte, die Vorlage der in Rede stehenden Urkunde an das Finanzamt, sei ohne oder gegen seinen oder den Willen der übrigen Vertragsparteien erfolgt.
Daraus folgt, daß selbst dann, wenn die Rechtsanwälte Dr. H und Dr. N in der Tat zunächst ohne Vollmacht gehandelt hätten, die Gültigkeit des beurkundeten Rechtsgeschäftes wegen nachfolgender Genehmigung gemäß § 1016 ABGB nicht in Frage steht. Davon ausgehend erweist sich aber der angefochtene Bescheid im Ergebnis als frei von den behaupteten Rechtswidrigkeiten, weil die belangte Behörde auch bei der gebotenen näheren Befassung mit der relevanten Frage des Vorliegens von Vertretungsmacht für die vorgenommene Beurkundung zu keinem anderen Bescheid hätte kommen können.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, wobei die Entscheidung wegen der durch die oben zitierte Judikatur und Literatur klargestellten Rechtslage in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden konnte.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994160101.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
18.12.2014