TE Vwgh Erkenntnis 1994/10/10 94/20/0285

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Veröffentlicht am 10.10.1994
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §63 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Händschke als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Mayer, über die Beschwerde des C in W, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 4. Mai 1993, Zl. 4.311.977/2-III/13/91, betreffend Zurückweisung einer Berufung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 5. März 1991 wurde festgestellt, daß beim Beschwerdeführer, eines türkischen Staatsangehörigen, die Voraussetzungen für seine Anerkennung als Flüchtling nicht vorlägen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die gegen den genannten Bescheid eingebrachte Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG zurück. Begründend führte sie aus, daß die Berufung keinen im Sinne des § 63 Abs. 3 AVG ausreichend begründeten Berufungsantrag enthalten habe. Insbesondere habe der Beschwerdeführer keine Gründe angeführt, die den Berufungsantrag rechtfertigen könnten, wie materielle Rechtswidrigkeit, wesentliche Verfahrensmängel, unrichtige Beweiswürdigung oder ähnliches, sondern nur auf sein erstinstanzliches Vorbringen hingewiesen habe. Da die Rechtsmittelbelehrung des Bescheides erster Instanz ausdrücklich auf das Erfordernis eines begründeten Berufungsantrages hingewiesen habe, stelle das Fehlen dieses essentiellen Bestandteiles einer Berufung keinen - nach § 13 Abs. 3 AVG verbesserungsfähigen - Formmangel, sondern einen inhaltlichen Fehler dar, der zur Zurückweisung habe führen müssen.

In der vorliegenden, gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem "gesetzlich gewährleisteten Recht auf Durchführung eines ordnungsgemäßen Verwaltungsverfahrens nach § 11 ff AsylG in Verbindung mit AVG und auf Zuerkennung des ihm zustehenden Asylrechtes" verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer hat innerhalb der Berufungsfrist an die Erstbehörde eine Eingabe mit folgendem Wortlaut gerichtet:

"Betreff: Berufung - Nichtanerkennung als Flüchtling

Sehr geehrte Sachbearbeiter/in

In dem Bescheid vom 20. 3. 1991 teilen Sie mir mit, daß ich nicht als Flüchtling anerkannt werde.

Ich berufe gegen diesen Bescheid innerhalb mir angegebener Frist (binnen 14 Tagen).

Meine Asylansuchungsgründe erzählte ich Ihnen bei meiner Interview, dieser sind weiters für mich aufrecht.

Ich bitte um nochmalige Bearbeitung meines Aktes, hoffe auf

eine positive Erledigung und verbleibe

mit freundlichen Grüßen.

C eh."

Gemäß § 63 Abs. 3 AVG hat die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten.

Als Berufung kann eine Eingabe daher nur angesehen werden, wenn ihr entnommen werden kann, daß der bezeichnete Bescheid angefochten wird, d.h. daß die Partei mit der Erledigung der erkennenden Behörde erkennbar nicht einverstanden ist und daß aus ihr ersichtlich ist, aus welchen Erwägungen die Partei die Entscheidung der Behörde bekämpft. Das Gesetz verlangt somit nicht nur einen Berufungsantrag, sondern darüber hinaus auch eine Begründung, d.h. Ausführung aus welchen Gründen der angefochtene Bescheid bekämpft wird (vgl. hg. Erkenntnis vom 21. Juni 1994, Zl. 94/20/0133 und 0134). Die zitierte Gesetzesbestimmung darf jedoch nicht formalistisch ausgelegt werden. Ein begründeter Berufungsantrag liegt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits dann vor, wenn die Eingabe erkennen läßt, welchen Erfolg der Einschreiter anstrebt und womit er seinen Standpunkt vertreten zu können glaubt, wobei kein strenger Maßstab anzulegen ist. Im Beschwerdefall kann entgegen der Ansicht der belangten Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gerade noch entnommen werden, worin er die Unrichtigkeit des erstinstanzlichen Bescheides erblickt. Es ergibt sich aus der knappen und sprachlich unbeholfenen Formulierung immerhin, daß der Beschwerdeführer die zur Abweisung seines Asylantrages führende Gesamtbeurteilung seiner Situation, wie er sie in seinem Erstinterview vor der Behörde erster Instanz dargelegt hat, zu bekämpfen versucht, wobei er der Behörde der Sache nach vorwirft, diese verkannt bzw. unrichtig dargestellt zu haben, dies im vorliegenden Zusammenhang insbesonders in Hinblick auf die im erstinstanzlichen Bescheid enthaltene Wertung des Vorbringens des Beschwerdeführers, wonach diesem die Eignung zur Begründung der Flüchtlingseigenschaft lediglich unter Hinweis auf eine mangelnde Glaubhaftmachung ohne näheres Eingehen auf die von ihm dargestellten Fluchtgründe abgesprochen worden war. In diesem Sinne kann das Vorbringen auch als Bestreitung des Zutreffens der rechtlichen Würdigung seines Vorbringens in erster Instanz verstanden werden, geht man insbesondere davon aus, daß die erstinstanzliche Behörde in ihrem Bescheid auch nicht zu erkennen gibt, ob sie die vom Beschwerdeführer dargelegten Fluchtgründe als rechtlich nicht ausreichend angesehen hat oder ihm bei der Darstellung derselben die Glaubwürdigkeit abgesprochen hat. Die belangte Behörde wäre daher verhalten gewesen, vom Vorliegen eines begründeten Berufungsantrages auszugehen und eine Sachentscheidung zu treffen.

Da die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage mit einer Zurückweisung vorgegangen ist, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994200285.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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